Frankfurt - Stuttgart (18 Uhr):Oberste Schublade

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Filip Kostic ist seit 2018 die Nummer 10 der Frankfurter. Ist der der Leistungsträger, der er sein sollte? (Foto: imago)

Filip Kostic ist seit Wochen einer der besten Spieler bei Eintracht Frankfurt. Es ist seine dritte Station in der Bundesliga, die erste, bei der er sein Potenzial abrufen kann. Am Sonntag trifft er auf seine Vergangenheit.

Von Frank Hellmann

Die Liste der Fußball-Ästheten, die bei Eintracht Frankfurt die Nummer zehn trugen, ist lang und prominent. Alfred Pfaff aus der Meistermannschaft von 1959 steht darauf; Bernd Nickel, der Anfang der 80er Jahre so tückische Eckbälle schlug, dass sogar Sepp Maier schlecht aussah; der Ungar Lajos Detari, der vor über 30 Jahren die Eintracht zum Pokalsieg schoss, Jay-Jay Okocha und natürlich Weltmeister Uwe Bein. Einige von ihnen sind in übergroßen Schwarz-Weiß-Porträts immer noch im Erdgeschoss der Frankfurter Arena an den Wänden zu sehen, die die aktuellen Profis vor jeder Partie abschreiten.

Und so wird auch Filip Kostic an ihnen vorbeikommen, wenn er sich zum Aufwärmen vor dem Heimspiel gegen den VfB Stuttgart (Sonntag 18 Uhr) auf den Rasen begibt, die Zehn auf dem Rücken. Dass dem serbischen Nationalspieler im Sommer diese mystische Nummer zugeteilt wurde, war eher dem Zufall, als großen Erwartungen geschuldet. Erst spät in der Transferperiode vom Absteiger Hamburger SV für zwei Jahre inklusive Kaufoption geliehen, stand fast zeitgleich Marco Fabian zum Verkauf, der als Träger der Nummer zehn die in ihn gesetzten Hoffnungen viel zu selten erfüllen konnte.

Eine wechselhafte Vita

Dass Kostic nicht als Spielmacher kam, war allen klar - nicht jedoch, wie schnell der 26-Jährige in Frankfurt als Leistungsträger Fuß fassen sollte. In 26 Bundesliga- und acht Europapokalbegegnungen stand der serbische Nationalspieler auf dem Platz, hat wettbewerbsübergreifend sechs Treffer erzielt und neun vorbereitet. In den 13 ungeschlagenen Partien in diesem Jahr gehört er fast immer zu den besten Akteuren. Seit er in Frankfurt ist, spielt er so gut, wie selten zuvor in seiner Karriere.

Nicht selbstverständlich bei seiner wechselhaften Vita: 2014 hatte ihn der heutige Frankfurter Sportvorstand Fredi Bobic zum VfB Stuttgart geholt, nachdem sich der Linksaußen beim FC Groningen für ein Engagement in einer großen Liga empfohlen hatte. Trotz wechselhafter Leistungen griff der Hamburger SV zwei Jahre später tief in die Tasche, um Kostic im Sommer 2016 für die interne Rekordablöse von 14 Millionen Euro zu verpflichten. Nach zwei Spielzeiten passierte beim HSV dasselbe wie schon zuvor in Stuttgart: der Abstieg. Mit einem vermeintlichen Unterschiedsspieler Kostic, der in den entscheidenden Momenten abtauchte.

Trotz dieser schwankenden Leistung konnte Frankfurt-Trainer Adi Hütter nur schwer verstehen, wie dieser Fußballer in der öffentlichen Wahrnehmung so tief sinken konnte: "Er gehört in die oberste Schublade", sagte Hütter. Anders als bei seinen anderen Vereinen funktionierte Kostic in Frankfurt von Beginn an, spielt seitdem konstant und fügt sich gut in das internationale Mannschaftsgefüge der Eintracht ein. Mit seinen Landsleuten Mijat Gacinovic und Luka Jovic und dem Kroaten Ante Rebic ist er eng befreundet. Die Clique unternimmt auch neben dem Platz viel zusammen, fährt gemeinsam in den Urlaub oder postet Fotos von Grillabenden auf Frankfurter Hinterhöfen.

Kostic, die Pappnase

Auf dem Platz ist Kostic ein Tempodribbler, der zur Not so viele Haken schlägt, bis dem Gegenspieler schwindlig ist. Er bearbeitet dabei die ganze Außenbahn, zieht einen Sprint nach dem anderen an und schlägt so viele Flanken, wie kein anderer Spieler in der Bundesliga. 116 sind es in der laufenden Spielzeit, ganze 27 mehr als Hoffenheims Nico Schulz auf Platz zwei. Dabei läuft er in 90 Minuten im Schnitt 11,4 Kilometer - und ist trotzdem nur selten erschöpft: Nur für die jüngsten Länderspiele in Deutschland und Portugal fiel er wegen Oberschenkelbeschwerden aus.

Neben seiner enormen Beschleunigung und der guten Technik, fällt vor allen Dingen Kostics verbessertes Durchsetzungsvermögen auf. Ein Außenstürmer, dem der Ruf vorauseilte, keinen Rückwärtsgang zu kennen, erfuhr an seinem dritten Bundesliga-Standort gewissermaßen eine Art Reinkarnation, über die sich der ehemalige HSV-Vorstandschef Heribert Bruchhagen wunderte: "Kostic, die Pappnase, wie der jetzt nach hinten arbeitet..."

Begegnung mit der Vergangenheit

Wie unterschiedlich der neue und der alte Kostic sind, zeigt, wie sein aktueller Trainer über ihn redet: "Filip ist menschlich top. Er ist mannschaftsdienlich, und auf dem Platz schafft er Fakten, er ist sensationell." Diese Metamorphose Kostics ist auch Hütters Verdienst: "Er hat nicht nur für mich eine neue Position im Team gefunden, sondern das Spielsystem dem vorhandenen Kader angepasst. Ich brauche eine gute Mannschaft, um mein Spiel zu machen", sagte Kostic.

Tatsächlich bilden Kostic und Danny da Costa, sein Pendant auf der rechten Seite, ein gerne unterschätztes Stilmittel im Frankfurter Vorwärtsspiel. Beide Akteure sind deutlich höher als die Dreierkette postiert und erweitern bei Ballbesitz permanent die Angriffsreihe. Mit ihrer hohen Positionierung ziehen sie die gegnerische Viererkette auseinander. Kostic bildet dank seiner Dynamik das beste Druckmittel, um dicht gestaffelte Abwehrreihen aufzubrechen, so vielleicht auch am Sonntag gegen Stuttgart. Wenn Kostic dann durch das Frankfurter Erdgeschoss geht, vorbei an den Porträts der großen Zehner, begegnet er nicht nur der Frankfurter Vergangenheit, auf dem Rasen muss er sich auch mit seiner eigenen auseinandersetzen.

© SZ vom 31.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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