Frankfurt - Schalke (19.30 Uhr):Kränkende Aversionen

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Am liebsten verstecken: So wie David Abraham geht es in diesen Tagen vielen Spielern von Eintracht Frankfurt. (Foto: Simon Hofmann/Getty Images)

Das Spiel gegen Schalke wird für die Eintracht auch eines gegen die schlechte Laune auf der Tribüne, die auch Trainer Armin Veh beschäftigt: "Ich bin ja kein eiskalter Engel."

In diesem Sommer wird Heribert Bruchhagen seine Arbeit als Vorstandsvorsitzender von Eintracht Frankfurt beenden. Nach 13 Jahren am Main kehrt der 67-Jährige zurück in seine Heimat Ostwestfalen. Die letzten Monate am Main hat sich Bruchhagen angenehmer vorgestellt. Derzeit gestaltet sich die Suche nach einem Nachfolger schwierig, die Eintracht steckt mitten im Kampf gegen den Abstieg. Auf der Liste möglicher Kandidaten sollen angeblich der ehemalige Bayern-Manager Christian Nerlinger und der ehemalige Nationalspieler Christoph Metzelder stehen. Bruchhagen sagt, er sei nicht in die Suche eingebunden, das sei nicht üblich.

Ein paar Kilometer weiter, bei Mainz 05, war das anders. Da hat der nach der Saison zu Schalke 04 wechselnde Sportchef Christian Heidel seinen Nachfolger selbst gesucht und in Rouven Schröder, 40, bei Werder Bremen offenbar jemanden gefunden, dem auch das Mainzer Präsidium die Aufgabe zutraut. In Frankfurt obliegt die Manager-Fahndung dem Aufsichtsrat und dessen Vorsitzenden Wolfgang Steubing.

Der Eintracht droht der Rückfall in die zweite Liga

Nachdem die Eintracht 2011 abgestiegen war, verlor Bruchhagen einiges von seiner Macht. In Bruno Hübner wurde ein Manager installiert, mit Armin Veh als Trainer gelang damals der direkte Wiederaufstieg. Nun sagt Veh, der im vorigen Sommer zum zweiten Mal als Trainer nach Frankfurt kam, vor dem Spiel an diesem Sonntag gegen den FC Schalke: "Das Schlimmste für mich wäre, die Eintracht auf dem Stand abzugeben, auf dem ich sie übernommen habe." Damals, 2011, war das in der zweiten Liga. Und wenn nicht schnell die Wende gelingt, könnte die Eintracht dorthin zurückfallen.

Nicht nur der Trainer hat offenbar die Befürchtung, dass der Sog nach unten nicht mehr zu stoppen sein könnte. Zumal eine Negativserie von vier Spielen ohne Sieg zu Buche steht. Die Stimmung ist mies in Frankfurt, auch das Publikum hat den Abstiegskampf noch nicht angenommen, ein Schulterschluss zwischen Mannschaft, Trainer und Fans ist nicht zu erkennen.

Im Gegenteil: Die Mehrheit der Fans hat vor allem das Vertrauen in den Trainer verloren. Nach dem verkrampften 0:0 jüngst gegen den Hamburger SV gab es Pfiffe für die ohnehin verunsicherte Mannschaft. Veh ärgerte das so sehr, dass er sich zu der Aussage hinreißen ließ: "Dann sollen sie zu Hause bleiben." Das kostete den 55-Jährigen noch mehr Kredit.

Dass Vehs Abschied zum Saisonende feststeht, wird dementiert

Viele Fans haben dem Trainer nicht verziehen, dass der sich bei seinem Weggang 2014 despektierlich über die Möglichkeiten der Eintracht geäußert hatte. Veh hatte die Eintracht einst nach einer ewigen Pause mal wieder zurück in den Europapokal geführt, aber sein Kredit ist inzwischen bei vielen im Publikum aufgebraucht. Auch sein Annäherungsversuch vom Freitag wird die Grundstimmung kaum ändern, obwohl Veh schmeichelte: "Die Eintracht hat geile Fans, das werde ich auch in zehn Jahren noch sagen. Aber ich bin ja kein eiskalter Engel." Die Aversionen von den Rängen haben Veh gekränkt.

Dass Vehs Ablösung zum Saisonende bereits feststehe, wie die Sportbild unter der Woche erfahren haben wollte, dementierte Bruchhagen: "Das sind Spekulationen. Eintracht Frankfurt ist trainerstabil und ein Verein, der seinen Trainern großes Vertrauen schenkt." Bruchhagen erklärte aber auch, dass Vehs Aussagen den Entscheidern im Klub nicht gefallen hätten: "Das waren unbedachte Äußerungen." Und Bruchhagen sagte: "Wir lassen es nicht einfach laufen." Holt die Mannschaft in den nächsten Tagen in den drei Spielen gegen Schalke (Sonntag), bei Hertha Berlin (Mittwoch) und gegen Ingolstadt (Samstag) nichts Zählbares, dürfte Veh kaum auf seinem Posten zu halten sein.

Wenn Alexander Meier nicht trifft, trifft niemand

Die Situation ist verfahren, die sportliche Krise behindert die Suche nach einem neuen Sportvorstand und einem neuen Hauptsponsor. Die fünf Zugänge dieses Winters, die Manager Hübner zu verantworten hat, helfen der Mannschaft noch nicht weiter. Eine klare Handschrift des Trainers ist mittlerweile nicht mehr erkennbar, nachdem der grundsätzlich offensiv denkende Veh zwischendurch auf Defensive umgestellt hatte -, um "diesen Defensivmist" (Veh) dann aber wieder zu verwerfen.

Diese Eintracht sucht vergeblich nach Identität. Ein langjähriger Leistungsträger wie Stefan Aigner befindet sich in der Krise, und trifft Torjäger Alexander Meier (zwölf Saisontreffer) nicht, trifft niemand. Gut möglich, dass gegen Schalke der zuletzt von Veh wegen seiner "Egotrips" (Veh) verschmähte Stürmer Haris Seferovic wieder in die Startelf zurückkehrt. Bald kehrt auch der lange verletzte Mittelfeldstratege Stefan Reinartz zurück und könnte mehr Spielintelligenz auf die Sechserposition bringen, wo der gelernte Innenverteidiger Marco Russ derzeit außer Einsatzwillen wenig beizutragen hat.

Vielleicht gelingt der Befreiungsschlag gegen einen FC Schalke, der am Donnerstag im Heimspiel durch ein 0:3 an Schachtjor Donezk in der Europa League gescheitert ist und dessen Trainer André Breitenreiter ebenfalls in der Kritik steht. Breitenreiter beging wie Veh den Fehler, den Unmut der Fans zu kritisieren. In Schalke wie in Frankfurt müssen Trainer hohe Erwartungen aushalten. In der Krise die Fans zu beschimpfen, ist an diesen Orten ein Risiko. Gelingt Veh und Breitenreiter nicht bald die Wende, wird das Echo, das die Tribüne wirft, wohl unerträglich werden.

© SZ vom 28.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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