Frankfurt:Männlich oder hässlich?

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Redebedarf: Auch die Trainer Nagelsmann (ganz links) und Kovac (ganz rechts) mischten mit bei den hitzigen Diskussionen um Schiedsrichter Dingert. (Foto: Hasan Bratic/dpa)

Nach dem hitzigen Spiel der Eintracht gegen Hoffenheim laufen viele Debatten. Bemerkenswert ist: Der Schiedsrichter gesteht, man hätte ihn auswechseln müssen.

Von Tobias Schächter, Frankfurt

Höchstwahrscheinlich wird Julian Nagelsmann von keinem Schiedsrichter mehr so angesprochen werden wie von Christian Dingert nach dem ätzenden 0:0 zwischen Eintracht Frankfurt und Hoffenheim. "Der Schiedsrichter hat gesagt, dass ich ihn in der Halbzeit hätte auswechseln müssen", hatte Nagelsmann nach den turbulenten Szenen bei Spielende erzählt. Ein Unparteiischer, der sich auswechseln lassen will? Dieses kuriose, als Scherz getarnte Eingeständnis seines Versagens muss man Dingert zugute halten. Es lag ja tatsächlich auch an seiner schlechten Leistung, dass aus einem Fußballspiel ein hässlicher Hahnenkampf geworden war.

Dingert hatte es verpasst, den Spielern früh Grenzen zu setzen. Gelegenheit dazu hatte er, als Eintracht-Spielmacher Marco Fabian Hoffenheims Torwart Oliver Baumann sinnlos umgrätschte, aber nicht verwarnt wurde. Endgültig entglitt Dingert die Partie, als der Frankfurter David Abraham Hoffenheims Sandro Wagner einen Ellenbogen in vollem Sprint mit voller Wucht gegen den Kopf rammte. Eine Aktion wie bei einer Kneipenschlägerei, die mit einer roten Karte für den Argentinier bestraft hätte werden müssen. Aber Dingert entschied überraschend: Freistoß für Frankfurt. Wo er Härte hätte zeigen müssen, blieb er in der Folge nachsichtig, wo er Konzilianz hätte walten lassen müssen, reagierte er drakonisch. Nach einer Rudelbildung kurz vor Abpfiff sah Frankfurts Timothy Chandler Rot, weil er Wagner an den Hals gefasst hatte. Selbst Wagner meinte hinterher, die Strafe sei überzogen.

Nach dem Spiel, das eigentlich ein reizvolles Verfolgerduell von zwei Überraschungsteams war, wurde nicht über Sport geredet. Vielmehr stand die Frage im Mittelpunkt, wer an der eskalierenden Spielentwicklung und der giftigen Stimmung schuld gewesen sei. War es nur Dingerts ungenügende Spielleitung? Provozierte TSG-Stürmer Wagner mit seiner aggressiven Spielweise Gegner und Publikum? Oder wollen die Frankfurter neuerdings mit einer betont harten Spielweise den Gegner knacken? Trainer Niko Kovac wehrte sich vehement dagegen, hinter der ruppigen Gangart seiner Elf "Methode" zu vermuten. Auch Kovac ächtete Abrahams Aktion. Doch der Coach, der in Halbzeit zwei fast jeden Pfiff Dingerts mit Gesten der Ablehnung quittiere, betonte auch: "Das ist Fußball, Kampfsport, Körperkontakt, da gehören Zweikämpfe dazu. Heute wurde mehr abgepfiffen als beim Basketball." Man müsse abstellen, zeterte Kovac, dass "Pipi-Geschichten" abgepfiffen werden.

Wie Hoffenheim unter Nagelsmann, so ist auch Frankfurt unter Kovac eine viel aggressivere Mannschaft als in der Vorsaison, in der beide Teams stark abstiegsgefährdet waren. Nagelsmann verpflichtete bewusst große und wuchtige Spieler wie Kevin Vogt, Benjamin Hüber oder Sandro Wagner, um das Spiel der Elf "männlicher" zu machen. Gerade Wagner ist einer, der mit körperbetonter Spielweise aneckt. Kovac sagte: "Wenn man Wagner nicht in seiner Mannschaft hat, ist es unangenehm."

Es ist kein Zufall, dass Frankfurt so spielt wie Trainer Kovac früher

Dass die Eintracht ihren Auftritt am Freitag auch an der Spielweise des gegnerischen Mittelstürmers ausgerichtet hatte, deutete Torwart Lukas Hradecky an: "Wir wussten, dass die diesen Wagner da vorne haben - wir wollten zeigen, dass wir zu Hause der Chef sind." Die Frankfurter taten das außer Abraham im Rahmen des Erlaubten. Und dennoch: Sie hatten am Ende 32 Fouls in der Statistik stehen, so viele wie nie zuvor in dieser Saison. Kovac beharrte aber darauf, dass in der Bundesliga zu viele "Pipi-Fouls" gepfiffen werden, international sei das nicht der Fall, so der ehemalige kroatische Nationalspieler.

Als Spieler agierte Kovac einst willensstark und unnachgiebig. Nun spielt auch die Eintracht so. Zufall ist das sicher nicht. Gewollt ist mehr Aggressivität auch in Hoffenheim, Julian Nagelsmann meinte: "In der letzten Saison hätten wir so ein Spiel sicher noch verloren." So aber ist die TSG nach Spieltag 14 die einzige ungeschlagene Elf der Bundesliga.

© SZ vom 12.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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