Fortuna Düsseldorf:Ohne Gegenwehr abgeschmiert

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Wieder kann die Fortuna Rückschläge nicht kontern und steigt ab. Ein radikaler Umbau steht nun an - Trainer Uwe Rösler darf aber bleiben.

Von Javier Cáceres, Berlin

Anthony Ujah, 30, verließ das Stadion An der Alten Försterei und hatte sein Handy in der Hand. Und die allenfalls rhetorische Frage, ob er, der Stürmer des 1. FC Union Berlin, nach dem 3:0-Sieg seiner Mannschaft gegen Fortuna Düsseldorf schon viele Botschaften aus Bremen erhalten habe, beantwortete er mit einem Gesichtsausdruck und drei Worten, aus denen das Glück nur so platzte.

"Mein Telefon ex! plo! diert!!!", rief Ujah. Und lachte. Ein Jahr nur war er in Bremen tätig gewesen. Aber das war lange genug, um den SV Werder nicht zu vergessen und den Stolz zu entwickeln, der wohl dazu beitrug, dass Werder nun eine zweite Chance erhält, die Liga zu halten. Ujah erzielte die Führung (26.), lieferte die Vorlage zu Christian Gentners Treffer zum 2:0 (54.) und erlebte das Tor von Suleiman Abdullahi zum 3:0-Endstand (90.) entspannt auf der Tribüne. Denn als die Expedition von Fortuna Düsseldorf einen irreal anmutenden, sechsten Abstieg der just 125-jährigen Vereinsgeschichte betrauerte, da war Anthony Ujah längst ausgewechselt.

Dass bei Ujah (wie bei Felix Kroos, einem anderen Ex-Bremer, der nun bei Union spielt) eine alte Liebe wieder erwachte und er seinen Teil dazu beitrug, dass die Unioner an einem für sie irrelevanten Spieltag ethisch und moralisch einwandfreie Arbeit ablieferten, das war die eine Geschichte des Samstags. Die andere Geschichte war diese: dass die Düsseldorfer zu Beginn der Partie blümerant wirkten, wie man in Berlin sagen würde, und am Ende so sauerstoffarm waren, dass kaum ein vernünftiges "Tschö, Bundesliga!" zu hören war, wie man es in Düsseldorf ausdrücken würde. Die völlige Abwesenheit von Gegenwehr beim 0:3, das Abdullahi aus Gründen der Pietät nicht feierte, obwohl es sein erster Bundesligatreffer überhaupt war, blieb bloß der Gipfel einer quälend kraftlos anzusehenden Partie. Dass die Gegentore "insgesamt zu billig" gewesen seien, wie sich Trainer Uwe Rösler ärgerte, stimmte zwar. Aber das Abwehrverhalten war nur ein Aspekt. Im Grunde hatte man bei der Fortuna fast von Beginn an den Eindruck, dass sie vor der letzten Etappe der Holper-Rallye namens Sonderspielbetrieb Bundesliga schlicht vergessen hatten, zu tanken. Resultat: Die Fortuna stand erstmals seit dem 20. Spieltag auf einem Abstiegsplatz und bekam die Karre nicht mehr aus dem Treibsand. Werder Bremen zog vorbei, die Fortuna muss nach zwei Spielzeiten in der Bundesliga wieder in die Liga zwei. So wie 2012/2013, als die Fortuna ebenfalls am letzten Spieltag abschmierte.

Es steht eine Umwälzung bevor: 17 Verträge laufen bei Fortuna aus

"Dieser Abstieg wäre absolut vermeidbar gewesen", durfte der ehemalige Trainer Friedhelm Funkel in der Bild ätzen. Dabei wurde das Detail verschwiegen, dass Funkel die Mannschaft im Januar auf dem letzten Tabellenplatz übergeben hatte, an Uwe Rösler, der "selbstverständlich" bleiben darf, wie der seit einem Monat als Sportvorstand beschäftigte Uwe Klein am Samstag umgehend betonte.

Ende der Erstliga-Gymnastik: Fortuna-Trainer Uwe Rösler, beobachtet bei verzweifelten Bewegungen am Rasenrand in der Alten Försterei in Berlin. (Foto: O.Behrendt/Contrast/imago images)

Das war auch im Lichte der Laufzeit des Vertrags (bis Juni 2021) nicht völlig, aber in der kategorischen Diktion doch verblüffend. Denn Rösler hat in fünfzehn Spielen nur zwei Siege eingefahren. Das 0:3 von Berlin war die sechste sieglose Partie in Serie. Er hatte ohnmächtig dabei zusehen müssen, wie sein Team mal gegen Dortmund in der letzten Minute eine Niederlage kassierte und, noch länger her, sogar gegen eine vollumfänglich erschütterte Hertha-Mannschaft eine Drei-Tore-Führung verspielte. Und am Samstag war in Köpenick nicht zu erkennen, dass er die richtigen Impulse setzen konnte.

Auf eines, immerhin, und das ehrt ihn, wollte sich Rösler nicht einlassen - auf eine Diskussion darüber, dass der 1. FC Köln sich ausgerechnet in Bremen massakrieren ließ (1:6) und die höchste Saisonniederlage kassierte. "Das interessiert mich eigentlich nicht. Ich habe immer gesagt: Selbst ist der Mann", sagte Rösler - im Wissen darüber, dass es am Samstag nur ein Team in der Hand hatte, denn mit einem Sieg wäre Fortuna Sechzehnter geblieben. Werder, so konnte man sagen, hatte in vielerlei Hinsicht verdammt viel Fortuna.

Was nun ansteht? "Ich freue mich auf die Aufgabe, es wiedergutmachen zu können. Wir müssen eine neue Mannschaft aufbauen", sagte Rösler. Es steht eine veritable Umwälzung an, 17 Verträge laufen aus. Unter anderen dürften Ayhan, Karaman und Thommy Spielern wie Steffen, Berisha und Jörgensen folgen, deren Abschied feststeht. Sportvorstand Klein hat als Chef der Scouting-Abteilung gute Arbeit geleistet, mit wenig Geld, was von Bedeutung ist. Durch den Abstieg schnurren Fortunas TV-Einnahmen von fast 40 Millionen Euro auf rund 20 Millionen Euro zusammen. Das waren die nackten Zahlen. Die Emotionen waren woanders.

Zum Beispiel: im Hause von Düsseldorfs Toptorjäger Rouwen Hennings (15 Treffer). "Dann kommt ein gestandener und starker Mann nach Hause, nimmt seine Kinder in den Arm und weint", schrieb seine Ehefrau Janine in einem sozialen Netzwerk. Nun steht in Düsseldorf die angeblich längste Theke der Welt. Aber womöglich täte der Unioner Kroos gut daran, ein paar der Bierkästen, die ihm Werder-Fans versprochen haben, den Düsseldorfern zum Frustkonsum weiterzuleiten. Am Sonntag, 12 Uhr, hatte Kroos 1 678 Kisten zusammengezählt. Und das sind mindestens 11 000 Liter.

© SZ vom 29.06.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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