Fortuna Düsseldorf:Kaviar vom Brot

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Späte Gefahrenlage: Der Kölner Anthony Modeste (links) setzt den ersten Wirkungstreffer gegen Düsseldorf in der 88. Spielminute. (Foto: Thilo Schmuelgen/dpa)

Neunmal in dieser Saison geführt, neunmal nicht gewonnen: Düsseldorf verzweifelt auch gegen Köln an späten Gegentreffern. Der Punktverlust schmerzt umso mehr, da es das Restprogramm auch nicht gerade gut mit dem Abstiegskandidaten meint.

Von Ulrich Hartmann, Köln/Düsseldorf

Adam Bodzek neigte zur Verharmlosung. Der Mittelfeldspieler von Fortuna Düsseldorf sagte: "Wir haben uns die Butter vom Brot nehmen lassen." Welch eine Untertreibung!

Seine Mannschaft hatte im Prestigederby beim 1. FC Köln bis zur 88. Minute mit 2:0 Toren geführt. Es wäre der erste Düsseldorfer Bundesliga-Sieg in Köln seit 1989 gewesen, mehr noch: Diese drei Punkte hätten den Düsseldorfern neue und substanzielle Hoffnung im Abstiegskampf beschert. Doch dann ließ man binnen drei Minuten noch zwei Gegentreffer zu und ging mit einem angesichts der Tabelle fast wertlosen 2:2-Unentschieden vom Platz. Butter vom Brot? Von wegen! Der Sachschaden dieses Diebstahls belief sich eher auf den Gegenwert von Beluga-Kaviar, Kobe-Steak oder weißen Alba-Trüffeln.

Und überhaupt: Die Düsseldorfer sind längst die größten Opfer von Mundraub in dieser Bundesliga-Saison. Im Laufe von neun Spielen, in denen sie jeweils geführt hatten, wurden ihnen bereits 22 Punkte entwendet. Oder, so kann man es auch sehen: Sie haben sie leichtfertig hergegeben.

Aus diesem Grund waren die Emotionen der Düsseldorfer nach dem Abpfiff nicht so moderat, wie Bodzek glauben machen wollte. Mehr über die Zustände in der Kabine erfuhr man aus den Worten des Trainers Uwe Rösler, und wenn man bedenkt, dass Äußerungen von Trainern in der Öffentlichkeit immer eine abgemilderte Version der Realität darstellen, kann man sich vorstellen, wie es bei den Düsseldorfern im Souterrain der Kölner Arena zuging. "Wir haben Dampf vom Kessel gelassen und uns in der Kabine brutal ehrlich die Meinung gesagt", berichtete Rösler. "Das war ein Selbstreinigungsprozess." Am Mittwochabend gegen Schalke 04 wird sich dann zeigen, wie gereinigt die Düsseldorfer aufspielen können.

Neun Mal in dieser Saison haben sie geführt und nicht gewonnen. Fünf dieser Spiele endeten unentschieden, vier gingen verloren. Fünf Mal passierte das unter dem vormaligen Trainer Friedhelm Funkel, vier Mal unter Rösler. Sechs dieser entscheidenden Gegentore fielen in den letzten zehn Minuten. Gegen Hertha BSC führten die Düsseldorfer bis zur 64. Minute sogar 3:0 und ließen noch den 3:3- Endstand zu. Gegen Köln nun war es am bittersten, weil die Gegentore besonders spät fielen. Hertha und Köln - auch diese beiden gefühlten Niederlagen fielen in Röslers Ära. Der Thüringer hatte die Fortuna im Januar von Funkel übernommen.

Woran solche wiederkehrenden späten Fahrlässigkeiten liegen, ist von außen nur sehr oberflächlich zu analysieren: Mangelnde Kraftreserven und damit schwindende Konzentration könnten eine Rolle spielen, auch Defizite im nervlichen Bereich. "So kann es jedenfalls nicht weitergehen", sagte Rösler. Aber wenn man im Laufe einer Saison schon neun Mal eine Führung nicht hat heimspielen können und man sogar ein 2:0 und ein 3:0 nicht ins Ziel rettet, dann fragt man sich natürlich, mit welcher Mentalübung man solche Aussetzer künftig verhindern will.

"Das wird jetzt eine entscheidende Woche für uns", sagte Rösler am Montag. Am Mittwoch gegen angeschlagene Schalker ist ein Heimsieg geradezu Pflicht. "Ein Must-win-Game", befand der frühere England-Legionär. Am Samstag geht es dann zum FC Bayern München. Auch Dortmund und Leipzig sind noch Bestandteile des Restprogramms. Mit Blick darauf schmerzt die Schmach von Köln umso mehr: Nachdem Kenan Karaman (41.) und Erik Thommy (61.) die Fortuna in Führung gebracht hatten, retteten Anthony Modeste (88.) und Jhon Cordoba (90.+1) den glücklichen Punkt für die Kölner.

Zu erfahren war am Sonntag somit, dass in der Bundesliga bisweilen Butter mit Gold aufgewogen wird, denn jene Butter, die sich die Düsseldorfer laut Bodzek vom Brot nehmen ließen, "dieser eine Punkt", sagte Kölns Trainer Markus Gisdol, "der ist für uns Gold wert". Mit diesem Punkt sind sie dem Klassenerhalt ja ein Stück näher gekommen. Da konnte es Gisdol auch nicht so richtig verärgern, dass Mark Uth und Jhon Cordoba sich in der zweiten Hälfte um die Ausführung eines Elfmeters gestritten hatten, den Uth dann prompt verschoss. Cordoba revanchierte sich mit dem 2:2-Ausgleich in der Nachspielzeit. Das ging den Kölnern runter wie Öl - oder besser: wie Butter.

© SZ vom 26.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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