Fortuna Düsseldorf:Die Entwurzelten

Lesezeit: 3 min

Sogleich in Hauptrollen bei Fortuna: Torwart Zack Steffen und Mittelfeldspieler Lewis Baker, Leasingprofis aus Manchester und London. (Foto: Thorsten Baering/imago)

Fortuna Düsseldorf hat sich in der Bundesliga zum Spezialisten für Leihgeschäfte entwickelt. Für den Klub scheint das Modell zu passen, beim 3:1-Startsieg in Bremen standen drei geleaste Profis in der Startelf.

Von Ulrich Hartmann, Düsseldorf

Die Karriere des Fußballers Lewis Baker wäre auch geeignet für einen rührenden Zeichentrickfilm. Bei Walt Disney sind die Helden ja oft eltern- oder heimatlos und gehen umso entschlossener ihren Weg. Auch der 24-jährige Brite Lewis Baker ist seit Jahren gewissermaßen entwurzelt. Für seinen Kindheitsklub FC Chelsea hätte er längst in der Premier League spielen können, doch die Londoner haben ihn seit 2014 immer wieder und nun schon zum siebten Mal verliehen: nach Sheffield, nach Milton Keynes, nach Arnheim, nach Middlesbrough, nach Leeds, nach Redding und jetzt zur Fortuna nach Düsseldorf.

Baker wirkte freilich alles andere als traurig, als er seine neue Mannschaft zum Bundesligastart gleich zu einem 3:1 bei Werder Bremen lenken konnte. Da könnte was zusammenpassen: Der antriebsstarke Mittelfeldmann ist ein erfahrener Leihspieler, und die Fortuna ist bestens geübt in der Integration von Saisonarbeitern. In der Spielzeit 2017/18 stieg sie mit sechs Leihspielern in die erste Liga auf, und 2018/19 schaffte sie mit sechs Leihspielern den Klassenerhalt. Kein Wunder, dass man das Kontingent nun sogar noch einmal aufgestockt hat: auf sieben Leihspieler.

Mit Baker, mit dem Flügelspieler Erik Thommy vom VfB Stuttgart und dem Torwart Zackary Steffen von Manchester City standen in Bremen drei Leihspieler in der Düsseldorfer Startelf, sie gehörten zu den Auffälligsten im Team. Steffen wurde kürzlich für acht Millionen Euro aus Columbus/Ohio nach Manchester transferiert, dies ist der bislang teuerste Torwart-Transfer, der je aus der US-Profi-Liga heraus getätigt wurde. Doch längst nicht jeden Spieler, den Englands Großklubs engagieren, brauchen sie selbst. Man kauft gerne auf Vorrat. Chelsea hat aus seinem Profikader laut transfermarkt.de zurzeit neun Spieler verliehen, Manchester City sogar 13.

Der vergleichsweise klammen Fortuna kommt das Leih-Modell entgegen, sonst könnten sie sich Spieler wie Baker (Kaufoption angeblich bei etwa zehn Millionen Euro) oder Steffen (ähnlicher Transferwert) kaum leisten - zumindest nicht gleichzeitig. Über Steffen erzählte Fortunas Sportdirektor Lutz Pfannenstiel gegenüber t-online.de: "Lange war Zack ein Spieler, dessen Verpflichtung für uns überhaupt nicht machbar gewesen wäre. Da ich aber zu ManCity gute Kontakte unterhalte, habe ich mich um Zack bemüht und dann von Sportdirektor Txiki Begiristain und Pep Guardiola sehr gutes Feedback bekommen." Für Steffen ist es der zweite Versuch in der Bundesliga, von Januar 2015 bis Juni 2016 stand er im Kader des SC Freiburg, kam freilich nie in die erste Mannschaft. Somit feierte der Nationaltorwart der USA in Bremen sein Bundesligadebüt.

Personalleasing erfordert strikte Regeln. Im Falle einer sogenannten "Arbeitnehmerüberlassung" fordert die Bundesagentur für Arbeit zum Beispiel explizit ein, die "Gewährung von Mindestlohn" zu beachten. Bei Philippe Coutinho muss sich diesbezüglich allerdings niemand sorgen. Der Brasilianer, vom FC Barcelona soeben an den FC Bayern verliehen, verdient dem Vernehmen nach so ungefähr eine Million Euro pro Monat - netto! Der Fall Coutinho macht deutlich, dass der Klub, der einen Spieler ausleiht, nicht einmal knapp bei Kasse sein muss, um ein Leihgeschäft zu tätigen. Je wertvoller ein Spieler ist (Marktwert Coutinho: circa 100 Millionen Euro), desto sinnvoller erscheint es, seine Bereitschaft zur Akklimatisierung zunächst mal für eine Saison zu prüfen. In dem Kroaten Ivan Perisic (Inter Mailand) haben die Bayern jüngst einen weiteren Leihspieler verpflichtet. Mit zwei Profis liegen sie in der Bundesliga-Leihrangliste auf Platz vier.

Leihgeschäfte, heißt es, seien in einem finanziell explodierenden Markt auf dem Vormarsch. Sieht man aber einmal von Düsseldorf ab und auch von den Bundesliga-Neulingen Paderborn und Union Berlin, die je drei Spieler ausgeliehen haben, so begnügen sich neun Klubs mit je einem Leihspieler, und fünf Klubs verzichten komplett auf geliehenes Personal.

Die Liste prominenter Ausleihen ist bei der Fortuna inzwischen lang. Dort haben Martin Harnik (heute Bremen), Jonathan Tah, Kerem Demirbay (beide Leverkusen) oder Florian Neuhaus (Mönchengladbach) gespielt. Sie waren für die Fortuna ebensowenig zu verpflichten wie zuletzt Dodi Lukebakio, der inzwischen von seinem Stammklub FC Watford fest zu Hertha BSC nach Berlin transferiert wurde. Benito Raman, 2017 von Standard Lüttich zunächst ausgeliehen, wurde 2018 für 1,5 Millionen Euro fest verpflichtet und kürzlich für 13 Millionen Euro an Schalke 04 verkauft. Das war ein seltenes Fest für Fortuna, denn wer gute Spieler gerne ausleiht, verdient eben auch nichts am Weiterverkauf.

Als Trainer Friedhelm Funkel jüngst in einer Talkshow über die Vorteile der Leihe referierte, sagte er: "Sieben oder acht Leihspieler haben wir im Kader." Bei so viel Leihpersonal kann man halt den Überblick schon mal verlieren. Für den ältesten aktiven Bundesligatrainer macht es offenbar keinen Unterschied, in welchem Vertragsverhältnis ein Profi steht. Der 65-Jährige sagt: "Ich bin froh, dass Lutz Pfannenstiel so hartnäckig war und Zack Steffen geholt hat - was nicht so einfach war, aber wir konnten Pep Guardiola überzeugen."

© SZ vom 22.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: