Formkrise von Rafael Nadal:Schlecht wie noch nie

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Rafael Nadal: Blickfang in Monte Carlo (Foto: Eric Gaillard/Reuters)
  • Rafael Nadal gibt Rätsel auf: Der 28-Jährige wirkt angeschlagen - diesmal aber weniger körperlich als mental.
  • Ausgerechnet in diesem Zustand beginnt er seine geliebte Sandplatzsaison.
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Von Lisa Sonnabend

Rafael Nadal wässert den Platz solange mit dem Schlauch, bis die Asche dunkelrot ist. Dann greift der Spanier nach seinem Schläger und knallt ein paar kräftige Vorhand-Schläge über das Netz. Er hetzt von einer Seite auf die andere, bringt jeden Ball zurück. Die Muskeln spannen, die Haut ist gebräunt. Die Bilder vom Training in Monte Carlo erwecken den Anschein, als wäre alles beim Alten. Doch sie trügen. Denn Nadal, in der Weltrangliste auf Platz fünf abgerutscht, gibt derzeit Rätsel auf. Nach seiner langen Verletzungspause spielt er zwar wieder kraftvoll wie immer, doch in seinem Inneren stimmt irgendetwas nicht. Ist aus dem Kraftprotz ein Angsthase geworden?

Vor zwei Wochen in Miami überraschte Nadal die Tenniswelt. Nicht nur, weil er früh an seinem Landsmann Fernando Verdasco gescheitert war, sondern, weil er danach offen über seine Schwächen sprach. "Ich zeige in vielen Momenten noch zu viele Nerven", gab der 28-Jährige nach der Niederlage zu. "Auf dem Platz war ich ängstlich. Ich habe es nicht geschafft, mich selbst zu beruhigen." Es waren ungewöhnliche Worte aus dem Mund eines Profisportlers. Athleten versuchen ja meist, mit markigen Sprüchen dem Gegner Respekt einzuflößen. Nadal jedoch sagte in Miami: "Ich starte vielleicht mit der schlechtesten Form meiner Karriere in die Sandplatz-Saison." Es klang nicht so, als würde da einer tiefstapeln, als wollte einer bluffen.

Es klang, als verzweifle Rafael Nadal gerade an sich selbst.

Es war abzusehen, dass der ehemalige Weltranglisten-Erste in dieser Saison nicht ein Turnier nach dem anderen gewinnen würde. Wegen einer Handgelenks-Verletzung und einer Blinddarm-Operation hatte Nadal monatelang pausieren müssen. Bei den Australian Open, dem ersten Grand-Slam-Turnier des Jahres, scheiterte er im Viertelfinale. Hinzu kamen mehrere unerwartete Niederlagen wie im Januar gegen den Deutschen Michael Berrer, der nicht einmal unter den Top 100 steht.

Nadals Bilanz im Jahr 2015: 15 Siege, bereits fünf Niederlagen. Er verlor meist nicht, weil er physisch nicht fit war, er spielte nach ein paar Wochen wieder kraftvoll wie immer. Nadal scheiterte, weil er mental versagte. Der Spanier steht oft falsch zum Ball, wirkt verkrampft und erlaubt sich viel zu viele unerzwungene Fehler. Gerade bei entscheidenden Punkten. Eine Partie gab er aus der Hand, obwohl er drei Matchbälle hatte. Die Psyche war immer Nadals Stärke, nun scheint sie zu seiner Schwäche geworden zu sein. Toni Nadal, sein Trainer und Onkel, kennt ihn so gut wie kein anderer, doch auch er ist in diesen Tagen ratlos. "Diese Dinge werden seit kurzem immer häufiger, und das bereitet uns Zweifel und Sorgen", sagte der 54-Jährige.

Immerhin in Buenos Aires konnte Nadal in diesem Jahr ein Turnier gewinnen, die Besetzung war allerdings zweitklassig. Einen Top-Ten-Spieler hat der Spanier 2015 bislang nicht besiegt. In dieser Woche in Monte Carlo misst sich nun erstmals in dieser Saison die Weltelite auf Asche - dem Lieblingsbelag des Spaniers. Hier dürfte sich zeigen, wie es um den wohl besten Sandplatz-Spieler der Tennisgeschichte wirklich bestellt ist. Achtmal gewann Nadal das mit 3,6 Millionen Euro dotierte Turnier bereits, der Favorit in diesem Jahr heißt jedoch Novak Djokovic.

Nach Monte Carlo stehen die bedeutenden Turniere in Barcelona, Madrid und Rom an, bei den French Open könnte Nadal dann zum zehnten Mal den Titel holen. Der Druck dürfte in den kommenden Wochen noch einmal steigen. Es stehen viele Weltranglistenpunkte auf dem Spiel. Auch über die Ängste, in der Bedeutungslosigkeit zu versinken, spricht Nadal: "Ich bin nur noch die Nummer fünf der Welt, und es sieht so aus, als würde ich noch weiter abrutschen", prophezeite er in Miami.

Die kommenden Wochen werden also zeigen, welche Rolle Nadal im Welttennis noch spielen kann. Novak Djokovic zeigt derzeit nahezu perfektes Tennis und dominiert die Saison. Roger Federer ist zwar schon 33 Jahre alt, kann mit seiner eleganten, cleveren, scheinbar mühelosen Spielweise aber weiterhin jeden schlagen. Der Schotte Andy Murray wiederum hat sich eindrucksvoll auf Platz drei der Rangliste zurückgearbeitet. Zudem drängen die jungen Kei Nishikori und Milos Raonic immer weiter nach oben, der Japaner hat Nadal sogar schon überholt.

Spekulationen über das Karriereende

Es wird bereits spekuliert, ob sich Nadals Karriere womöglich dem Ende zuneigt. Aufgrund seiner extrem kraftraubenden Spielweise trauen ihm nur noch wenige zu, dass er im Federer-Alter noch mit den Besten mithalten kann. Dass den 28-Jährigen nun ausgerechnet ein Knick in der Psyche in eine Krise führt, damit hat aber wohl niemand gerechnet.

Auch nach den ersten Trainingseinheiten auf Sand in Monte Carlo sind Zuversicht und Selbstvertrauen bei Nadal kaum gestiegen. "Ich hoffe, dass ich in der Lage bin, in diesem Jahr mit den anderen mithalten zu können", meinte er zurückhaltend. Sein erster Gegner ist am Mittwoch der Franzose Lucas Pouille, Nummer 108 der Weltrangliste. Eingeschüchtert dürfte der 21-Jährige von diesem Nadal nicht sein.

© SZ vom 15.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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