Formel 1: Kanada-Grand-Prix:Auffällige Formschwankungen

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Lewis Hamilton fährt den roten Bullen davon und gewinnt den Grand Prix von Montréal souverän vor Jenson Button. Michael Schumacher wird überrundet, Sebastian Vettel nur Vierter.

Der Sieger fand am Ende nur ein Wort: "Druck." Kaum über die Ziellinie funkte Lewis Hamilton: "Wir hatten so viel Druck. Aber wir haben ihm standgehalten!" Der Brite gewann den Großen Preis von Kanada in Montréal vor seinem McLaren-Kollegen Jenson Button und Ferrari-Fahrer Fernando Alonso. Nach dem Triumph vor zwei Wochen in der Türkei ist es der zweite Doppelerfolg für den Rennstall in Serie. Durch ihn übernimmt Hamilton die Führung in der Fahrerwertung und McLaren die Spitze bei den Konstrukteuren. Kein Wunder, dass Teamchef Martin Whitmarsh sagte: "Das war ein sehr aufregendes Rennen. Es war nie vorherzusehen, was als nächstes passieren würde. Aber wir haben die zwei besten Fahrer der Welt im Team."

Zum zweiten Mal in Folge fuhr der Brite Lewis Hamilton beim Großen Preis von Kanada für McLaren auf Platz eins. (Foto: rtr)

Reifen-Flüsterer im Vorteil

Bei Red Bull behaupten sie das auch gerne. Doch Sebastian Vettel und Mark Webber wurden dieses Mal nur Vierter und Fünfter. An den Piloten, die sich in Istanbul gegenseitig um den Sieg gebracht hatten, lag das enttäuschende Abschneiden dieses Mal nicht. Einmal mehr offenbarte der RB6 getaufte Rennwagen seine Fragilität. Webber, der am Samstag wieder einmal schneller gewesen war als Vettel, musste seine gute Ausgangsposition aus einem technischen Grund aufgeben. Als der Australier am Samstagabend schlafen ging, durfte er sich noch über den aussichtsreichen zweiten Startplatz freuen. Am Sonntagvormittag erreichte ihn die schlechte Nachricht: Im Getriebeöl waren bei einer Analyse auffällige Abrieb-Teilchen aufgetaucht. Sicherheitshalber wurde das Getriebe getauscht. Das bedeutete: fünf Plätze Strafversetzung.

Sebastian Vettel wurde mitten im Rennen von einem ähnlichen Problem gebremst. Etwa zur Hälfte der Renndistanz meldeten die Sensoren einen zu hohen Druck. "Wie soll ich denn attackieren, wenn das Auto immer langsamer wird?", schimpfte Vettel am Funk. "Bleib ruhig! Wir haben ein Problem", versuchte Teamchef Christian Horner Vettel zu besänftiogen. Wie sehr den die Technik-Malaise inzwischen nervt, war kurz darauf zu hören, als der 22-Jährige sich knurrig erkundigte, welche Rundenzeit er schaffen müsse, um wenigstens die schnellste Rennrunde hinzubekommen. Darauf kam vom Kommandostand die niederschmetternde Antwort: "Denk' nicht mal dran! Bring das Auto einfach ins Ziel!" Dort angekommen verfügte Mannschafts-Vorsprecher Horner: "Wir dürfen heute nicht allzu enttäuscht sein. Wir haben noch wichtige Punkte geholt."

In Montréal stehen viele Mauern dicht an der Rennstrecke. Es gibt wenige Auslaufzonen. Kommt es zu Unfällen oder Ausfällen, kommt deshalb oft das Safety Car zum Einsatz. Die Teams versuchen das bei der Wahl ihrer Strategie einzubeziehen. Bei allen Formel-1-Auftritten auf dem Kurs gab es pro Rennen bis Sonntag 1,78 Safety-Car-Einsätze. Am Sonntag gab es keinen einzigen. Das Rennen war turbulent, bisweilen war es auch dramatisch - das aber lag nicht am Sicherheitsfahrzeug. Es lag an den Reifen. Jeder Pilot muss in jedem Rennen von den beiden Typen, die die Firma Bridgestone liefert, jeden mindestens einmal bewegen. Die weichere Mischung, das hatten die Trainingsfahrten bereits gezeigt, hielt nicht lange. Die spannende Frage lautete deshalb: Wer schafft es, sie am schonendsten zu bewegen? In dieser Disziplin waren Hamilton und Button nicht zu übertreffen.

Es war ein Doppelsieg für McLaren: Hinter Lewis Hamilton fuhr Jenson Button auf Platz zwei. (Foto: rtr)

Ansonsten fielen vor allem die überraschenden Formschwankungen in den Top-Teams auf. Hamilton hatte am Samstag zwar die erste Poleposition für McLaren in diesem Jahr erobert, auf der Auslaufrunde aber war er liegen geblieben, weil der Rennstall ihm etwas wenig Benzin in den Tank gefüllt hatte. Die Regelhüter ließen Gnade walten und nahmen dem Briten, der vor drei Jahre seinen ersten Grand-Prix-Sieg auf dem Circuit Gilles Villeneuve gefeiert hatte, den besten Startplatz nicht.

So weit vorne wären Nico Rosberg und Michael Schumacher auch gerne gestanden. Die beiden Mercedes-Fahrer aber konnten die guten Trainingsleistungen ihrer mattsilbernen Autos auf eine schnelle Runde nicht übertragen. "Ziemlich arge Balance-Probleme" meldete Schumacher. "Wir sind nur rumgerutscht", klagte Rosberg. Die Startplätze zehn (Rosberg) und 13 (Schumacher) bedeutete die bisher mäßigste Startleistung des neuen Mercedes-Teams, die Positionen sechs (Rosberg) und elf (Schumacher) in der Endabrechnung eine bittere Enttäuschung. An den Fahrern habe das aber nicht gelegen, beeilte sich Sportchef Norbert Haug zu versichern: "Wir können es mit unserem technischen Paket noch nicht", sagte er.

Auf den ersten Runden war das technische Paket am Sonntag aber immerhin so gut, dass Schumacher bis auf den dritten Rang nach vorne kam. Nach einer Begegnung mit Robert Kubica im Renault, die durchs Grasbett führte und einen zweiten, ungeplanten Boxenstopp nach sich zog, musste er aber alle Podiumshoffnungen aufgeben. Zwölf Runden vor dem Ziel wurde er von den Führenden überrundet. Kurz darauf zog auch noch Sébastien Buemi im Toro Rosso am siebenmaligen Weltmeister vorbei. Felipe Massa, der wenig später Ähnliches versuchte, ließ Schumacher nicht so kampflos vorbei: Die Autos der beiden berührten sich. An Massas Ferrari hing anschließend der Frontflügel deutlich schief.

Auf dem letzten Umlauf musste Schumacher, der auf völlig abgefahrenen Reifen unterwegs war, dann sogar noch die beiden Force-India-Fahrer Vitantonio Liuzzi und Adrian Sutil passieren lassen.

© SZ vom 14.06.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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