Formel 1:Jeder Dritte hockt auf einem Schleudersitz

Lesezeit: 3 min

In der Formel 1 laufen die Personalspekulationen auf Hochtouren - alles hängt von Weltmeister Alonso ab.

René Hofmann

In der Formel 1 gibt es sehr viele Fotografen, die ihren Job sehr ernst nehmen. Kaum eine Szene im Fahrerlager bleibt undokumentiert. Einer der Verkaufsschlager der jüngsten Wettfahrt am vorigen Sonntag in Valencia: Der Moment, in dem Fernando Alonso im aufgeknöpften Renault-Overall das Ferrari-Motorhome verließ. Ein schönes Motiv. Vor allem in Farbe. Das verwaschene Renault-Blau und das knallige Ferrari-Rot boten einen krassen Kontrast und einen echten Hingucker.

Fernando Alonso, Weltmeister 2005 und 2006, ist unzufrieden mit sich und seinem Team. (Foto: Foto: Reuters)

Was der zweimalige Weltmeister beim ältesten Team wollte, blieb ungewiss. Die Stippvisite reichte allerdings schon, um wieder einmal die Gerüchte schäumen zu lassen. Ein Foto ist für manche Geschichte als Beleg schon genug. Als Ferrari-Teamchef Stefano Domenicali vor wenigen Wochen dabei abgelichtet wurde, wie er Vater Hamilton nach einer Telefonnummer fragte, löste das Spekulationen aus, der WM-Führende könnte bald für die Scuderia aus Maranello fahren statt für McLaren-Mercedes.

Der ehemalige Champion liegt weit zurück

Gerüchte machen in dem Zirkel mindestens so schnell die Runde wie die Autos. In diesem Sommer steht dabei wieder einmal ein Bekannter im Mittelpunkt aller wilden Zukunftsgespinste: Fernando Alonso, 27 inzwischen, 2005 und 2006 Weltmeister und nach einem glücklosen Jahr bei McLaren wieder zu Renault zurückgekehrt. Bei den Franzosen hat der Spanier gerade allerdings auch wenig Spaß.

18 WM-Punkte, Rang acht in der Fahrerwertung, in dieser Saison noch kein Podestplatz - für einen, der schon 19 Mal von der höchsten Stufe des Siegertreppchens winkte, ist das eine unbefriedigende Ausbeute. Alonso will weg. Und das sagt er auch recht deutlich: "Im Moment konzentriere ich mich voll und ganz darauf, mit dem Team Vierter der Konstrukteurswertung zu werden. Zum Ende der Saison werde ich mir dann über das nächste Jahr Gedanken machen." Das lässt sich als Stellenanzeige lesen: Erfahrene und ambitionierte Fachkraft sucht möglichst ähnlich gelagerten Rennstall.

Kein Weg zurück zu McLaren

Doch Alonso hat Pech. Bei den beiden erfahrensten und ambitioniertesten Rennställen ist kein Platz mehr frei. Bei McLaren hat er verbrannte Erde hinterlassen, das Team ist so heilfroh, ein harmonisches Duo zu haben, dass es den Kontrakt mit dem freundlichen Heikki Kovalainen vor kurzem sogar verlängerte, obwohl der Finne einige schlechte Rennen nacheinander gezeigt hatte. Mindestens ein Jahr lang darf er neben Lewis Hamilton noch Silberpfeil fahren.

Bei Ferrari sind Felipe Massa und Kimi Raikkönen gesetzt. Zwar zeigte der Finne zuletzt furchterregende Formschwankungen. Dass er seinen gutdotierten Kontrakt vorzeitig beenden möchte, glauben trotzdem wenige. Vor 2010 dürfte kein roter Overall zu haben sein. Für 2010 darauf zu spekulieren, erscheint aber verlockend. Wie zu hören ist, scheut Alonso deshalb eine langfristige neue Bindung. Das senkt seinen Marktwert. BMW - im Moment Dritter der Konstrukteurswertung - hat sich vorgenommen, in der nächsten Saison besser zu werden. Bedarf für eine nachgewiesene Spitzenkraft gäbe es auch. Robert Kubica fährt Nick Heidfeld im Moment regelmäßig um die Ohren.

Vor allem für den Kampf um die Konstrukteurskrone braucht es aber zwei starke Piloten. Wer 2009 BMW fahren darf, sollte bis zum Sommer verkündet sein. Inzwischen steht der Herbst ins Haus, und die Frage ist immer noch offen. Als neue Frist hat Sportchef Mario Theissen das Saisonende ausgegeben. Offenbar gibt es Verhandlungen. Es sieht so aus, als habe der Rennstall Optionen, seine beiden Piloten weiter an sich zu binden, oder zumindest einen der beiden für eine Abschlagszahlung loszuwerden - je nachdem, wie groß die Entschlossenheit ist, sich auf ein Abenteuer einzulassen.

Barrichellos bittere Erkenntnis

Sicher an Alonso interessiert ist Honda. Bei dem japanischen Team, das in diesem Jahr erneut aussichtslos hinterherjagt, hat jetzt der ehemalige Ferrari-Technikchef Ross Brawn das Sagen. Und er sagt: "Alonso ist für jedes Team interessant." Vor allem für Rubens Barrichello ist das eine bittere Erkenntnis. Der Brasilianer hat Ferrari verlassen, weil er dort stets tun musste, was Michael Schumacher nutzte. Jetzt will der 36-Jährige sich bei Honda noch ein wenig neben Jenson Button austoben dürfen.

"Von Alonsos Entscheidung hängt viel ab. Wenn klar ist, wo er hingeht, kommen erst die großen Teams zum Zug, dann wir", sagt Toro-Rosso-Eigner Gerhard Berger, der mit Sébastien Bourdais unzufrieden ist und Sebastian Vettel an Red Bull verliert, wo er anstelle von David Coulthard neben Mark Webber fahren darf. Während Timo Glock und Jarno Trulli davon ausgehen können, bei Toyota weiter beschäftigt zu werden, ist die Zukunft von Nelson Piquet bei Renault ebenso wackelig wie die von Kazuki Nakajima als Nummer zwei neben Nico Rosberg bei Williams.

Ganz am Ende des Fahrerlagers, wo der indische Multi-Millionär Vijay Mallya derzeit Giancarlo Fisichella und Adrian Sutil für sein Team Force India fahren lässt, ist prinzipiell immer alles möglich. Jeder dritte Pilot sitzt auf einem Schleudersitz - das ist eine ungewöhnlich hohe Quote. Die Fotografen freut's.

© SZ vom 27.08.2008/JBe - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Formel-1 in Valencia
:Premiere am Mittelmeer

Der Formel-1-Zirkus präsentierte sich zum ersten Mal im spanischen Valencia. Felipe Masse gewann ein Rennen, das für einige schmerzhaft endete.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: