Formel 1 in Singapur:Die erste Nacht

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Vor der Flutlicht-Premiere in Singapur sucht die Formel-1-Szene nervös nach dem richtigen Material - und nach der besten Schlafroutine.

René Hofmann

Lewis Hamilton weiß schon genau, wie die nächsten Tage verlaufen werden. "Wir Fahrer werden am frühen Nachmittag aufwachen und frühstücken. Um ein Uhr nachts gibt es einen Snack, und um drei Uhr geht es ins Bett", sagt der WM-Führende: "Normarweise stellen wir unseren Rhythmus auf die Ortszeit um. Hier dürfen wir das auf keinen Fall tun." Die Formel 1 macht die Nacht zum Tag. Am Sonntag um 14 Uhr steigt das erste Flutlichtrennen. Im Stadtstaat Singapur wird es dann 20 Uhr sein. Und überhaupt nicht dunkel.

Eine Schleife aus Licht: Singapurs Formel-1-Kurs zu später Stunde. (Foto: Foto: dpa)

An zusammen 6,3 Kilometer langen Aluminiumleisten, die auf 230 zehn Meter hohen Stahlmasten ruhen, hängen 1500 Lampen, von denen jede 2000 Watt stark ist. In 3000 Lux sollen sie den gut fünf Kilometer lange Marina Bay Circuit, der auf den Uferstraßen abgesperrt ist, erstrahlen lassen. Das ist viermal so hell wie ein ausgeleuchtetes Fußballstadion. Trainiert wird ebenfalls unter Futlicht: am Freitag um 19 und um 21.30 Uhr (13 und 15.30 Uhr deutscher Zeit). Am Samstag geht es um 19 Uhr (Training) und um 22 Uhr (Qualifikation) rund. Einen Beleuchtungstest hat es im Frühjahr gegeben. Zum ersten Mal wirklich erfahren werden die Piloten das neue Element aber erst am Wochenende. Nick Heidfeld ist das nicht ganz recht. "Ich hätte mir schon gewünscht, dass wir das vorher mal ausprobieren", sagt der BMW-Pilot, womit er allerdings ziemlich alleine steht. Die meisten führen Worte im Mund wie Sebastian Vettel. "Man geht halt spät ins Bett und macht beim Fahren das Licht an. Blöd ist nur, wenn einer das Licht ausmachen sollte", sagt der Sieger der jüngsten Wettfahrt.

Dafür, dass das nicht geschieht, sollen zwölf Generatoren sorgen, die so geschaltet werden, dass den Lampen garantiert nicht der Strom ausgeht. "Aus Fahrerperspektive wird es keinen großen Unterschied zwischen Tag und Nacht geben", ist sich Robert Kubica sicher. Die Motorrad-WM hat ihren Saisonauftakt in diesem Jahr in Katar unter Flutlicht bestritten. Kubica hat genau hingesehen. "Die Piloten haben noch nicht einmal Klarglas-Visiere benutzt, sondern getönte", ist dem BMW-Piloten aufgefallen.

Regenchance von 50 Prozent

Dem Kunststoff vorm Kopf kommt in den ungewohnten Umständen eine besondere Bedeutung zu. McLaren führt Visiere in verschiedenen Farbtönen mit, um zu testen, mit welchen Lewis Hamilton und Heikki Kovalainen in dem künstlichen Licht die Kontraste am besten sehen. Nick Heidfeld vertraut einer Scheibe aus Polycarbonat, das die Blitzlichter der 100.000 Fans dämpfen soll, die an dem Stadtkurs besonders nah an der Strecke sitzen. Die Scheibe, durch die Ferrari-Fahrer Kimi Räikkönen blickt, lässt sich per Knopfdruck auf 30 Grad heizen. Das hilft, falls es regnet.

Das Wetter ist eine der großen Unbekannten in dem unbekannten Spiel. Das Honda-Team hat die örtlichen Meteorologen gefragt. "Sie sagen, dass es eine Regenchance von 50 Prozent gibt", reportiert Teamchef Ross Brawn. Die Equipe von Force India vertraut einer anderen Quelle. Teambesitzer Vijay Mallya hat 25 Jahre lang in Singapur gelebt. "Es regnet jeden Abend", sagt er. Wie stark es dann spiegelt, weiß keiner. McLaren hat sicherheitshalber Visiere eingepackt, auf denen sich keine Tropfen sammeln. Auf den Tribünen sind Regenschirme verboten. Aus Sicherheitsgründen. Sie könnten auf die Strecke wehen. Für einen Euro gibt es Regenponchos.

Damit die Piloten die Instrumente ablesen können, wurden bei den meisten Teams die Leuchtdioden am Lenkrad heller gestellt. Zusätzlich zu Flaggen-Schwenkern gibt es entlang der Piste 35 Leuchttafeln, die die Chauffeure bei Gefahr mit Farbsignalen warnen. Damit keiner falsche Knöpfe drückt, werden auch die Kommandostände ausgeleuchtet. Kniffelig wird es beim Reifenwechsel. In der Boxengasse sind die Lichter so angebracht, "dass die beiden äußeren Räder im Dunklen stehen", ist Honda-Sportdirektor Ron Meadows aufgefallen.

"Immer die Augen offen halten"

Die Mechaniker und Ingenieure erwartet generell ein anstrengendes Wochenende. Wegen der Nachtschicht beginnt ihr Arbeitstag zu Zeiten, an denen er sonst endet. "Wir werden mit unseren Meetings gegen fünf Uhr früh fertig sein", sagt Williams-Technikchef Sam Michael. Damit die Belegschaft in Ruhe schlafen kann, hat das Team im Hotel gleich ein ganzes Stockwerk geblockt. McLaren geht sogar so weit, alle Räume komplett zu verdunkeln.

"Wir haben uns einige Techniken überlegt, wie mein Körper möglichst wenig Sonnenlicht abbekommt", sagt Renault-Fahrer Nelson Piquet junior geheimnisvoll. Honda-Chauffeur Jenson Button reist extra spät an, damit sich seine innere Uhr nicht auf die Ortszeit umstellt. Sein Teamkollege Rubens Barrichello hat im Simulator bereits etliche Kilometer hinter sich gebracht. Auch sonst hält sich der Brasilianer für gut vorbereitet: "1994 bin ich in Interlagos ein Langstreckenrennen gefahren. Ich kann mir vorstellen, was auf uns zukommt." Zur Sicherheit hat Honda trotzdem noch ein Seminar zu dem Thema mit Testfahrer Alexander Wurz veranstaltet, der in diesem Jahr die 24 Stunden von Le Mans bestritt.

McLaren-Fahrer Heikki Kovalainen witzelt: "In Finnland ist es im Winter 24 Stunden lang dunkel. Ich glaube nicht, dass ich damit ein Problem habe." Timo Glock von Toyota und Sébastien Bourdais von Toro Rosso, die beide einst in US-Rennserien starteten, sind die einzigen Piloten, die schon ernsthafte Rennen unter Flutlicht bestritten. Was sein Toro-Rosso-Kollege ihm geraten hat? "Immer die Augen offen halten", sagt Sebastian Vettel.

© SZ vom 24.09.2008/mb - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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