Formel 1 in Monza:Martialische Spiele vor der Steilkurve

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18 grüne Kranwagen, 20 rote Löschfahrzeuge: Das Autodromo gilt als gefährlich. Vor allem bei schlechtem Wetter.

René Hofmann

Krankenwagen, Feuerwehr- autos und Bergekräne gibt es an jeder Formel-1-Strecke. An kaum einer wird das martialische Element dieses Spektakels jedoch so zur Schau gestellt wie auf dem Autodromo Nazionale im königlichen Park in Monza. Am Abend vor dem ersten Trainingstag stellten die Streckenposten ihren Fuhrpark am Ende der Boxengasse in einer Reihe auf. 18 grüne Kranwagen, 20 rote Löschfahrzeuge - es war eine beeindruckende Demonstration, was alles passieren kann, worauf alle vorbereitet sind.

Land unter in Monza: In den Boxen musste fleißig geschippt werden, damit die Boliden trocken blieben. (Foto: Foto: AFP)

Das Autodromo gilt als gefährlich. Wenige Kurven, viele, lange Geraden - das ergibt eine brisante Mischung, vor allem bei schlechtem Wetter. "Bei den hohen Geschwindigkeiten bleibt die Gischt lange stehen. Außerdem fährt man quasi durch den Wald. Es gibt keinen Wind", sagt der BMW-Pilot Nick Heidfeld. Was auf ihn und die 19 anderen Waghalsigen zukommen könnte, war am Freitag schon bei den ersten Übungsfahrten zu sehen: Es regnete. Erst leicht, dann heftig. Dann wirklich heftig. Es wurde dunkel. So dunkel, dass es nach einem Nachtrennen ohne Flutlicht aussah.

Es fiel so viel Wasser vom Himmel, dass die Zuschauer unter die Tribünen krochen und die Kanäle überliefen. Das Wasser sammelte sich in den Garagen. An den Kommandoständen ließ sich am Wetterradar zwar verfolgen, wo die dicken Wolken hintrieben. Doch all das Hightech half in dem Moment nicht mehr: Hektisch griffen die Mechaniker zu Schrubbern und bockten die sündteuren Autos auf simple Gestelle auf. Wenn das am Samstag und Sonntag erneut so kommt, wird es richtig turbulent.

Monza. Auf keinem anderen Kurs ist die Formel 1 häufiger angetreten. Die alten Steilkurven, auf denen es bis in die sechziger Jahre rund ging, stehen noch. Die alten Tafeln auch, die für Produkte werben, die es lange schon nicht mehr gibt. Die Kulisse ist sehenswert. Das Autodromo ist eine wunderbare Bühne, auf der schon viele große Stücke gegeben wurden. Vor zwei Jahren kündigte Michael Schumacher hier seinen Rücktritt an, mit gebrochener Stimme, nach einem Sieg, der ihn im WM-Duell mit Fernando Alonso bis auf zwei Punkte hatte heranrücken lassen.

Menschliches Monza

Im vergangenen Jahr stand McLaren im Mittelpunkt. Die Affäre um geheime Ferrari-Unterlagen, die in das britische Team gelangt waren, war auf ihrem Höhepunkt. Unmittelbar vor der Qualifikation stellte der Staatsanwalt Rennstall-Chef Ron Dennis Dokumente zu, dass gegen ihn ermittelt wird. Die traditionellen, blauen Uniformen der Carabinieri gaben vor dem Nacht-schwarzen, futuristischen McLaren- Motorhome tolle Bilder ab.

Im Grunde war es eine Räuberpistole, die in schillernden Kostümen dargeboten wurde, und die in einem Happy End mündete. Scheinbar. McLaren-Fahrer Fernando Alonso gewann vor McLaren-Fahrer Lewis Hamilton. Überglücklich klammerte sich Teamchef Ron Dennis erst an den Siegerpokal. Dann stürzte er sich weinend in die Arme seiner Frau. Zwei Wochen später verlor er beinahe sein Lebenswerk. Sein Team wurde wegen Industriespionage vom Automobilweltverband zur Rekordstrafe von 100 Millionen Dollar verurteilt. An der Schulter seiner Frau hat Dennis danach öffentlich niemand mehr weinen sehen. Inzwischen haben die beiden sich getrennt.

Wenn es einen Ort gibt, an dem die große, laute, bunte Maschinen-Show etwas Menschliches hat, dann in Monza. Die Sieger werden dort auf einem Podest über der Ziellinie geehrt - mitten in den jubelnden Tifosi, die nach dem Rennen die Strecke stürmen. Nirgendwo werden die Helden ausgelassener gefeiert als in Italien, nirgendwo die Opfer lauter beweint. Und Monza hat viele Opfer gefordert. 1961 starb Graf Wolfgang Berghe von Trips. Sein von der Strecke schleudernder Ferrari riss 14 Zuschauer mit in den Tot.

Was wohl dieses Mal passiert?

1978 erwischte es Ronnie Peterson. Der Schwede überlebte zwar das Feuer nach dem Startcrash, nicht aber die Operation seiner gebrochenen Beine anschließend. Eine Embolie brachte ihn um. Bei Jochen Rindt acht Jahre zuvor war angeblich dem Krankenwagen auf dem Weg in die Klinik das Benzin ausgegangen. Mythen und Mysterien - wie an jedem Ort, an dem viel passiert ist, vermischt sich das in Monza bisweilen. Was wohl dieses Mal passiert?

Die Chancen, dass es ein denkwürdiger Auftritt wird, sind hoch. McLaren-Mann Lewis Hamilton kommt auf 76Punkte, Ferrari-Nummer-eins Felipe Massa auf 74. Hamilton fühlt sich wegen einer 25-Sekunden-Strafe von den Rennkommissaren um den Sieg vor einer Woche in Spa gebracht. Die Berufung in dem Fall wird am 22. September verhandelt. Die Ferrari-Fahrer begleiten beim Heimspiel immer besondere Erwartungen, was sich auch daran ablesen lässt, dass die Scuderia ihnen zur Einstimmung demonstrativ den Rücken stärkte.

Am Freitag verkündete sie: Massa und Räikkönen bleiben bis Ende 2010 unsere Männer! Auf der Strecke ging es zuletzt schon eng zu. Mit dem Anwurf, Räikkönen habe schlicht nicht den Mut, spät zu bremsen, hat Hamilton das Duell nun auch verbal angeheizt. Die Kranfahrer sollten ihre Geräte schon einmal warmlaufen lassen.

© SZ vom 13.09.2008/mb - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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