Formel 1: Vettel im Interview:"Das ist nur was für Männer"

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Die deutsche Formel-1-Hoffnung Sebastian Vettel über prägende Erlebnisse und große Gefühle am Steuer - und die Liebe zu Rot und Silber.

René Hofmann

In der vergangenen Formel-1-Saison gab es zwei Meister: Weltmeister Lewis Hamilton im McLaren-Mercedes und den deutschen Meister Sebastian Vettel. Im unterlegenen Auto des Teams Toro Rosso glückte dem 21-Jährigen in Monza in einem Regenrennen überraschend sein erster Sieg. In diesem Jahr startet der jüngste Sieger der Grand-Prix-Geschichte für das ambitionierte Red-Bull-Team. Vor dem ersten Großen Preis 2009 gibt Vettel sich selbstbewusst: "Wenn das Auto stark genug ist, um Rennen zu gewinnen, müssen wir Rennen gewinnen", sagt er.

Sebastian Vettel wechselte von Toro Rosse zu Red Bull. (Foto: Foto: Getty)

SZ: 2009 ist Ihre zweite volle Saison. Ist die Formel 1 da schon Routine?

Sebastian Vettel: Das würde ich so nicht sagen. Aber ich weiß jetzt, was auf mich zukommt. Ich kenne die Strecken, ich kenne die Abläufe. Nur: Dieses Jahr stellt alle Piloten vor eine ganz besondere Herausforderung.

SZ: Vor welche?

Vettel: Die neuen Regeln bringen ein ganz neues Fahrgefühl.

SZ: Ihren letzten Auftritt hatten Sie beim Saisonfinale im November. Was haben Sie seitdem gemacht?

Vettel: Über Weihnachten war ich bei meiner Familie in Heppenheim. Außerdem war ich ein wenig Ski fahren. Die Saison geht von März bis November. Bis Mitte Dezember und dann ab Januar wird getestet. Viel Freizeit bleibt also nicht. In ihr habe ich versucht, ein wenig Abstand zu gewinnen und mich gleichzeitig wieder vorzubereiten, also sprich: Fitter zu werden.

SZ: Waren Sie im Herbst groggy?

Vettel: Zerstört war ich nicht. Aber so ein Jahr geht nicht spurlos an einem vorüber. Man merkt den Kräfteverschleiß, gerade mental.

SZ: Ist diese Seite der Formel 1 - ständig verplant zu sein - der entscheidende Unterschied zu anderen Motorsport-Klassen?

Vettel: Ich empfinde das so. Es ist auch der Teil des Jobs, den man sich am schwersten vorstellen kann. Das Auto zu fahren macht einfach Spaß. Aber rundherum kommen noch unglaublich viele Dinge dazu. Das erwartet man so nicht.

SZ: Ihnen gelang im vergangenen Jahr in Monza der überraschendste Sieg und beim Saisonfinale kurz vor dem Ende gegen Lewis Hamilton das wahrscheinlich am meisten beachtete Überholmanöver. Wie wollen Sie das 2009 übertreffen?

Vettel: Das Ziel ist: Als Team das Beste herausholen. Wie gut unser Auto ist, wird man sehen. Im Moment bin ich zufrieden: Es ist zuverlässig und ich fühle mich wohl darin. Die Basis stimmt. Eine Zahl zu nennen ist schwierig. Aber die Red-Bull-Fabrik in Milton Keynes besteht inzwischen aus drei Hallen, in denen mehr als 500 Leute arbeiten. Das ist ein großes, starkes Team. Jetzt liegt es an uns, den Leuten an und auf der Rennstrecke, das auch umzusetzen. Wir wollen nach vorne. Wenn das Auto stark genug ist, um Rennen zu gewinnen, müssen wir Rennen gewinnen.

SZ: Haben Sie 2008 immer das Maximale herausgeholt?

Vettel: Als Fahrer muss man ehrlich zu sich sein: An manchen Tagen weiß man: Da wäre noch ein bisschen mehr gegangen. Man darf dann aber nicht im Kummer versinken, sondern muss sich sagen: ,Das war nicht gut. Die Gründe dafür kenne ich. Jetzt geht es weiter.' Bei jedem Rennen werden Punkte verteilt, deswegen kann man auch bei jedem Rennen Punkte holen. So einfach ist das.

SZ: Was war das prägendste Erlebnis im vergangenen Jahr?

Vettel: Ein Highlight - das gab es nicht. Es sind vielmehr die Höhen und Tiefen, die einen prägen. Solche Phasen durchläuft jeder, ob er letztlich Weltmeister wird oder Zehnter. Man hat immer wieder Herausforderungen. Das prägt einen am meisten.

SZ: Die höchste Höhe war vermutlich der unerwartetet Sieg in Monza.

Vettel: Ja. Die Tiefen waren zum Saisonstart, als ich bei den ersten vier Rennen nicht ins Ziel gekommen bin.

SZ: Haben Sie da an sich gezweifelt?

Vettel: Gezweifelt habe ich nicht. Ich habe mich geärgert.

Lesen Sie auf der nächsten Seite: Vettel über das Gefühl für ein Auto, bestimmte Farbenträume und "Didi".

SZ: Was hat Sie in Ihrer Formel-1-Zeit bisher am meisten überrascht?

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Vettel: Nach dem Sieg in Monza war extrem viel los. Es ist ein gewisser Hype entstanden. So etwas kann man nicht erwarten, aber überrascht hat es mich nicht. Überrascht hat mich eher, wie viel Spaß es mir macht.

SZ: Was genau meinen Sie?

Vettel: Ein Formel-1-Auto zu fahren, ist etwas ganz Besonderes. Das entdecke ich immer wieder, in ganz unterschiedlichen Situationen. Zum Beispiel in der Qualifikation, wenn es darauf ankommt, in einer Runde alles herauszuholen. Ein solches Erlebnis hatte ich beim Nachtrennen in Singapur. Die Strecke dort ist uneben, man wird so stark durchgeschüttelt, dass man nicht geradeaus schauen kann. An manchen Ecken ist es dunkel, der Kurs hat viele Kurven, ständig geht es nach rechts oder links, es gibt keine Pause, der Schweiß läuft einem in die Augen - und trotzdem versucht man, diese eine Runde hinzuknallen. Wenn man das dann schafft, braucht man keine Stoppuhr. Dann spürt man: Das hat gepasst. Dieses Gefühl von Zufriedenheit und Freude ist unvergleichlich. Ich bin immer neu überrascht, wie stark es ist.

SZ: Gibt es Ähnliches im Rennen?

Vettel: Ja, wenn man ein Rad-an-Rad-Duell gewinnt. Oder wenn man eines verliert, aber genau weiß, woran es gelegen hat und sich dann die Zähne ausbeißt, um wieder heranzukommen.

SZ: Michael Schumacher hat einst zugegeben: Als er zum ersten Mal in einem Formel-1-Auto saß, habe er sich überfordert gefühlt. Wie war das bei Ihnen?

Vettel: Ähnlich. Ich erinnere mich noch gut an meinen ersten Formel-1- Test. Nach den ersten Runden war ich so schockiert von der Leistung, von den Beschleunigungskräften, dass ich gesagt habe: ,Okay, das ist nur was für Männer. Hier werde ich nie zurechtkommen.' Aber das legt sich dann sehr schnell.

SZ: Ab wann hatten Sie das Gefühl: Jetzt habe ich das Auto im Griff?

Vettel: Ab dem Winter 2007, in dem ich regelmäßig ein Formel-1-Auto fahren durfte. Irgendwann macht es ,klick' und das Auto gehört einem.

SZ: Seit Sie 13 Jahre alt sind, unterstützt Red-Bull-Chef Dietrich Mateschitz Ihre Karriere. Hat sich ihr Verhältnis zu ihm mit dem Erfolg geändert?

Vettel: Nein. Didi war mitverantwortlich, dass ich den Platz bei Toro Rosso bekommen habe. Er hat an mich geglaubt, und natürlich ist es schön, das bestätigen zu können. Aber wegen eines Sieges ändert sich nicht gleich alles. Ich hatte immer ein gutes Verhältnis zu allen, auch zum Oberboss.

SZ: Nennen Sie ihn eigentlich ,Didi'.

Vettel: Ja. Wir kommen, wie gesagt, ganz gut miteinander aus.

SZ: Die Bild-Zeitung träumt, stellvertretend für viele Motorsport-Fans, immer wieder von Sebastian Vettel im Silberpfeil oder im Ferrari. Träumen Sie davon eigentlich auch?

Vettel: In den letzten zehn Jahren, die mich interessieren, wenn ich die nächsten zehn Jahre betrachte, haben die beiden Teams gezeigt, dass sie Top- Autos bauen können, mit denen man um den Titel kämpfen kann. Und natürlich ist es irgendwann einmal mein Ziel, in so einem Auto zu sitzen.

SZ: Haben Sie eigentlich eine Lieblingsfarbe? Rot? Silber? Weiß-Blau?

Vettel: Nein. Was schnell ist, ist gut.

© SZ vom 26.03.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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