Formel-1-Saisonstart von Mercedes:Deutsches Motorsportnationalteam - zero points

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"Angefangen hat es sehr gut. Aufgehört hat es schlecht:" Das Formhoch von Michael Schumacher ließ die Konkurrenz in der Formel 1 schon nervös werden: Red Bull und Renault drohten mit einem Protest gegen Schlitze im Mercedes. Doch im ersten Saisonrennen bremst ein Defekt Schumachers Vorwärtsdrang.

René Hofmann, Melbourne

Norbert Haug sah müde aus am Sonntagabend, blass und mitgenommen. Aber das lag nicht nur am Ergebnis. Es lag vor allem an der grellen Lampe, die von der Decke der Mercedes-Hospitality herunter die Aufräumarbeiten nach dem Formel-1-Auftakt 2012 beleuchtete. Das gleißende Flutlicht leuchtete in allen Gesichtern auch die kleinsten Fältchen erbarmungslos aus und ließ jeden bleich wie ein Gespenst erscheinen. Norbert Haug hätte auch Witze erzählen können - es hätte die Szenerie nicht freundlicher erscheinen lassen. Doch der Mercedes-Sportchef erzählte keine Witze. Mit einer Mischung aus Fatalismus und Frustration sagte er: "Angefangen hat es sehr gut. Aufgehört aber hat es schlecht."

Auf Abwegen: Ein Getriebeschaden lässt Michael Schumacher in Melbourne von der Strecke abkommen und ausscheiden. (Foto: dpa)

Beim Start des Saisonauftakts hatten die zwei Mercedes-Piloten vier Plätze gutgemacht: Michael Schumacher war von Position vier auf Rang drei gestürmt, Nico Rosberg sogar vom siebten auf den vierten Platz geprescht. Doch der Vorwärtsdrang blieb eine temporäre Erscheinung. Für Schumacher endete er bereits in der elften Runde: Mit einem Getriebeschaden fiel er aus - just, als Sebastian Vettel gerade ein äußerst unterhaltsames Duell mit seinem einstigen Vorbild angezettelt hatte. "Plötzlich fliegt die Zugkraft weg vom Getriebe", schilderte Schumacher das Erlebnis.

Rosberg lag länger auf Punktekurs. Doch dann riskierte er in der letzten Runde noch ein Überholmanöver gegen Sergio Perez, bei dem der Sauber-Fahrer ihm einen Reifen aufschlitzte. Mit rapide sinkendem Reifendruck schaffte Rosberg es noch an der karierten Flagge vorbei, allerdings nur als Zwölfter, was eine Wertung bedeutete, die sonst nur bei Schlagerländerkämpfen regelmäßig vorkommt: Germany zero points.

Null Punkte für die deutsche Motorsportnationalmannschaft. Noch ernüchternder als das nackte Resultat war dessen Genese: Am Samstag in der Qualifikation, bei der Zeitenjagd über wenige Runden, hatte es noch so ausgesehen, als könnte Michael Schumacher seinen mattsilbernen Mercedes auf die Höhe der McLaren-Chrompfeile von Lewis Hamilton und Jenson Button bringen. Der F1 W03 sei "definitiv viel mehr ein Rennwagen" als die zwei Vorgängermodelle, hatte Schumacher geschwärmt. Das Formhoch ließ die Konkurrenz schon nervös werden: Red Bull und Renault drohten mehr oder weniger unverhohlen, einen Protest zu erwägen.

Ein Bauteil gefällt den Rivalen nicht: Der Mercedes beherrscht einen Trick, der die Höchstgeschwindigkeit steigen lässt. Aktivieren die Piloten den verstellbaren Heckflügel, öffnen sich irgendwo an ihrem Gefährt Schlitze, die den Luftstrom verändern. Wie die Nummer genau funktioniert, ist noch nicht raus. Die Aufseher des Automobilweltverbandes FIA bekamen die Technik am Mittwoch vor dem Grand Prix vorgeführt. Bislang haben sie nichts gegen sie einzuwenden. Das kann sich aber schon bald ändern. Zu versuchen, Rivalen mit Regelstreitereien aus dem Tritt zu bringen, hat eine gewisse Tradition in der Rennserie. "Mit dem Thema lässt sich wunderbar von den Auspuffsystemen ablenken, die einige andere Teams haben", vermutet Mercedes-Teamchef Ross Brawn.

"Es liegt viel Arbeit vor uns"

Viel brachte der Kniff mit dem Schlitz im Rennen ohnehin nicht. Nur in einem der drei Sektoren wurde bei Nico Rosberg ein auffällig guter Höchstgeschwindigkeitswert gemessen. Ansonsten bremsten ihn vor allem Reifensorgen. Der F1 W03 rubbelte die Pneus in Melbourne schneller ab als gedacht - und auch schneller, als er das bei den Testfahrten im Winter getan hatte. Woran das lag, soll nun schnell erkundet werden, am besten bereits bis zum nächsten Sonntag, wenn es in Malaysia schon wieder rund geht - wahrscheinlich bei wesentlich höheren und damit für die Reifen stressigeren Temperaturen als in Australien.

"Es liegt viel Arbeit vor uns, um zu verstehen, was schief gelaufen ist und wie wir das volle Potential unseres Auto ausschöpfen können, das definitiv da ist", sagt Nico Rosberg. Die Ausgangslage, glaubt er, sei aber besser als im vergangenen Jahr. Damals, erinnert Michael Schumacher sich, betrug der Rückstand im Rennen pro Runde auf den Sieger im Durchschnitt 2,7 Sekunden. In diesem Jahr waren es deutlich weniger. Das Problem dabei ist aber: Das gilt nicht nur für Mercedes.

© SZ vom 19.03.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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