Formel 1: Qualifying in Barcelona:"Ned vom Hocker gehaue"

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Neues Gefühl für Sebastian Vettel: Zum ersten Mal muss sich der Formel-1-Weltmeister in dieser Saison in der Qualifikation seinem Teamkollegen Mark Webber geschlagen geben. Nick Heidfeld rettet sich indes aus einem brennenden Auto.

Der Reifenpoker und die Kontroverse um das Energierückgewinnungs-System Kers gehen in der Formel 1 in Barcelona in eine neue Runde. Im Qualifikationstraining am Samstag taktierten viele Fahrer mit der Wahl ihrer Reifen, weil die weichen Pneus um bis zu zwei Sekunden pro Runde schneller sind als die harten. Und bei einigen Teams funktionierte wie so häufig das schneller machende Kers nicht. Zum Beispiel bei Red Bull, was bei den Österreichern aber niemanden störte.

Zum ersten Mal besiegt: Sebastian Vettel in Barcelona.  (Foto: dpa)

"Wir wissen nicht, woran es liegt", sagte Teamchef Christian Horner beim TV-Sender RTL, "aber egal." Trotz der technischen Probleme untermauerte Sebastian Vettel im dritten und entscheidenden Abschnitt des Trainings sogleich die enorme Überlegenheit von Red Bull, in dem er fast acht Zehntel schneller ins Ziel kam als kurz vor ihm McLaren-Pilot Jenson Button. War das gleichbedeutend mit der fünften Pole Position im fünften Saisonrennen für den Weltmeister? Nein. Nur Sekunden später bog sein Teamkollege Mark Webber auf die Zielgerade des Circuit de Catalunya ein und als seine Zeit stoppte, leuchtete die Zeitnahme grün: Platz eins für den Australier, zwei Zehntel schneller als Vettel.

"Ich bin nicht ganz zufrieden: Die Runde hat mich jetzt ned grad vom Hocker gehaue", sagte der Heppenheimer Vettel anschließend in der Pressekonferenz. Er berichtete von Problemen am Vortag, auch im ersten Qualifying-Abschnitt Q1 habe er sich nicht wohl gefühlt im Auto, weil es sehr unruhig auf der Strecke gelegen habe.

Mark Webber strahlte hingegen. Nach viel Kritik im bisherigen Saisonverlauf, weil er stets hinter Vettel herfuhr, genoss er seinen ersten teaminternen Sieg: "Gegenüber dem Rest waren wir immer deutlich besser und ich wusste, dass es sich zwischen mir und Seb entscheidet. Ich habe gebetet, dass mein Name dann vor Sebastian aufleuchtet."

Mit großem Abstand hinter Red Bull reihten sich Lewis Hamilton im McLaren (3.), Ferrari-Pilot und gefeierter Lokalheld Fernando Alonso (4.) und Button auf der Ergebniswand ein. Hinter Renault-Fahrer Witali Petrow wurde Nico Rosberg im Mercedes Siebter. "Das ist ein bisschen ernüchternd", kommentierte der Deutsche, der beim vergangenen Grand Prix in Istanbul noch von Platz drei losfuhr.

Rosberg gewann hingegen zum fünften Mal das interne Mercedes-Trainingsduell gegen Rekord-Weltmeister Michael Schumacher. Auch beim 42-jährige streikte vor Q3 das Kers-System, weshalb er sich dazu entschloss, überhaupt keine Zeit mehr zu fahren und als Zehnter ins Rennen am Sonntag zu gehen. Der Vorteil: Schumacher wird als einziger Fahrer mit einem frischen Satz weicher Reifen am Start stehen und erhofft sich dadurch erhebliche Vorteile.

In den vergangenen 20 Jahren gerieten die Rennen in Barcelona zumeist zum langweiligen Rundendrehen. In den vergangenen zehn Jahren fuhr in Spanien immer derjenige Pilot als Erster durchs Ziel, der auch Schnellster in der Qualifikation war. Bei den insgesamt 20 Rennen auf dem Circuit de Catalunya gewannen 16 Mal die Fahrer, die vom ersten Startplatz ins Rennen gegangen waren. In den vergangenen drei Jahren gab es pro Rennen im Schnitt nur 2,3 Überholmanöver.

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Diesmal ist die Prognose eine andere: Durch Kers und die verstellbaren Heckflügel könnten einige Teams auf den langen Gerade sehr profitieren und erfolgreich zum Überholen ansetzen. Dazu kommt die komplizierte Wahl der Reifen. Da nur wenige Sätze pro Wochenende einsetzbar sind, und die weichen große Vorteile vor den harten haben, rechnet das Feld mit vielen Boxenstopps und extremen Taktikmanövern, die das Rennen entscheidend beeinflussen können.

So rechnet sich sogar Nick Heidfeld noch Chancen aus, am Sonntag ein passables Ergebnis zu schaffen. Der Renault des deutschen Piloten hatte im letzten Freien Training am Samstagmorgen plötzlich Feuer gefangen. Heidfeld fuhr den brennenden Boliden schnell neben die Strecke und sprang heraus. Über den Boxenfunk hatte ihm sein Team mitgeteilt: "Feuer, schnell heraus". Der Mönchengladbacher blieb unverletzt. Grund war ein gebrochener Auspuff.

"Ich hatte nicht wirklich Angst, wollte aber schon schnell rauskommen", sagte Heidfeld, "das war eines der größten Feuer, die ich bisher im Auto erlebt habe." Bis kurz vor dem Qualifikationstraining versuchte Renault, das Auto von Heidfeld wieder fahrfähig zu machen, "doch es hat zeitlich nicht gereicht, es war einfach zu viel kaputt". Mit einer Ausnahmeregel der Rennkommissare wird er am Sonntag vom 24. und letzten Platz aus auf die Strecke gehen, hat aber noch jede Menge frischer Reifen.

Auch Adrian Sutil verzichtete im Q2 darauf, alles für eine gute Startposition zu geben und fuhr mit den langsamen harten Reifen auf Platz 17. Auch der Germeringer erhofft sich nun im Rennen Vorteile, weil er einen Satz weiche Reifen mehr hat als die meisten Gegner: "Das ist die einzige Möglichkeit, aus dem Rennwochenende noch was zu machen", erklärte Sutil. Sein Auto sei nach einem verunglückten Set-up zu langsam, im Vergleich zur Konkurrenz sei sein Force India deutlich abgefallen.

Probleme mit dem Auto hat auch Timo Glock im Virgin Cosworth. Auch sein Team muss immer wieder neue Einstellungen wieder zurückziehen, weil sie nicht funktionieren. Insofern war der Wersauer mit Rang 20 hochzufrieden: "Heute hat es bei uns sehr gut funktioniert."

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