Formel 1: Malaysia:Das Extrem-Rennen

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Aufgrund der hohen Temperaturen und der plötzlichen Regenfälle gilt das Rennen in Sepang als extremstes der Saison. Dennoch soll der Kurs Aufschluss geben darüber, wer in dieser Saison wirklich schnell unterwegs ist.

Jürgen Schmieder

Michael Schumacher fuhr die Strecke in Sepang am Donnerstag erst einmal auf Rollschuhen ab - im T-Shirt und ohne Regenschirm, obwohl es regnete, als hätte Gott höchstpersönlich noch ein paar Schleusen zusätzlich geöffnet. Die Mitarbeiter von Red Bull schoben einen Rennwagen durch die Boxengasse, der von einer dicken Plane bedeckt war, ein Ferrari-Ingenieur suchte Schutz unter einer Palme. "Selamat Datang", das steht auf einem Schild über der Boxengasse: "Willkommen!" Willkommen in Malaysia, willkommen zum wohl extremsten Rennen der Formel-1-Saison.

Wenn jemand auf die Idee käme, einmal alle Daten auszudrucken, die ein Formel-1-Team während eines Renn-Wochenendes so aufzeichnet, dann könnte man damit wohl eine komplette Rennstrecke vor Regen schützen. 30 Millionen DIN-A4-Blätter wären das. Pro Team, wohlgemerkt. Es wird quasi alles protokolliert, was ein Mensch protokollieren kann - die Ingenieure kennen nicht nur den Luftdruck der Reifen zu jeder Sekunde der Fahrt, sie können auch feststellen, wann ein Pilot zu spät bremst oder in welcher Millisekunde der Rennwagen nicht perfekt ausbalanciert ist.

Wenn die Verantwortlichen dann auf diesen 30 Millionen Seiten kaum einen Hinweis finden darauf, warum ausgerechnet das eigene Auto nicht so schnell fährt wie gedacht, dann scheint man sich Sorgen machen zu müssen. Mercedes war so ein Rennstall, der nach dem Grand Prix von Melbourne ratlos wirkte, auch bei Ferrari waren sie nicht so recht zufrieden mit dem ersten Rennen, weshalb Teamchef Stefano Domenicali statt eines Direktfluges nach Sepang einen Umweg von 20.000 Kilometern über Maranello wählte.

Was jedoch von beinahe jedem Rennstall zu hören war: Dieses erste Rennen in Australien, das ist nicht aussagekräftig für den Rest dieser Saison, weil der Stadtkurs in Melbourne irgendwie anders sei als andere Strecken und in Australien ja sowieso die meisten Dinge anders sind als anderswo auf der Welt. In Sepang, ja in Sepang, auf dieser designten Formel-1-Strecke, da wird sich das Kräfteverhältnis zeigen, das repräsentativ sein könnte für den Rest der Saison.

Ausgerechnet in Sepang, wo im April Temperaturen von 30 Grad herrschen und die Luftfeuchtigkeit 90 Prozent beträgt. Wo es plötzlich zu regnen beginnt und einfach nicht mehr aufhören will. "Es ist ganz klar das anstrengendste und extremste Rennen im gesamten Jahr", sagt etwa Jenson Button. Bis zu drei Liter Flüssigkeit verliert ein Pilot während des Rennens - eine Menge, die er in den knapp 90 Minuten keinesfalls zu sich nehmen kann.

Es ist ein Extrem-Rennen für Piloten und für die Rennwagen, das da am kommenden Sonntag stattfinden wird - und dennoch gilt seit 2001 (seitdem wird der Grand Prix von Malaysia am Anfang der Saison ausgetragen) vereinfacht ausgedrückt: Wer in Sepang schnell unterwegs ist, der kann dem Rest der Saison zuversichtlich entgegenblicken.

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Von Jürgen Schmieder

Das liegt zunächst einmal am Kurs, den der deutsche Ingenieur Hermann Tilke entwickelt hat. Es gibt zwei lange Geraden, die durch eine Haarnadelkurve verbunden sind - das sind ideale Gelegenheiten, sowohl den verstellbaren Heckflügel als auch das Energie-Rückgewinnungssystem Kers gewinnbringend zu nutzen. "Abgesehen vom Start selbst bringt Kers auf einer Strecke wie Melbourne nur sehr geringe Vorteile", sagt Red-Bull-Teamchef Christian Horner.

Sein Rennstall, der in Melbourne noch auf Kers verzichtet hat, könnte an diesem Wochenende die Technologie einsetzen. "Wenn es am Freitag in Malaysia gut funktioniert, dann wird es am Wochenende in Malaysia sein Renndebüt geben", sagt Horner.

Neben den Hochgeschwindigkeitspassagen gibt es mehrere enge Kurven, in denen die Fahrer ihr Können unter Beweis stellen dürfen - dazu einige schnelle Passagen, welche die Aerodynamik-Tüftler der Rennställe herausfordern. "Malaysia ist ein sensationeller Kurs", sagte Mark Webber am Donnerstag.

Der Malaysia-Grand-Prix ist auch deshalb interessant, weil es sich nach der Absage des Bahrain-Rennens um den zweiten Vergleich in dieser Saison handelt. Die Teams haben durch die Erfahrungen von Melbourne erste Kenntnisse über den Leistungsstand bekommen, viele Rennställe (Ferrari, Mercedes, Williams) haben Verbesserungen mit nach Sepang gebracht. "Wir haben gewisse Dinge mitgebracht", sagt Schumacher, ohne Details zu verraten. "Wir hoffen, dass wir alles in der Kürze der Zeit lösen können."

Am Donnerstag konnten die Piloten schon einmal simulieren, wie es am Sonntag in Sepang aussehen könnte. Zuerst war es heiß, die Luftfeuchtigkeit lag bei knapp 80 Prozent, plötzlich begann es zu regnen. Auch für Sonntag wird pünktlich zum Rennstart ein Monsunregen prognostiziert. "Bei so einem Wetter kann man schnell vom Hero zur Zero werden", sagt Schumacher. Vettel ergänzt: "Wenn es extrem schüttet, haben wir Probleme. Bei starkem Regen ist das Risiko für ein heilloses Durcheinander natürlich größer."

Vettel weiß: Chaos und Durcheinander helfen eher den Konkurrenten, mit dem schnellsten Auto sollte er selbst unterwegs sein. Um das zu ahnen, braucht es keine 30 Millionen Blätter. Das hat Vettel beim Rennen in Australien bewiesen - und er würde es in Sepang gerne bestätigen.

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