Formel 1:Endlich wieder richtig überholen

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Max Verstappen (hi.): Dürfte sich über die Regeländerung freuen (Foto: Getty Images)

Die Formel 1 will spannender werden und erlaubt ab der kommenden Saison nur noch vereinfachte Flügel. Die Reform kommt genau zum richtigen Zeitpunkt.

Kommentar von Philipp Schneider

Zu den berühmtesten Zitaten des Rennfahrers und Rennphilosophen Ayrton Senna gehört eines, das nun lohnt, mal wieder hervorgekramt zu werden: "Wenn du nicht versuchst, in eine existierende Lücke zu fahren, dann bist du kein Rennfahrer mehr." 28 Jahre ist es her, dass Senna dies sagte. Er war gerade zum zweiten Mal Weltmeister geworden, und zwar unter Umständen, für die er sich rechtfertigen musste. Um Weltmeister zu werden, hatte er in Suzuka gleich nach dem Start den Rennwagen von Alain Prost, seiner Nemesis, von der Strecke befördert. Die Lücke, von der Senna sprach, existierte möglicherweise nur in seinem Kopf. Und damit zu Max Verstappen. Und zu den Änderungen, zu denen sich die entscheidenden Gremien in der Formel 1 am letzten Apriltag durchgerungen haben.

Ab der kommenden Saison müssen an den Wagen simplere aerodynamische Teile verbaut werden, der Frontflügel verliert eine Ebene, der Heckflügel wird breiter. Die Reform wird verfügt aus einem Grund: Das Überholen soll wieder einfacher werden. Vielleicht so einfach wie zu Sennas Zeiten. Mindestens so einfach aber, dass auch ein Verstappen hin und wieder mal eine Lücke findet, durch die er seinen Rennwagen bewegen kann, ohne anderswo Porzellan beziehungsweise Karbon zu zerschlagen. Die Reform kommt genau zum richtigen Zeitpunkt. Weil jene Lücke, die Senna einst als räumliche Chance begriff, inzwischen zu einer zeitlichen verkommen ist.

In drei von vier Rennen der Saison verhalf das Safety Car zum Sieg

Heutzutage, das ist die Erkenntnis der vier Rennen alten Saison, wird beim Parken in der Garage überholt. Wer klug ist, lässt sich neue Reifen anschrauben innerhalb jener kleinen Zeitlücke, in der zufälligerweise das Safety Car auf der Strecke ist, das alle anderen Fahrer auf der Strecke ausbremst und dessen Erscheinen nicht exklusiv von Verstappen verursacht wird. Der einst als Sicherheits-Feature gedachte Dienstwagen von Bernd Mayländer ist zum Faktor im Titelkampf zweckentfremdet worden. In drei von vier Rennen der Saison verhalf das Safety Car zum Sieg. In Melbourne profitierte Sebastian Vettel auf Kosten von Lewis Hamilton, in China profitierte Daniel Ricciardo - und jüngst in Baku zunächst Valtteri Bottas - und so Hamilton auf Kosten von Vettel. Das Safety Car gibt, das Safety Car nimmt. Es verfolgt das Prinzip der ausgleichenden Gerechtigkeit.

Die vereinfachten Flügel sollen in Zukunft wieder die guten, alten Überholmanöver ermöglichen, die seltener zu erleben sind, weil die über die Jahre immer komplexer gestaltete Aerodynamik zu erheblichen Luftverwirbelungen in Bodennähe führt. Einem hinterherfahrenden Auto ist es momentan kaum möglich, über mehrere Kurven nah hinter dem Vordermann zu fahren, um das Überholmanöver vorzubereiten. Erdacht wurde die Reform aus dem Schock darüber, dass beim Saisonauftakt in Melbourne nur fünfmal überholt wurde. Die Formel 1 will spannender werden. Und dass sie dies in einem Moment beschlossen hat, in dem sie so spannend ist wie selten, das darf gerne als Ironie verstanden werden.

Sie ist ja vor allem deshalb so spannend und ausgeglichen, weil in den Rennen der jeweils Schnellste mit Hilfe des Safety Cars ausgetrickst wurde.

© SZ vom 02.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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