Football:Öl im Feuer

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Der ehemalige Football-Spieler und -Trainer Patrick Esume bringt in seinem Sport einiges ins Rollen. Seine Pläne einer europäischen Liga spalten Befürworter und Skeptiker in zwei ziemlich unversöhnliche Lager. Vor allem der Bundesverband ist überhaupt nicht angetan.

Von Christoph Leischwitz, München

Es ist jeden Sonntag dasselbe. Mittlerweile sind es regelmäßig mehr als eine halbe Million Zuschauer, die NFL-Spiele im Fernsehen ansehen, meistens mehrere Partien hintereinander. Das Problem beim Football ist nur, dass die Saison der US-Profiliga recht kurz ist, inklusive Playoffs und Super Bowl sind gerade mal 21 Sonntage abgedeckt. Da ist es angesichts des Quotenerfolgs naheliegend, darüber nachzudenken, was man den Fans im Sommer für ein Produkt anbieten kann.

"Die erste Idee, eine Liga zu gründen, hatten wir schon vor drei Jahren", sagt Patrick Esume. Der 46-Jährige ist der wohl bekannteste deutsche Footballtrainer, er hat das Buch "Believe the Hype" geschrieben und den Hype als eloquenter TV-Kommentator selbst vorangetrieben. "Ran Football" gewann 2018 den Deutschen Fernsehpreis für die beste Sportsendung. Die Show, meist bei Pro SiebenMaxx ausgestrahlt, kommt zwar nicht bei all den alten Football-Haudegen der Neunziger Jahre an, aber bei einem jungen Publikum sehr wohl. Auf ähnliche Weise spaltet sich jetzt gerade das Fanlager bei Esumes neuestem Engagement. Wenn Football Glaubenssache ist, kann man von einem Schisma sprechen, einer Spaltung in zwei Gruppen oder gar mehr - obwohl alle doch "Football für den geilsten Sport auf diesem Planeten" (Esume) halten.

Esume denkt groß. Bisher wird er allerorten nur "Coach" genannt, womöglich aber bald auch noch "Commissioner", Ligaboss. European League of Football heißt die Idee. Zu Beginn, im Sommer 2021, soll sie erst einmal aus acht Teams bestehen, sieben davon aus Deutschland, unter anderem am Gründungsort Hamburg (das achte Team sind die Panthers aus dem polnischen Breslau). Solch große Ideen gab es immer wieder mal, in den Neunziger Jahren hieß sie nicht ELF, sondern EFL. Allerdings ist Esume nicht allein: Er ist das Gesicht der Kampagne, der Macher im Hintergrund ist der befreundete Zeljko Karajica, ehemaliger Geschäftsführer von Sport1 und später von ProSiebenSat.1. Er steuerte das nötige Kleingeld für den NFL-Hype bei, als er 2015 die kompletten TV-Rechte kaufte. Für den Traum der europäischen Football-Champions-League tritt also ein Team an, das schon erfolgreich zusammengearbeitet hat. "Es herrscht komplett Aufbruchsstimmung", schwärmt der ELF-Investor Karajica, und die europäische Dimension, so der 49-jährige Hamburger, ziehe potenzielle Sponsoren an, sodass die erste Reaktion auf die Bekanntmachung vor drei Wochen sehr zuversichtlich mache.

Höhlt die neue Liga die German Football League aus?

Wenig überraschend ist der Bundesverband AFVD nicht gerade begeistert. Der erste große Streitpunkt ist, woher die Spieler kommen sollen. Football ist ein Amateursport, seine Akteure müssten also durch die neuen Franchise-Unternehmen von den Vereinen der German Football League (GFL) abgeworben werden. "Es ist zu befürchten, dass sich die ELF an den von den deutschen Vereinen ausgebildeten Spielern und geschaffenen Strukturen bedienen möchte", sagt Ligavorstand Axel Streich in einem AFVD-Statement. GFL-Vorstandsmitglied Christoph Wolk schießt nach, man könne "nur davor warnen, dass sich Vereine zu blauäugig in so ein Abenteuer stürzen".

Einige taten es trotzdem: Die Erstligisten Ingolstadt, Stuttgart und Hildesheim ließen Mitte November die Frist zur Lizenzierung verstreichen, sie wollen Unternehmen gründen, sich der ELF anschließen und höchstens noch eine Art Farmteam in die unteren Ligen schicken.

Esume hofft natürlich, dass möglichst viele Vereine nachziehen. Seiner Ansicht nach müsste es ohnehin in deren eigenem Interesse liegen: "Die Nachfrage nach einer Professionalisierung haben viele", sagt er. Mannschaften würden "local heroes" entwickeln, für Fans greifbare Stars. Und auch, wenn diese Helden wohl immer noch einem weltlichen Job nachgehen müssten, so würden sie doch endlich einmal etwas verdienen. Und was, bitteschön, solle denn so schlimm daran sein, mit seinem Hobby Geld zu machen?

Die Planung der ELF zieht sich wie gesagt schon seit Jahren hin, und es ist dem Vernehmen nach nicht so, dass man den Bundesverband AFVD vorab nicht mit neuen Ideen konfrontiert hat. So ist zu hören, dass ehemalige deutsche NFL-Spieler, von denen es nun schon ein paar gibt, dem AFVD vorschlugen, mit ihrer Hilfe mehr Öffentlichkeitsarbeit zu betreiben. "Der Präsident ist manchmal schon ein bisschen beratungsresistent", sagt sogar der Präsident eines deutschen Vereins, der in der GFL verbleibt.

Zwar hatte der AFVD für die abgesagte Saison 2020 selbst eine größere TV-Vermarktung angekündigt. Doch hier war der Vorwurf derselbe, der nun von Seiten des AFVD an die ELF gesandt wird: Euch geht es doch nur ums Geld.

Viele Details sind noch ungeklärt

Gegner des Verbandes und seines Präsidenten Robert Huber halten ihm immer wieder Intransparenz vor. Ein Gerichtsurteil aus dem Jahr 2015 spielt dabei eine wichtige Rolle. Damals hatte der AFVD auf weitere Sportförderung des Bundes geklagt und eine Abfuhr erhalten. In der Begründung hieß es, "dass der Kläger seine Finanzmittel nicht in erheblicher Höhe in seine Leistungssportsparte investiert". Und dass der Verband dem Präsidenten beispielsweise sehr hohe Reisekosten abrechne. Es handele sich um eine "black box".

Viele glauben trotzdem nicht, dass die ELF erfolgreich aus den Startlöchern kommt und eines Tages wirklich mit rund 20 Teams, wie langfristig geplant, für volle Stadien und strapazierte Laptops sorgen wird. In den Fanforen wird stark bezweifelt, dass eine Liga mit Amateurspielern ähnliche Aufmerksamkeit erringen kann wie die NFL. Sie befürchten, dass der Ruf des Sports unter der Spaltung leiden könnte. Außerdem fehle es organisatorisch sowieso noch so ziemlich an allem: in welchen Stadien ab Juni gespielt werden soll, welche Fernsehsender die Spiele übertragen, ja, nicht einmal, woher die Schiedsrichter kommen, ist im Moment abzusehen.

Karajica erklärt auf Anfrage: keine Sorge, es wurde sehr langfristig gedacht und sorgsam geplant. In den kommenden Wochen werde es häppchenweise neue Informationen zur ELF geben. Genaue Angaben zum Investitionsvolumen macht Karajica nicht. Aber er deutet an, dass nicht gekleckert wurde. Außerdem sei man natürlich offen für Kooperationen. Damit meint er: sofern diese erwünscht sind. Und womöglich ist das ja auch ein Ziel: die möglichst freundliche Übernahme eines Verbandes, der aus Sicht der ELF-Macher die Entwicklung des eigenen Sports komplett verschlafen hat.

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