Auch Chung Jong-Moon war zugegen, als sich Spitzenvertreter der globalen Fußballgemeinde am Wochenende in Berlin beim Champions-League-Finale versammelten. Für die meisten war der Spielausgang marginal - schließlich ging es neben dem Rasen auch um das Ausloten von Allianzen und individuellen Chancen im Kampf um die Nachfolge Sepp Blatters. Der Fifa-Boss will angeblich auf einem Sonderkongress in den nächsten Monaten von der Spitze des Fußball-Weltverbandes abtreten. Und Chung, 63, hat erklärt, dass er sich für den Job sehr interessieren würde.
Der Südkoreaner hat Erfahrung, er saß lange im Fifa-Vorstand (1994 bis 2011) und führte seinen Nationalverband (1993 bis 2009). Zugleich gehört er der mächtigen Hyundai-Familie an, zählt zu den reichsten Männern des Landes und war in der Vergangenheit politisch stark ambitioniert. So einer kann Gewicht einbringen, wenn es um die Wahl des neuen Fifa-Chefs geht.
Aber nun hat auch er Fragen zu beantworten - wie andere Funktionäre, die derzeit als Kandidaten für Blatters Nachfolge gelten. Der Franzose Michel Platini, Präsident von Europas Fußball-Union, weil er bei der Wahl des WM-Ortes 2022 für Katar stimmte und sein Sohn später bei einer katarischen Firma unterkam. Oder Scheich Al-Sabah aus Kuwait, der höchst erfolgreich Mehrheiten in der Sportwelt schmiedet, aber im Kontext mit Korruptionsvorwürfen gegen engste Mitarbeiter selbst schon mit dem Sportthema Nummer eins in Berührung kam. Und Chung? Muss einen Vorgang in Pakistan erklären.
Es geht um eine 400 000-Dollar-Spende des Spitzenfunktionärs an Pakistans Fußballverband. Sie sollte nach der Flutkatastrophe 2010 dem Wiederaufbau einer zerstörten Fußballanlage dienen. Weitere 250 000 Dollar sollte Asiens Fußballverband (AFC) beisteuern. Das Aufbauprojekt kam bis heute nicht in Gang, der pakistanischen Zeitung Dawn zufolge liegt das Geld gut verzinst auf einem Konto des Landesverbands. Mit Wissen des AFC, wie die pakistanische Föderation versichert.
Interessant ist der enge zeitliche Zusammenhang zwischen ungenutzter Spende und wichtigen sportpolitischen Entscheidungen. Chung kämpfte damals um einflussreiche Posten, insbesondere um den Platz als Fifa-Vizepräsident, der Asien zusteht. Am Ende unterlag er bei der AFC-Abstimmung Anfang 2011 Ali bin al-Hussein. Der jordanische Prinz beklagte nach der Wahl, dass "signifikanter Druck" auf nationale Verbände ausgeübt worden sei, Kandidaten aus dem Chung-Block zu wählen.
Auch aus einem weiteren Grund geraten karitative Hilfsgelder im Weltfußball immer stärker in Verruf. Die amerikanische Justiz, die sich seit zwei Wochen offiziell durch die Sumpflandschaften rund um die Fifa kämpft, untersucht nun eine Zahlung, die für die Opfer des Erdbebens in Haiti 2010 gedacht war: 250 000 Dollar spendete damals die Fifa, weitere 500 000 Dollar steuerte der südkoreanische Verband bei. Die Ermittler argwöhnen, dass große Teile der Gelder nie im Katastrophengebiet ankamen. Wie auch? Sie waren an Jack Warner nach Trinidad überwiesen worden.
Der langjährige Blatter-Intimus und Fifa-Vizepräsident, der auch im Zentrum anderer FBI-Ermittlungen steht, war damals Boss des Nord-/Mittelamerika-Verbandes Concacaf sowie der karibischen Fußballunion CFU; über deren Verbandskonten verfügte er nach Belieben. Schon 2012 hatte Haitis Verbandschef beklagt, er habe nur 60 000 Dollar von der Fifa-Spende gesehen - und nichts von der halben Million, die Südkorea angewiesen hatte. Die Ermittler gehen dem Verdacht nach, dass Warner Teile des Geldes selbst genutzt haben könnte. Und sie dürften auch dafür Verantwortliche der Fifa zu Rate ziehen. Schließlich hatte der Weltverband, als die Haiti-Affäre vor gut drei Jahren erstmals aufkam, angekündigt, der verschwundenen Erdbebenhilfe nachspüren zu wollen. Offenbar war auch diese gut gemeinte Aktion nicht von Erfolg gekrönt.
Umso wichtiger erscheint, dass die FBI-Ermittlungen voranschreiten. In Italien hat sich am Dienstag der argentinische Rechtehändler Alejandro Burzaco der Polizei gestellt, er wird per Interpol-Haftbefehl gesucht. Während Italien noch in den Fokus der Ermittlungen rücken dürfte, öffnet sich mit Burzacos Ergreifung eine wichtige Schiene in die globalen Deals mit Fußballrechten.
Der Chef der umwitterten Rechteagentur Torneos galt als rechte Hand von Julio Grondona. "Don Julio", wie der mächtige Argentinier respektvoll genannt wurde, war bis zu seinem Tod im Juli 2014 die Nummer zwei in der Fifa hinter Sepp Blatter. Er war der Chef der Finanzkommission und stand im Fokus des Bundesanwalts von Buenos Aires. Über die Jahre war rund um Grondonas Familie ein Firmengeflecht gewuchert, dessen Konten einen dreistelligen Millionenbetrag aufwiesen.