1. FC Nürnberg:Moral ist nicht genug

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Ende eines bitteren Torfestivals: Die Nürnberger mit ihrem Trainer Alois Schwartz nach dem denkwürdigen Abend in Bochum. (Foto: osnapix/Imago)

Beim 4:5 in Bochum zeigt der Club eine kämpferische Aufholjagd, umso niederschmetternder ist die schludrige Defensivarbeit. Sportvorstand Bornemann verbittet sich eine Trainerdebatte.

Von Ulrich Hartmann

Andreas Bornemann sieht weiterhin Schwartz - so ein Kalauer passt zum 1. FC Nürnberg, bei dem Verzweiflung und Galgenhumor eine gewisse Tradition haben und sich der Sportvorstand auch dem fünften sieglosen Spiel der Saison eine Debatte um seinen neuen Trainer Alois Schwartz verbittet. "Wir unterschätzen die Situation nicht", sagt Bornemann angesichts von nur zwei Punkten und dem Verbleib auf einem Abstiegsplatz. "Das ist auch deshalb eine ganz gefährliche Entwicklung, weil die zweite Liga in ihrer Stärke und ihrer Ausgeglichenheit ein Wahnsinn ist - aber die Mannschaft hat es verdient, diese Situation gemeinsam mit dem Trainer zu bewältigen."

Enis Alushi fällt mit einem Innenbandanriss im Knie wochenlang aus

Den Begriff "nachlässig" hatte dieser Trainer am Wochenende benutzt. Schwartz vermied nach der 4:5-Niederlage in Bochum Vokabeln von größerer Sprengkraft, dabei wären Synonyme wie "schludrig", "schlampig" oder "unprofessionell" auch in emotionaler Hinsicht adäquater gewesen, um die mangelhafte Defensivarbeit seiner erfolglosen Mannschaft zu umschreiben. "Nachlässig" klingt verharmlosend, dabei sind 15 Gegentore in fünf Zweitligaspielen mitnichten harmlos. Drei Gegentore allein in den ersten 27 Minuten hatten die Franken im Ruhrgebiet in eine fast schon aussichtslose Situation gebracht, und so kämpferisch sie sich anschließend bis zum 3:3-Pausenstand auch zeigten, umso niederschmetternder war der Umstand, dass die Bochumer in der zweiten Hälfte noch zwei Mal zuschlugen. Da war der 4:5-Anschlusstreffer in der Nachspielzeit nicht mehr genug.

Ausgerechnet der sonst so zweikampfstarke Linksverteidiger Laszlo Sepsi hatte am Freitagabend eine schwarze halbe Stunde erwischt, als er seinen Bochumer Gegenspieler Tom Weilandt vor allen drei Gegentoren entweder nicht stoppen konnte oder gar nicht erst angriff. Da passte es, dass Sepsis Vorgänger Javier Pinola die Nürnberger Niederlage kurz nach dem Schlusspfiff aus Argentinien mit dem rhetorischen Seufzer "Ohne Worte!" betwitterte. Vermissen werden die Franken über den versäumten Punkt hinaus in den kommenden Wochen Enis Alushi. Der im Sommer vom FC St. Pauli gekommene Mittelfeldspieler, der in allen fünf Spielen in der Startelf stand, hat sich am Freitagabend nach einem unglücklichen Zweikampf mit Bochums Timo Perthel in der 36. Minute einen Innenbandanriss im Knie zugezogen und fällt wochenlang aus.

Das ist eine beängstigende Gemengelage vor dem 261. Frankenderby am Dienstag gegen die Spielvereinigung Greuther Fürth. Der Trainer Schwartz freilich destilliert aus dem verkorksten Saisonauftakt mühsam die positiven Ansätze heraus, die in Bochum vor allem in der Vorwärtsbewegung zu finden waren. Gegen die Bochumer, die angesichts ihrer frühen Führung gleichwohl fahrlässig wurden, bewiesen die Clubberer fränkisches Stehvermögen und kamen frei nach dem lakonischen Motto "Werd scho wern" tatsächlich zurück ins Spiel. "Was die Mannschaft da gezeigt hat, war Mentalität", lobte Schwartz und würde diese Charakterstärke aus dem insgesamt anfälligen Auftritt gern separieren. "Diese Mentalität wollte ich sehen - dass die Mannschaft sich wehrt." Ein Spiel, so Schwartz, in dem man selbst vier Tore schießt, dürfe aber natürlich niemals verloren gehen.

"Wir können gegen Fürth etwas gutmachen. Es geht darum, zu zeigen, dass wir eine Einheit sind."

Auch Bornemann lobte einen "guten, couragierten Auftritt in der zweiten Halbzeit", aber die vielen Gegentore in den ersten fünf Spielen seien ein augenscheinlicher Makel, dessen Bewältigung Priorität besitze. Mit welcher taktischen Geisteshaltung der Club seine Fußballer nun ins Lokalderby schickt, wird einer der interessantesten Aspekte des Duells am Dienstag, dessen Brisanz die Fürther mit ihrer Niederlage gegen Würzburg noch zusätzlich zu steigern verstanden.

"Wir müssen unsere Fehler analysieren und es besser machen", sagt Torwart Thorsten Kirschbaum, dessen Startplatz aufgrund des verletzungsbedingten Ausfalls von Raphael Schäfer als gesichert erscheint. Mit Alushi, Schäfer, Willi Evseev, Patrick Erras, Georg Margreitter und Rurik Gislason ist die Verletztenliste lang, aber so etwas kann ja auch Kräfte freisetzen. "Wir können gegen Fürth etwas gutmachen", sagt Mittelfeldmann Kevin Möhwald, "es geht darum, unseren Fans zu zeigen, dass wir eine Einheit sind und kämpfen." Rechtzeitig zum Derby können die Nürnberger wieder auf den zuletzt gelb-rot-gesperrten Guido Burgstaller zurückgreifen. Allerdings ist der Mann ein Stürmer. Ein zusätzlicher Abwehrmann wäre nach den jüngsten Erfahrungen wohl wertvoller.

© SZ vom 19.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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