FC Ingolstadt 04:Raum für Meinungsvielfalt

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Der Handelfmeter zum Siegtor des Aufsteigers gegen Mainz zeigt, wie undurchsichtig das Regelwerk ist. Jeder Spieler sieht die Sache anders.

Von Philipp Schneider, Ingolstadt

Er ging dann doch noch zu den Mikrofonen und Blöcken, aber selbst Moritz Hartmann musste am Samstag zunächst einige Male höflich gebeten werden, ehe er die kurze Reise zu den Reportern antrat. Das verwunderte. Denn so oft hatte der Ingolstädter Stürmer nun auch noch nicht seine schönen Gefühle in die Blöcke und Mikrofone diktieren können, die in einem Torschützen so aufwallen beim Toreschießen in der Bundesliga.

Das vierte Bundesligator des Stürmers Hartmann war allerdings eines, über dessen Entstehungsgeschichte schon in diesem Moment viel zu viel geredet wurde. So dachte wohl Hartmann. Und als er dann doch noch eintraf und munter plauderte, befand er: "Glücklich oder nicht, das kann man so oder so sehen."

Das konnte man tatsächlich. Deshalb gab es nach diesem 1:0 des FC Ingolstadt gegen den FSV Mainz 05 kein anderes Thema als den strittigen Handelfmeter, den Schiedsrichter Florian Meyer in der 40. Minute gepfiffen hatte. Es wirkte geradezu so, als habe jeder Spieler eine eigene Interpretation - von jenem Moment, als der Mainzer Stefan Bell einen Schuss von Ingolstadts Pascal Groß im Strafraum mit der Hand abgewehrt hatte: "Ich stehe ganz normal da und drehe mich weg. Ich glaube, es war eine Armhaltung, von der von den Schiedsrichtern gesagt wird, dass man sich so verhalten darf", klagte Bell, "es ist frustrierend, weil man nicht weiß, wie man sich verhalten soll. Ich weiß auch nicht, ob die Schiedsrichter noch wissen, was sie pfeifen sollen."

Sein Gefühl trog Bell allerdings schon. Sein Arm zog in einer Art Schutzreflex sichtbar nach oben in Richtung Kopf. Möglicherweise wollte Bell auch nur eine Debatte anschieben, ist doch die Definition von Handspiel zweifelsfrei eine der schwammigsten im Regelbuch der Schiedsrichter.

"Absichtlich" müsse der Spieler mit der Hand zum Ball gehen, heißt es lediglich. Bei der Interpretation des Vorsatzes seien Position der Hand und die Entfernung zwischen Gegner und Ball zu berücksichtigen. Außerdem sei darauf zu achten, ob die Hand zum Ball gehe (eher schlecht), oder der Ball an die Hand springe (in Ordnung). Genau diese Fragen ließen sich allerdings selbst nach Sichtung der Fernsehbilder nicht abschließend klären, was den Ingolstädter Groß zu dem zweifelsfrei kühnen Ratschlag ermunterte, Bell solle seinen Körper doch bitte in einem selbstlosen und furchtlosen Stile einsetzen, für den bislang eher Handball-Torhüter berühmt waren: "Er darf die Arme nicht vor das Gesicht nehmen, da muss man halt das Gesicht hinhalten." Da hätte Schiedsrichter Meyer sicher widersprochen. Wenngleich er es am Samstag im Angesicht der aufziehenden Debatte vorzog, sich gar nicht zu äußern.

In der kurzen Phase zwischen Handspiel und Pfiff hatte Meyer zunächst einige Sekunden verstreichen lassen und dann auf ein Signal seines Assistenten reagiert, der als Vorhut an der Seitenlinie unbestritten einen besseren Blick auf die Situation hatte. Nicht unbemerkt war dieser Umstand dem Mainzer Danny Latza geblieben, der daher klagen konnte: "Meiner Meinung nach kann er den Elfmeter nicht geben, weil er nicht sicher ist." Und Kapitän Julian Baumgartlinger urteilte lapidar: "Solche Fehlentscheidungen tun weh, es wird undurchsichtig."

In der Tat. Ingolstadts Trainer Ralph Hasenhüttl spürte wohl, wohin die Mainzer Klagen die öffentliche Meinung treiben wollten: zur Überzeugung, dass der soeben zu seinem sechsten Sieg gerauschte Aufsteiger FCI ohnehin noch immer kaum Tore zu schießen vermag (zwölf in 18 Spielen) - und neuerdings zum Leidwesen der Ligakonkurrenz auch noch dreckig gewinnt: "Ich glaube, dass der Schiedsrichter lieber den ersten Elfmeter gegeben hätte", sagte Hasenhüttl. Dazu grinste er das Grinsen eines Mannes, der sich absolut sicher ist, dass er soeben ein finales, weil unschlagbares Argument vorgetragen hatte. Die ausgleichende Gerechtigkeit habe sich dank einer "Kompensations-Entscheidung" eingestellt. Tatsächlich hatten die Schiedsrichter zuvor einen klaren Handelfmeter verweigert, als Gaetan Bussmann den Ball mit der Hand im Strafraum auf eine andere Flugbahn geschubst hatte.

Darío Lezcano gibt beim FCI ein laufintensives Debüt

Die kleineren Randgeschichten, die diese laufintensive, aber chancenarme Partie auch noch erzählte, erhielten so kaum Aufmerksamkeit: Der Paraguayer Darío Lezcano, den Ingolstadt für die geschätzte klubinterne Rekordsumme von 2,5 Millionen Euro vom FC Luzern verpflichtet hatte, gab ein laufintensives, aber chancenarmes Debüt. Er passt gut in die Mannschaft. 27 Minuten vor Schluss kam Lezcano ins Spiel für Elias Kachunga. Der lief zwar etwas weniger als Lezcano, aber deutlich mehr als in der Hinrunde. Lezcano war ja auch geholt worden, um den Konkurrenzkampf in der Offensive zu befeuern.

Es ist ein heraufziehender Verdrängungswettbewerb, den Torschütze Hartmann noch gut verdrängen kann: Er habe "keine Angst" vor Lezcano, sagte Hartmann, "in den letzten Jahren wurden immer Stürmer geholt. Und alle denken, ich falle dann raus. Aber gerade dann kommt meine Zeit."

© SZ vom 25.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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