FC Bayern:Wettschießen für den heißen Monat

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Hat vielleicht auch hinten Augen: Robert Lewandowski bereitet das 4:0 per Hackentrick vor. (Foto: Adam Pretty/Getty)

Trotz seiner drei Treffer kann sich Lewandowski nicht von Aubameyang absetzen.

Von Klaus Hoeltzenbein, München

Mitte der zweiten Halbzeit, kurz bevor sich die Zuschauer von den Sitzen erhoben, um den Künstler Thiago gebührend in den Feierabend zu verabschieden, machte dann in der Münchner Arena doch eine Frage die Runde: Wann eigentlich war es das letzte Mal zweistellig?

Diese Frage war schon einmal gestellt worden, seit der FC Bayern in der Bundesliga-Rückrunde ein paar Gänge höher geschaltet hat, aber der Hamburger SV war jüngst mit einem 0:8 der drohenden Doppelziffer auf der Anzeigetafel gerade noch entkommen. Nun stand es zwar erst 0:4, nachdem Robert Lewandowski mit der Ferse soeben Thiago diesen zauberhaften Treffer vorgelegt hatte, doch obwohl noch immer sechs Tore fehlten, war durchaus Gefahr in Verzug. Denn auch Marwin Hitz, der bedauernswerte Augsburger Torwart, hatte fleißig hoch gerechnet, wie er nach dem Abpfiff eingestand: "Wir haben sechs Tore gekriegt und hätten noch einmal fünf, sechs kriegen können."

Was bedeutet: Die Derby-Gäste waren mit der höchsten Niederlage ihrer jungen, seit 2011 währenden Bundesligahistorie noch gut bedient - der Gesamteindruck blieb aber verheerend. Allerdings habe er, bat Hitz um mildernde Umstände, einen solchen Kombinationsfluss wie ihn die Münchner an diesem Nachmittag entwickelten "live noch nie erlebt". Der Schweizer kassierte Treffer von Lewandowski (3), Thomas Müller (2) und Thiago, drei Mal vibrierte neben und über ihm das Torgestänge, und ein-, zweimal hätte es Elfmeter geben können. Folglich schaltete so mancher Zuschauer sein Smartphone ein, um in der Vergangenheit zu googeln: zweistellig?

Trotz Blitz-OP soll Manuel Neuer spätestens gegen Real Madrid wieder im Tor stehen

Sechs Doppelziffer-Resultate zwischen 10:0 und 12:0 hat die Liga in 54 Jahren zustande gebracht, der FC Bayern ist mit einem 11:1 und vier Gerd-Müller-Toren gegen Borussia Dortmund aus dem November 1971 registriert. Zweistellige Resultate sind aus der Mode gekommen, das letzte gab es 1984 beim 10:0 von Borussia Mönchengladbach gegen Braunschweig. Sollte es also Jahrzehnte später doch noch einmal jemanden erwischen, dürfte er sich davon nicht so schnell erholen.

In München gehen deshalb wieder viele Mannschaften demütig in Deckung. Was aber hilft eine knorrige Riegel-Strategie, wenn dann Lewandowski kommt? Wenn in dessen Windschatten Thomas Müller seine Torschuss-Krise überwindet? Und wenn Thiago, das personifizierte Vermächtnis aus der Guardiola-Ära, dieses Trio mit messerscharfen Schnittstellen-Pässen zum magischen Dreieck verbindet?

In solchen Momenten liefert der FC Bayern zumindest seinem Publikum eine zirkusreife Entschädigung dafür, dass die Bundesliga in ihrer Spitze wieder mal ein Langweiler ist. Ablenkung liegt in dieser Spielzeit allerdings nicht nur im Show-Fußball, den die Münchner gerade zelebrieren dürfen, sondern auch in einem Fernduell: Die Torjägerliste ist die wahre Spannungs-Tabelle der Saison. Da trifft Lewandowski dreimal, bekommt zudem zwei Assists zugeschrieben, muss aber trotzdem feststellen, dass Dortmunds Pierre-Emerick Aubameyang mit seinem Tor auf Schalke ebenfalls bei 24 liegt. Und auch wenn Anthony Modeste am Samstag leer ausging, so bleibt der Kölner acht Spieltage vor Schluss mit 22 Toren aussichtsreich im Rennen. Zwar ist der Gerd-Müller-Rekord (40) ungefährdet, die Minus-Marke aus der Saison 1988/89 aber ist längst passiert, als die Torjäger-Kanone für magere 17 Treffer an Thomas Allofs (Köln) und Roland Wohlfarth (FC Bayern) ging.

Das alles war nur Präludium, ein flockiger Einstieg in den April - das erste von neun Bayern-Spielen in 29 Tagen; es folgen die Auftritte in Hoffenheim, gegen Dortmund, anschließend kommt Real Madrid. "Wir sind gut drauf", sagt Thomas Müller, "aber der April ist ein heißer Monat, und dann schauen wir mal, wie wir da durchs Feuer kommen." Mit zwei Toren und zwei Pfostentreffern hat sich Müller wieder als Alternative empfohlen, nachdem er zuletzt im Champions-League-Achtelfinale gegen den FC Arsenal aus der ersten Wettkampf-Elf herausgefallen war.

Dass das Personal-Karussell gerade Fahrt aufnimmt, zeigt sich an der Torwart-Personalie. Bis auf Jérôme Boateng, der gegen Augsburg nach einer Brustmuskel-OP erstmals wieder durchspielte, und den derzeit pausierenden Douglas Costa, waren die Münchner nahezu sorgenfrei durch den Jahresanfang gekommen. Nun aber gibt es diese Schreckensbilder, auf denen Manuel Neuer mit Fuß in Gips und an Krücken geht. Trotz Blitz-OP in der Vorwoche heißt es weiterhin, der Nationaltorwart solle bereits gegen Dortmund, spätestens aber gegen Real wieder einsatzfähig sein.

In Sven Ulreich hatte Neuer einen fehlerfreien Stellvertreter. Allerdings hätten sie gegen Augsburg auch ohne Torwart gewonnen. Es gab nun mal nichts zu tun.

© SZ vom 03.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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