FC Bayern:Münchner Muskeltag

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Coman und Lewandowski als kooperierende Zankhähne, Müller meisterlich stark: Der FC Bayern zeigt, dass der BVB keine Chance mehr zum Überholen erhalten soll. Sorgen bereitet aber Manuel Neuer.

Von Philipp Selldorf, Düsseldorf

Der verletzte Torwart Neuer (l.) wird durch Sven Ulreich ersetzt (Foto: Wolfgang Rattay/Reuters)

Während vor der Tür mit laufendem Motor der großmächtige, berüchtigte Bayern-Bus wartete, an Bord der nicht minder berüchtigte und großmächtige Präsident Uli Hoeneß, vollbrachte Thomas Müller noch auf den letzten Metern seines Einsatzes im Düsseldorfer Stadion große Taten. Dem Ausgang entgegeneilend, erledigte er ein ganzes Bündel von Profipflichten gleichzeitig: Er schrieb Autogramme für ehrfürchtige Fortuna-Vips, posierte für Selfies mit Teenagern, begrüßte lautstark den vormaligen Münchner Kollegen Diego Contento samt dessen rosagekleideter Kleintöchter, um anschließend weitere hochwertige Fotoarbeiten zu erledigen. Und während er all diese Sachen mit einem Lächeln und zur vollen Zufriedenheit der Antragsteller bewältigte, gab er auch noch dem Chefreporter des Fachmagazins Kicker Antworten auf wesentliche Fragen, die sich aus dem 4:1 des FC Bayern in Düsseldorf ergeben hatten.

Im Mittelpunkt seiner Erläuterungen stand die Ankündigung, dass der FC Bayern gewillt sei, "das Ding jetzt durchzuziehen". Wenn man es wollte, dann konnte man diese Äußerung als Ansage an den Widersacher Borussia Dortmund interpretieren, aber so platt hat es Müller nicht gemeint. Was er eigentlich meinte, sagte er ein paar Meter weiter: "Falls wir alle Spiele gewinnen, ist sowieso alles klar."

Noch stehen vier Runden aus, bis die Bayern und Verfolger Dortmund am 18. Mai in den letzten Spieltag eintreten. Nach dem Eindruck der vergangenen Wochen spricht manches dafür, dass die Rechnung von Müller aufgeht und die Münchner dem Gegner keine Chance zum Überholen lassen. "Noch ist nichts entschieden", gab zwar Hoeneß bekannt, doch musste der Präsident - gleichfalls im Vorübergehen, die Mantelschöße wehten - der Schar von Fragestellern ein Geständnis machen: "Wir spielen gut."

Vor ein paar Wochen hatte Hoeneß unter Verweis auf den personellen Umbruch in Mannschaft und Umfeld, vor allem aber mit Rücksicht auf seine persönliche Erfolgsbiografie ("ich habe in meinem Leben mehr als 50 Titel gewonnen") erklärt, er werde sich am Saisonende notfalls mal mit weniger Lorbeer begnügen, doch die Anzeichen mehren sich, dass ihm dieser schwere Verzicht erspart bleiben könnte.

"Sie spielen seit Wochen sehr stark", stellte Fortuna-Profi Marcel Sobottka fest, "sie waren auch heute wieder richtig gut in Form." Exakt das gleiche ließ sich auch über Thomas Müller sagen, der erneut eine sehr produktive Rolle im offensiven Mittelfeld erfüllte, wohingegen James Rodriguez außer der des Ersatzspielers gar keine Rolle erfüllte, was wiederum die Frage aufwirft, ob die Bayern bereit sein werden, für den Erwerb des Kolumbianers 42 Millionen Euro an Real Madrid zu bezahlen.

Den Borussen in Dortmund dürften am Sonntag nicht viele Zeichen der Hoffnung für ihre Titelmission aufgefallen sein. Am Tatort Düsseldorf brach zwar ein flirrendes Nachrichtenfieber um die Schwere der Muskelverletzung von Manuel Neuer aus, doch in der Münchner Delegation war weniger Sorge um die sportliche Schwächung als Betroffenheit ob der erneuten Verletzung des Torwarts zu vernehmen. Eine Kernspintomografie ergab, dass Neuer durch einen Ausfallschritt fern des Ballgeschehens einen Faserriss in der Wade erlitten hat, er wird wohl wenigstens zwei Wochen ausfallen und damit sowohl das Samstags-Punktspiel gegen Bremen als auch das folgende Pokalspiel beim SV Werder verpassen. "Das trifft uns natürlich", sagte Trainer Niko Kovac und setzte dazu eine angemessen ernste Miene auf. Einen ersten Einsatz verpasste Neuer bereits am Sonntagabend, als er eigentlich von Ministerpräsident Armin Laschet den Verdienstorden des Landes Nordrhein-Westfalen für sein soziales Engagement erhalten sollte.

Sven Ulreich ist als Stellvertreter eine bewährte Größe, die inzwischen nicht mehr seltenen Absenzen des Nationaltorwarts Neuer verschaffen ihm so viel Einsatzpraxis, dass das Wechselspiel im Münchner Tor fast an Arbeitsteilung grenzt. "Wenn es so sein sollte, dass ich öfter spielen sollte, dann bin ich bereit und fit", sagte Ulreich.

Kingsley Coman erzielt das 2:0 der Bayern. (Foto: Franz Waelischmiller/SVEN SIMON)

Neuer hingegen erklärte erst mal gar nichts, als er an Krücken davon humpelte. Nach der wegen eines Mittelfußbruchs verlorenen Vorsaison hält auch die laufende Spielzeit wieder unwillkommene Pausen für den unverändert extraehrgeizigen 33-Jährigen bereit. Ulreich sagte, Neuer habe zuvor im Training keine Einschränkungen erkennen lassen, weshalb er die Vermutung vorbrachte, die Muskelgeschichte sei eine Folge der langen Abwesenheit im WM-Jahr: "Es ist einfach schwierig, nach so langer Verletzungspause wieder zurückzukommen. Es sind einfach brutal viele Spiele in der Saison, deswegen ist er schon sehr gefordert." Wobei sich der Wettbewerbsstress in Düsseldorf in Grenzen hielt, Neuer erlebte einen dieser typischen Bayern-Arbeitstage: Gewissenhaft hatte er sich auf das Spiel vorbereitet - und stand dann bloß in seinem Tor und guckte zu.

Mats Hummels rechnet nach einer Zerrung nur mit einer Pause "von ein paar Tagen". Er klang also so, als ob seine Trainingspause lediglich Teil der gewissenhaften Vorbereitung auf Bremen sei.

Sollten BVB-Fans ferner spekuliert haben, dass die Freitags-Keilerei zwischen Kingsley Coman und Robert Lewandowski im Training einen Keim von Zwietracht in den Bayern-Kader getragen hätte, so haben sie eine weitere Enttäuschung erlitten. Lewandowski und Coman kooperierten professionell, Letzterer war Doppeltorschütze und wurde von Ersterem ausdrücklich beglückwünscht ("ich freue mich für King"). Immerhin ist in Düsseldorf klargestellt worden, dass die Kontroverse keiner Kleinigkeit entsprach. Verteidiger Niklas Süle, der sich bei dem Streit als Friedensschlichter betätigt hatte ("ich hab's zumindest versucht"), verwies zwar auf die üblichen Argumente ("wir sind eine sehr lebhafte Truppe"), befand aber auch deutlich, es müsse jedem klar sein, "dass man sich nicht aufs Maul hauen sollte - das hat sich nicht gehört, was sie da gemacht haben".

© SZ vom 16.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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