FC Bayern II:Verunsicherung im Spiel nach vorn

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Flanke, Kopfball, Rückwärtssalto: Ingolstadts Caniggia Elva zelebriert mit Akrobatik seinen Treffer zum 1:1-Zwischenstand gegen den FC Bayern II. (Foto: Imago/Stefan Bösl)

Gegen den FC Ingolstadt wird Bayerns Schwäche deutlich.

Von Christoph Leischwitz

Maximilian Zaiser ist 24 Zentimeter kleiner als der Zwei-Meter-Mann Jamie Lawrence, und dieser erhebliche Größenunterschied trug am Mittwochabend ein klein wenig dazu bei, dass der FC Bayern München II in der Drittliga-Tabelle weiter abrutschte. Innenverteidiger Lawrence nämlich hatte gegen den FC Ingolstadt in der 26. Spielminute das Feld verlassen, weil er nach einem Schlag ins Gesicht Nasenbluten hatte; knapp fünf Minuten später wollte er wieder mitmischen, musste aber auf eine Unterbrechung warten. Und dann, in der 31. Minute, kam sie, die Flanke von der rechten Seite. Zaiser stand in Vertretung am Fünfmeterraum, erreichte aber die Flanke nicht, dafür köpfelte Caniggia Elva zum 1:1 ein und schlug noch einen Rückwärtssalto aus dem Stand. Ingolstadt gewann am Ende 3:1 und hat seine Spitzenposition gefestigt, während sich die Bayern nach der dritten Niederlage in Serie auf eine Position im Abstiegskampf einstellen müssen. "Am Samstag wartet erneut eine sehr starke Mannschaft auf uns", sagte Trainer Holger Seitz. Die U23 reist zum Auswärtsspiel nach Rostock.

Man habe ja bei diesem Spiel schon sehen können, dass "einige Spieler am Limit waren heute, was die Physis angeht". Einige hätten sich durchkämpfen müssen wegen der unplanmäßigen Auswechslungen. Nun hatte Seitz während der Partie einmal eine lange Diskussion mit dem Schiedsrichter. Und auch die Tatsache, dass Lawrence beim ersten Gegentor an der Seitenlinie stand, hielt er mindestens für unglücklich. Trotzdem schob der 46-Jährige später keine externen Gründe vor, man habe zurecht verloren. Und räumte einer Analyse der aktuellen Schwächen auch ein bisschen Zeit ein. Dem Pressing der Ingolstädter habe man "nicht mehr entgegenwirken können", es sei nicht gelungen, Ruhe in die Aktionen zu kriegen. Wertvoll sei so ein Spiel, freilich. Was zum Beispiel Lawrence im Duell mit dem routinierten Schanzer-Kapitän Stefan Kutschke an diesem Abend alles gelernt habe, das werde dem jungen Spieler in seiner Entwicklung sicher helfen.

Diejenigen, zu deren explizitem Aufgabengebiet es gehört, einen kühlen Kopf zu bewahren und den jungen Kickern Selbstvertrauen zu verleihen, waren entweder verletzt oder hatten gerade nicht den Nerv für einen kühlen Kopf. Allen voran Timo Kern, 30, der ab der 23. Minute Schädelbrummen hatte. Bei einem Foul an Kutschke war er auf dessen Fuß gefallen und zog sich eine Gehirnerschütterung zu. Kurz spielte er noch weiter, allerdings stark benommen, sodass die Bayern beim 1:1 quasi mit zwei Fußballern weniger spielten. Wie abhängig das Team von erfahrenen Spielern ist, zeigte sich nicht nur in der anschließenden, häufig auftretenden Verunsicherung im Spiel nach vorne. Kern hatte zudem ja auch nach drei Minuten den einzigen Bayern-Treffer erzielt. Gegen Rostock fällt er doppelt aus, weil er für sein Foul an Kutschke die fünfte gelbe Karte sah.

Später musste in Nicolas Kühn auch noch ein junger Spieler mit einer Prellung vom Platz, der erst seit diesem Herbst zu den Stammspielern gehört. Der 19-jährige Angelo Stiller, der seit einiger Zeit bei den Profis trainiert, ist schnell zu einem absoluten Leistungsträger gereift, in den vergangenen beiden Partien fehlte er wegen muskulärer Probleme. Mittelfeldspieler Maximilian Welzmüller, wie Kern 30 Jahre alt, konnte sich am Mittwochabend nur von der Haupttribüne über die Niederlage ärgern. Er könnte mit einem Außenbandriss im Knie bis zum Ende des Kalenderjahres ausfallen. Immerhin kehrte Abwehrchef Nicolas Feldhahn nach einer Knie-OP zurück, er spielte im oberbayerischen Duell aber auch zum ersten Mal seit dem Saisonstart gegen Türkgücü (2:2) wieder von Beginn an.

Abgesehen davon hat die Mannschaft auch generelle Schwächen in einigen Mannschaftsteilen. Auf der linken Abwehrseite herrschte permanent Verunsicherung, sodass Ingolstadts Michael Heinloth nach dem 1:1 auch noch das 2:1 mit einer unbedrängt geschlagenen Flanke einleitete. Und im Angriff fehlt nach dem Weggang von Drittliga-Torschützenkönig Kwasi Wriedt der zuverlässige Dauerknipser. Im Prinzip steht die Mannschaft nicht sehr viel schlechter da als zum selben Zeitpunkt in der vergangenen Saison, sie hat aber ein paar Tore weniger erzielt. "Remy Vita und Jamie Lawrence - die sind alle noch sehr jung um mich rum", sagte der 34-jährige Feldhahn dann noch. Aber sie alle hätten die Qualität, dass Bayerns U23 "jedes Spiel gewinnen kann". Es wäre auch wichtig, dass es in Rostock nicht nur wieder beim Lernen bleibt.

© SZ vom 27.11.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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