FC Augsburg:Mehr Freibad als Bundesliga

Lesezeit: 3 min

"Es gibt kein Mitleid": Augsburgs Torwart Rafal Gikiewicz konnte ohne Hilfe seiner Vorderleute trotz Bemühungen die drei Treffer der TSG Hoffenheim nicht verhindern. Seinem Trainer Heiko Herrlich tat er deswegen trotzdem nicht leid. (Foto: Wolfgang Frank/Eibner/imago)

Die Lehre aus dem 1:3 gegen Hoffenheim: Der so gut in die Saison gestartete Klub bekommt Probleme, sobald die größte Stärke Schaden leidet - das Verteidigen im Kollektiv.

Von Christoph Ruf

Heiko Herrlich war nach dem Spiel nicht besonders redselig. Höflich, aber extrem schmallippig beantwortete der Augsburger Trainer die Fragen zur 1:3-Niederlage bei der TSG Hoffenheim, bei der alle Gegentore durch arge Abwehrfehler begünstigt worden waren. Beim ersten war Florian Grillitsch so frei, dass ein kurzes Nicken genügte, um in der 17. Minute die Führung zu erzielen. Auch beim zweiten und dritten Treffer der Hoffenheimer erinnerte das Augsburger Abwehrverhalten auf den Außenbahnen eher an einen lustigen Freibad-Kick als an Bundesliga-Fußball.

Im Sechzehner war es dann zu spät, weil sowohl Grillitsch (46.) als auch Ihlas Bebou (50.) zu den Bundesliga-Spielern gehören, die Ball und Tempo prima koordiniert bekommen. Auf die Frage, ob ihm sein Torwart Rafal Gikiewicz bei all den Gegentreffern, die er ohne Hilfe seiner Vorderleute nicht verhindern konnte, leidgetan habe, fiel die Antwort von Herrlich existenzialistisch aus. Ein kurzes Zögern. Dann: "Es gibt kein Mitleid."

In der Augsburger Abwehr klemmt es überall

Nun darf man hoffen, dass Heiko Herrlich bei der Nachbereitung der Niederlage Milde walten lässt. Ansonsten könnten auf den Defensivverbund ein paar unangenehme Ansprachen des Trainers zukommen - mit mindestens einem halben Dutzend Adressaten. Es stimmte ja schließlich, dass der FCA am Montag "die Zwischenräume nicht verteidigt bekommen" hatte, wie Herrlich sagte. Andrej Kramaric, Sebastian Rudy und der entfesselte Grillitsch konnten deshalb die Zone zwischen Mittellinie und Augsburger Sechzehner fast nach Belieben beackern, prima unterstützt von Diadie Samassekou, der in der Hoffenheimer Raute die Sechser-Position innehat.

Seine beiden Augsburger Pendants, Tobias Strobl und Carlos Gruezo, konnten dem wenig entgegensetzen. Und da auch die beiden Innenverteidiger Marek Suchy und Jeffrey Gouweleeuw keinen guten Tag erwischten, klemmte es überall. "Gerade die Spieler, die dieses Jahr schon sehr gute Leistungen gezeigt haben, sind heute nicht an ihr Maximum gekommen", monierte Herrlich: "Sie haben das dieses Jahr schon besser gemacht, das war heute zu einfach."

Auch Linksverteidiger Felix Uduokhai hat in diesem Jahr schon vieles besser gemacht und tat sich am Montag schwer. Zu seiner Entschuldigung muss man allerdings wissen, dass Uduokhai auch gar kein Linksverteidiger ist. Sondern gelernter Innenverteidiger. Schon am kommenden Sonntag könnten die dortigen Stammkräfte Amaral Iago und Mads Pedersen, die fachfremd vertreten werden mussten, wieder einsatzbereit sein. Das ist eine gute Nachricht, noch besser könnte die Erkenntnis sein, dass es dann gegen Schalke 04 geht - ein Team, dem zuletzt die Offensivpower fehlte, die Hoffenheim besitzt.

Im bisherigen Saisonverlauf war ja eine stabile Abwehr das Augsburger Plus, nur zwölf Gegentreffer hatten die Schwaben bis Montag erhalten, als allein zwischen der 46. und der 50. Minute zwei weitere dazukamen. "In fünf Minuten haben wir uns das ganze Spiel kaputt gemacht", sagte Herrlich, der natürlich auch wusste, dass anderenfalls der Treffer von Daniel Caligiuri (31.) und die gute Chance von Florian Niederlechner (44.) wohl gereicht hätten, um zumindest einen Punkt mitzunehmen. Doch diesmal blieb als Lehre, dass das bislang so gut in die Saison gestartete Team Probleme bekommt, wenn die eigentliche Stärke der Mannschaft Schaden leidet: das konzentrierte Verteidigen im Kollektiv.

Geschäftsführer Michael Ströll geht die Umverteilung der Fernsehgelder nicht weit genug

Defensivstark präsentierte sich der FCA zu Wochenbeginn hingegen bei der Kommentierung der DFL-Beschlüsse zur Verteilung der Fernsehgelder. Schließlich sahen sich die Augsburger als konservativ wirtschaftendes Unternehmen, das nie mehr ausgibt als es einnimmt, in den vergangenen Wochen auch vom FC Bayern an den Pranger gestellt. Und zwar weil sie ihre eigenen Interessen zusammen mit drei weiteren Erst- und dem Gros der Zweitligisten artikuliert hatten. Dass sie zur Strafe nicht zu dem von Bayern-Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge initiierten Treffen eingeladen wurden, habe man "ehrlich gesagt nicht nachvollziehen" können, sagte der kaufmännische Geschäftsführer Michael Ströll nun in einem dpa-Interview.

Die am Montag beschlossene dezente Umverteilung hin zu finanzschwächeren Vereinen weise in die richtige Richtung, gehe aber nicht weit genug. "Jede Veränderung hin zu einer gleicheren Verteilung führt dazu, dass sich auch die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass Klein gegen Groß gewinnen kann und dadurch der Wettbewerb zwangsläufig spannender wird", sagte Ströll.

Alle Vereine seien zudem gut beraten, nicht nur an die Verteilung der schwindenden Einnahmen zu denken, sondern ihre Ausgaben zu kürzen, um "das überdrehte Rad zurückzudrehen". Dass es offenbar bislang keine Strategie gibt, wie künftig die Spielergehälter und Beraterprovisionen gedeckelt werden könnten, wundert Ströll. Eine ligaweite "Reglementierung von Ausgaben" sei dringend vonnöten. "Nur wir müssen es schnellstmöglich tun, denn seit März ist auch schon wieder Zeit vergangen und wir sind in diesem Punkt noch nicht wirklich weiter."

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: