Facholympisch (16):Der Auerbachsalto

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Die deutschen Wasserspringer sind die rühmliche Ausnahme in einer bislang schwächelnden deutschen Olympia-Expedition. Auch, weil sie starke Nerven zeigen.

Thomas Hummel

Beinahe hätten sich schon im zweiten Wettkampf alle Befürchtungen der Chinesen bestätigt. Dass sie eine der acht Goldmedaillen im Wasserspringen bei ihren Olympischen Spielen nicht gewinnen. Die Chinesen wollen in dieser Sportart alles abräumen, doch sie ängstigen sich dabei vor einem Deutschen: Sascha Klein.

Zweiter Wettbewerb der Wasserspringer, zweite Medaille: Diesmal holten Sascha Klein (l.) und Patrick Hausding Silber. (Foto: Foto: Getty)

Das Bundeswehrmitglied aus Aachen hatte im Februar beim Weltcup-Turmspringen just im Aquatic Center von Peking alle heimischen Springer besiegt. Sogar die Volkszeitung, ein Parteiorgan, widmete ihm daraufhin eine Geschichte und fragte, ob die eigenen Leute auch richtig trainieren würden.

Nun also der erste Wettbewerb, Synchronspringen vom 10-Meter-Turm. Kleins Partner Patrick Hausding, ein 19-jähriger Berliner, sollte später hadern: Hätten sie diesen einen Sprung nicht verpatzt, sie hätten die Chinesen schlagen können. Doch beim vierten von sechs Endkampf-Sprüngen, beim 3,5-fachen Rückwärtssalto, hatten beide überdreht, die Deutschen waren zwischenzeitlich auf Rang fünf zurückgefallen.

Die knifflige Aufgabe: der Auerbachsalto

Hausding hatte weit in die Halle hinein hörbar geflucht nach diesem Sprung, doch der 22-jährige Klein beruhigte den jungen Kollegen, mahnte ihn zur Konzentration. Es folgte eine knifflige Aufgabe im fünften Sprung, könnten sie diese lösen, wäre vielleicht wieder alles gut: der Auerbach.

Nach dem Brockhaus-Lexikon ist dieser Sprung nach einem Turn- und Fechtlehrer Wilhelm Auerbach benannt, wann der Herr gelebt hat, ist allerdings nicht festgehalten. Jedenfalls muss der Athlet bei diesem Versuch mit dem Gesicht nach vorne abspringen, sich aber rückwärts drehen. Die Gefahr, sich dabei den Kopf am Brett zu stoßen, ist immanent und selbst hochdekorierten Sportlern schon unterlaufen.

Sascha Klein und Patrick Hausding hatten ihre Nerven im Griff und zeigten einen famosen 3,5-fachen Auerbachsalto gehockt, auch der anschließende 2,5-fache Rückwärtssalto mit 2,5-facher Schraube, ein Sprung mit höchster Schwierigkeitsstufe, saß perfekt. Und weil die Konkurrenten Schwächen zeigten, freuten sich Klein und Hausding über Silber. "Ich konnte es erst gar nicht fassen und musste testen, ob die auch echt ist. Aber jetzt weiß ich, dass alles Realität ist", sagte Klein.

"Etwas mehr Aufmerksamkeit"

Es war das zweite Edelmetall für die deutsche Olympiamannschaft, die zweite Medaille durch die Wasserspringer. Einen Tag zuvor hatten Ditte Kotzian und Heike Fischer bereits Bronze im Synchronspringen vom 3-Meter-Brett geholt. Auch bei ihnen hatte sich die Entscheidung auf den letzten Sprung zugespitzt, auch sie bewiesen hervorragende Nerven. Kotzian und Fischer wagten zum Schluss sogar den 2,5-fachen Auerbachsalto, den Kotzian bei der Olympia-Qualifikation noch verpatzt hatte. Diesmal ging er gut, und es reichte zu Platz drei.

Die Wasserspringer haben damit nach zwei Entscheidungen schon ihr gesamtes Olympiaziel von zwei Medaillen erreicht, sie sind die rühmliche Ausnahme in einer ansonsten schwächelnden deutschen Olympia-Expedition. Und Sascha Klein will ja noch im Einzel in die chinesische Phalanx einbrechen und ihnen dieses eine Gold stehlen.

Walter Alt vom Deutschen Schwimm-Verband (DSV) hofft schon auf einen Schub für das Wasserspringen. "Es wäre schön, wenn unsere Sportart noch etwas mehr Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit bekommt. Das hätten wir verdient." Dann würden auch mehr Leute wissen, was ein Auerbachsalto ist.

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