Extremsport:Das härteste Rennen der Welt

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Teures "Vergnügen": Selbst die Teilnahme an dem vergleichsweise einfach zu markierenden Rennen durch Lappland kostet 2500 Euro. (Foto: Swedish Lapland/oh)

Robert Pollhammer aus Krün organisiert Extremsport-Wettkämpfe wie die gerade laufende Premiere des "Montane Lapland Arctic Ultra" - bei dem sich Unerschrockene zu Fuß, mit dem Rad oder auf Langlaufskiern 500 Kilometer durchs eiskalte Lappland quälen.

Von Thomas Becker

Dass Robert Pollhammer sein Geld mal mit Extremsport verdienen würde, entschied sich im Prinzip auf einem Rugbyfeld. Während des Studiums im Ausland hatte er sich in diesen herrlich robusten Sport verliebt, und so hielt er es für eine gute Idee, sein doch eher im Sitzen stattfindendes Berufsleben wieder mit ein wenig Bewegung anzureichern. Pollhammer arbeitete bei einem Reiseunternehmen in Hannover, der Klub seiner Wahl spielte Bundesliga, was über seinem Niveau war: "Dann haben's mich zu den Kids gesteckt - und auch die haben mich niedergesemmelt. Da hab' ich gemerkt: Ich bin nicht fit. Fang' ich halt an zu laufen." Und Pollhammer lief. Und lief.

Aus Marathon wurde bald Ultra-Marathon, aus Ultra-Marathon extreme Rennen aller Art: durch den Dschungel, entlang des Yukon, Hauptsache Hardcore. Dass es von da nur noch ein kleiner Schritt zum Veranstalter solcher Grausamkeiten ist, war ihm nicht bewusst, ebenso wenig wie seinen Chefs, denen er bald kündigte. Fast 20 Jahre ist das her, und so kommt es, dass sich seit ein paar Tagen knapp 40 Unerschrockene zu Fuß, mit dem Rad oder auf Langlaufskiern 185 respektive 500 Kilometer durchs eiskalte Lappland quälen, bei der Premiere des "Montane Lapland Arctic Ultra".

Wobei: So schlimm ist es mit der Kälte in und um Överkalix gar nicht. Minus zehn war die niedrigste Temperatur, die zuletzt für die schwedische Provinz Norbotten gemeldet wurde. Da sind Pollhammer und viele der Teilnehmer anderes gewöhnt: Beim Yukon Arctic Ultra, den der verhinderte Rugbyspieler aus Krün schon seit 2003 organisiert, fällt das Thermometer nachts auf minus 40 Grad. Damit muss man umgehen können, sonst wird es gefährlich, sagt Pollhammer: "Wenn die Leute Fehler machen, kann das schlecht ausgehen. Wer in die Hyperthermie gerät, ist nicht mehr zurechnungsfähig." Am Yukon hatten sie mal einen solchen Fall: "Der wäre fast gestorben, hatte Hyperthermie, es aber nicht gemerkt. Seinen Tracker zum Hilfeholen hat er nicht benutzt, ist auch noch vom Schlitten weggegangen. Als wir ihn endlich fanden, saß er am Fluss und war schon völlig apathisch."

Erfrierungen gehören zwar dazu, doch wer keine Erfahrung mit extremer Kälte hat, muss bei seinen Rennen zunächst einen Kurs machen. Dazu gehört Theorie, kostenfreie, aber verpflichtende Video-Tutorials samt Zertifikat sowie ein praktischer Teil draußen: Kocher benutzen, Schlafsystem checken. Kann der Kunde das? Oder sagt er: 'Okay, minus 30 ist doch anders als ich gedacht habe.' Ausgestiegen sei nach dem Kurs noch keiner, sagt Pollhammer, aber es gebe immer ein, zwei Kandidaten, auf die man ein Auge haben muss: "In Kanada hatte einer mal krasse Erfrierungen samt Blasen an den Händen. Im Nachhinein gab er zu, Durchblutungsprobleme an den Händen zu haben."

Wie muss man gepolt sein, um sich solchen Bedingungen aussetzen zu wollen? Und dafür noch viel Startgeld zu zahlen? Selbst die Teilnahme an dem vergleichsweise einfach zu markierenden Rennen durch Lappland kostet 2500 Euro.

Wer an der Startlinie steht? Da sei alles dabei, sagt Pollhammer, bis zum geläuterten Ex-Knacki aus Rumänien

In jungen Jahren deutet wenig darauf hin, dass der heute 48-jährige Ausdauerspezialist werden würde. Pollhammer kickt beim FC Mirskofen, schwingt den Tennisschläger bei Weiß-Blau Landshut, wird mal Zweiter bei der Stadtmeisterschaft und begräbt seine Ambitionen, nachdem er beim ersten internationalen Turnier "von ein paar Knirpsen vom Platz geschossen" wurde. Er studiert Europäische Betriebswirtschaft an der FH in Landshut und in Cambridge, landet in der Reisebranche, wird ein "eher langsamer Marathonläufer" - und sieht eine Reportage über Joey Kelly bei Iditasport, einem Wettkampf, bei dem man sich zu Fuß, mit dem Bike oder auf Langlaufskiern durch Alaskas Wildnis schlägt. Pollhammer weiß sofort: Muss ich auch machen!

Er ist Mitte 20, als er die 130-Meilen-Distanz schafft - und erfährt, dass der Organisator Hilfe sucht. Bei Pollhammer macht es Klick, kurz darauf gibt der Organisator ganz auf, und der Bayer denkt: 'Dann kann's ich auch selber machen!' Wenig später stellt er mit ein paar Locals den "Yukon Arctic Ultra" auf die Beine: von Whitehorse aus 100 bzw. 300 Meilen durch die Kälte. 25 Gleichgesinnte machen mit beim "The world's coldest and toughest": "Rocky Reifenstuhl, ein bekannter Fatbiker, meinte, ich soll das so nennen", erzählt Pollhammer, "und wenn Rocky das sagt, mach' ich das!"

Sehr viel mehr Teilnehmer sind es über die Jahre nicht geworden. Die längste Strecke am Yukon geht nun über 700 Kilometer, 38 Sportler waren zuletzt am Start: Der Aufwand, die Strecke zu markieren und für die Sicherheit der Teilnehmer zu sorgen, ist zu hoch. In Schweden, wo Pollhammer nur wegen der zuletzt am Yukon pandemiebedingt ausgefallenen Rennen gelandet ist, kann er das vorhandene Netz an Schneemobilstrecken nutzen. Maximal zehn Tage haben die Teilnehmer Zeit, das sei gut machbar, glaubt Pollhammer, wenn man nicht jeden Tag Neuschnee habe so wie gerade am Yukon: "Das ist schwierig auch für die Moral, weil die Leute ja eine Vorstellung haben, wie viel Kilometer sie am Tag schaffen - und dann bist du wie eine Schnecke unterwegs." Am Polarkreis ging es jedenfalls ganz landestypisch los: mit Nordlichtern am Abend vor dem Start.

Schier unendliche Weiten: "Wenn die Leute Fehler machen, kann das schlecht ausgehen", sagt Robert Pollhammer. (Foto: Swedish Lapland/oh)

Wer an der Startlinie steht? Da sei alles dabei, sagt Pollhammer, der den Faktor mentale Stärke auf 70 Prozent beziffert: "Die sehen nicht alle aus wie superfitte Triathleten. Gerade aus England kommen Typen, bei denen man denkt: Trainier' halt erst mal! Aber die zählen oft zu den 60 Prozent Finishern. Weil die eine Gaudi dabei haben und nicht so sehr auf die Uhr schauen." Teilnehmer aus Malaysia und eine Dame aus Vietnam seien dabei, sowie ein geläuterter Ex-Knacki aus Rumänien - und ein paar Verrückte, die erst vor ein paar Wochen am Yukon mitgelaufen sind: "Beides hintereinander", so Pollhammer, "würde ich nie empfehlen." Doch wer solche Rennen bestreitet, lässt sich eh nichts sagen.

Dass Robert Pollhammer sein Geld mal in der Kälte verdienen würde, entschied sich im Prinzip in Santarem, am Amazonas, östlich von Manaus. Ein paar Mal hat er dort den Dschungel-Marathon organisiert, an dem er zuvor teilgenommen hatte, mit Joey Kelly. Seine Frau hat er dort auch kennengelernt. Irgendwann wurde ihm Brasilien zu stressig, ein hartes Pflaster zum Organisieren, auch die Veranstalterin war etwas schwierig. Die hat nun hingeschmissen, Pollhammer könnte übernehmen. Vor zwei Jahren war er nochmal da, der Plan steht, nur einen Sponsor braucht er noch. "Im August/September ist es schon schön da: klares Wasser, Strände wie in der Karibik." Und mal nicht so zapfig wie beim Arctic Ultra.

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