European Championships:Die Königin der Spinnen

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Gruß von der Europameisterin: Weltrekordlerin Aleksandra Miroslaw aus Polen war erneut nicht zu schlagen. (Foto: Heike Feiner/Imago)

Die Speed-Variante im Klettern bietet das erwartete Spektakel, bei den Frauen gewinnt die überragende Weltrekordlerin Aleksandra Miroslaw, bei den Männern holt Danyil Boldyrev Gold.

Von Ralf Tögel

Manchmal konnte man den Eindruck gewinnen, dass die Kletterinnen in der Speed-Variante von den Sicherungsseilen, die im Gegensatz zum Lead oben an der Wand angebracht sind, hochgezogen werden. Denn die Athleten bewältigten die 15 Meter hohe Wand in einer so aberwitzigen Geschwindigkeit, dass man sich bei Trickaufnahmen zu einem Spiderman-Film wähnte. Den Weltrekord der Männer hält der Indonesier Kiromal Katibin mit unglaublichen fünf Sekunden, die Polin Aleksandra Miroslaw ist die Steilwand bei Olympia in Tokio in 6,53 Sekunden hochgeflogen. Es ist die wohl spektakulärste Kletterdisziplin, eine Show-Variante, in der es um Hundertstel geht. Spannung und Action werden zusätzlich erhöht, weil auf zwei identischen Kursen nebeneinander geklettert wird, im Finale im K.-o.-System.

Jede kleine Unachtsamkeit, jeder minimale Fehltritt auf den teilweise winzigen Bouldern - und es ist vorbei. Es muss ein motorisch perfektes Spiel aus Abstoßen und Hochziehen sein. Im Feld der Frauen gelang dies den Polinnen am besten, die nach der Qualifikation die ersten fünf Plätze belegten. Immerhin standen in der erst 16-jährigen Münchner Lokalmatadorin Anna Apel, Julia Koch und Nuria Brockfeld alle drei Deutschen im Finale. Beste wurde Brockfeld, die als einzige die zweite K.-o.-Runde erreichte, dort aber gegen Aleksandra Kalucka chancenlos war, die später vor ihrer Schwester Natalia Zweite wurde. Der Titel ging in diesen polnischen Meisterschaften erwartungsgemäß an Weltrekordlerin Miroslaw. Sebastian Lucke und Leander Carmanns erreichten im Männerfeld ebenfalls das Finale, dort war jeweils in K.-o.-Runde eins Schluss. Gold ging in einem spannenden Finale an den Ukrainer Danyil Boldyrev vor dem Polen Marcin Dzienski, der Franzose Guillaume Moro sicherte sich Bronze.

Trotz oder gerade wegen des Spektakels rümpfen viele Athleten beim Speed die Nase, auch der deutsche Topkletterer Alexander Megos, im Fels unter den Weltbesten, hält nicht viel von der Tempovariante: "Das ist eine andere Sportart." Am Königsplatz fehlten folglich sämtliche Top-Starter der beiden anderen Disziplinen. Der Grandseigneur der Kletterwelt hatte dem Speed-Klettern gar Nähe zur Tierwelt bescheinigt. Wie die Affen würden die Athleten die Wand hochklettern, spottete Reinhold Messner, wobei jeder Affe schneller wäre. Für Olympia 2024 in Paris wurde Speed im Gegensatz zu Tokio aus der Kombination genommen, die dann nur aus Bouldern und Lead besteht. Im Gegensatz zum Grantler aus Südtirol fühlten sich die Zuschauer am Königsplatz indes bestens unterhalten. In Sachen Stimmung und Begeisterung gab es jedenfalls keinen Unterschied zu den anderen Disziplinen.

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