Europacup:Fan-Blödsinn, nächster Teil

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"There's a light, over at the Frankenstein Place": Ob die Berliner Ultras an die "Rocky Horror Picture Show" dachten, als sie ihr riskantes Bengalo-Spiel in Malmö trieben? (Foto: Petter Arvidson/Imago)

Erneut fallen Deutsche in der Fremde unangenehm auf: Berliner Hooligans provozieren in Malmö fast einen Spielabbruch. Union gewinnt anschließend nach fast halbstündiger Unterbrechung in Unterzahl.

Flehentlich appellierte Pressesprecher Christian Arbeit via Stadionmikrofon an die mitgereisten Fans von Union Berlin. Ein einziger Feuerwerkskörper auf dem Rasen - und die Partie in Schweden wäre abgebrochen worden. Als Minuten später Sheraldo Becker der erlösende Führungstreffer gelang, tauchte tatsächlich noch eine Pyro-Fackel im Gästeblock auf. Doch es ging weiter - und Union sicherte sich im dritten Anlauf die ersten drei Punkte in seiner Europa-League-Geschichte.

Das sportlich so wichtige 1:0 (0:0) beim schwedischen Rekordmeister Malmö FF dürfte für den Spitzenreiter der Fußball-Bundesliga allerdings weitreichende Konsequenzen nach sich ziehen - wegen des Fehlverhaltens einiger Anhänger unter den rund 1200 Gästefans. Mehrere Feuerwerkskörper aus dem Union-Block hatten nach 57 Minuten für eine fast halbstündige Unterbrechung gesorgt, es drohte der Abbruch. "Meine Gefühlslage ist zwiegespalten", sagte Union-Präsident Dirk Zingerle bei RTL+: "Es ist nicht zu akzeptieren. Nichts und niemand hat etwas auf dem Rasen zu suchen. Das ärgert mich total, ich bin stinksauer."

Im Anschluss an die erste Bundesliga-Saisonniederlage in Frankfurt (0:2) hatten bei Union drei Coronafälle für Aufsehen gesorgt, unter anderem war Trainer Urs Fischer betroffen. Erst am Donnerstag reiste der freigetestete Schweizer nach Schweden. Nach einer verhaltenen Anfangsphase wurde Union mutiger, Janik Haberer zielte aber einen halben Meter zu hoch (37.). Kurz vor dem Halbzeitpfiff versuchte es der agile Mittelfeldspieler erneut mit einer Direktabnahme, vergeblich.

Als im zweiten Durchgang Leuchtraketen auf das Feld flogen, schickte Schiedsrichter Halil Umut Meler beide Mannschaften in die Kabine, die Sicherheitskräfte räumten langsam den Block. Minutenlang war unklar, ob wieder angepfiffen würde. Nach eindringlichen Hinweisen in Schwedisch, Englisch und Deutsch an die Fans beider Lager, dass auf den nächsten Vorfall der sofortige Abbruch folgen würde, ging es weiter. Es folgte die entscheidende Phase: Erst rettete Union-Keeper Frederik Rönnow gegen Christiansen (63.), dann schlug Becker nach einem Konter mit dem ersten Treffer in der Europa-League-Geschichte des Klubs zu (68.).

Nach langem Sprint genug Luft für den präzisen Abschluss: Sheraldo Becker erzielt das Siegtor für Union. (Foto: Matthias Koch/Imago)

Dennoch spielte der Fußball an diesem Abend nur eine Nebenrolle. Angesichts der jüngsten Auswüchse mit Fans des 1. FC Köln und von Eintracht Frankfurt rund um ihre Europacupspiele deutet sich ein unerfreulicher deutscher Trend an. "Wir verändern nur etwas, wenn wir tatsächlich die Schuldigen finden", betonte Zingler. Er werde jetzt nicht anfangen, die rund 1200 mitgereisten Fans zu verurteilen.

Zingler spielte auch darauf an, dass Malmö-Fans sich Leute aus der Hauptstadt eingeladen hätten - die Freundschaft unter Hertha und FF-Anhängern ist bekannt. Gleichzeitig hätten Union-Fans sich Leute "vom Dorf" eingeladen. Näher ging er auf diese Aussagen nicht ein. Sorgen, dass es beim Rückspiel am kommenden Donnerstag wieder zu Problemen kommen könnte im dann sicher ausverkauften Stadion An der Alten Försterei, hat Zingler nicht. "Ich glaube, dass wir mit so Lagen besser umgehen können", betonte der 58-Jährige.

Er wolle Gastgeber Malmö auch "gar keinen Vorwurf machen". Es habe ihm aber nicht gefallen, dass man unheimlich viel Freiraum gehabt habe und sich hätte bewegen können, wie man wollte. Sie seien aber gut vorbereitet auf das Rückspiel. Vor Ort blieb aber zunächst unklar, von wem die Pyros und Feuerwerkskörper überhaupt gezündet und geworfen wurden. "Beide Lager haben Pyrotechnik aufs Feld geworfen", hieß es vonseiten der Unioner, dessen Kommunikationschef nach den internationalen Durchsagen vor der Fortsetzung der Partie noch mal auf die Köpenicker Anhänger einredete.

Union gewinnt das Spiel trotz einer roten Karte gegen Schäfer

Fernsehbilder zeigten auch, dass Sicherheitskräfte Fans von den Rängen brachten, die nicht im Block der Union-Anhänger standen. Klar war, dass Schiedsrichter Halil Umut Meler aus der Türkei nach der Unterbrechung nur unter Bewährung wieder anpfiff. Entsprechend gestikulierte Becker, als nach seinem umjubelten Tor auf den Rängen erneut eine Leuchtfackel brannte.

Dass Union noch treffen würde, hatten die wenigsten Beobachter erwartet - denn die Gäste hatten kurz vor der Pause einen Dämpfer einstecken müssen, als Andras Schäfer die rote Karte sah. Die komplette Unioner Mannschaft hatte sich in der Hälfte der Schweden eingefunden, als Schäfer den Ball verstolperte und ihn unfreiwillig mit der Hacke Richtung eigenes Tor spielte. Malmös Kapitän Anders Christiansen sprintete dazwischen, Schäfer hielt ihn am Trikot, und Christiansen fiel. Der Schiedsrichter zückte die rote Karte: Schäfer hatte als letzter Mann klar eine Torchance vereitelt.

Auf dem Feld gab es ein Happy-End. Über den Rest wird die Uefa richten.

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