Erster Wettkampf:Im Sumpf

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Die Schützin Sonja Pfeilschifter sollte mal wieder die erste Medaille für Deutschland bei Olympischen Spielen holen. Doch wie schon in Athen und Sydney gab es eine Enttäuschung.

Thomas Becker, Peking

Als sich die Tschechin Katerina Emmon mit dem letzten Schuss aus ihrem Luftgewehr zur ersten Olympiasiegerin der Spiele von Peking machte, hatte Sonja Pfeilschifter schon Feierabend. Stand morgens um halb elf draußen vor der monumentalen Schießanlage an der Wuhuan-Lu-Straße und sagte, sie wolle jetzt erst mal ein bisschen Sport machen. In den Kraftraum gehen oder so. Irgendwas zum Dampf ablassen halt. Denn Sonja Pfeilschifters Morgen war nicht so gelaufen, wie sie sich das vorgestellt hatte.

"Scheiße halt." Die Favoritin im Luftgewehr-Schießen Sonja Pfeilschifter ging wieder leer aus. (Foto: Foto: dpa)

Die mehrfache Weltmeisterin, Führende der Weltrangliste und amtierende Weltrekordlerin war in der Disziplin zehn Meter Luftgewehr schon im Vorkampf ausgeschieden. Rang zwölf. Nur die ersten acht qualifizieren sich für das Finale. Die deutschen Reporter mussten lange warten, bis sie aus der Halle kam. Die nicht ganz ernst gemeinte Bitte eines Journalisten, die Kollegin Pfeilschifter doch nach draußen zu bitten, beschied ihre Zimmerkollegin Susanne Kiermayer in ihrer sehr bayerischen Art eher abschlägig: "Und du kannst mir beide Schuhe aufblasen."

Das Kreuz mit Olympia

Es ist ein Kreuz mit diesem Olympia, wird sich Sonja Pfeilschifter denken. Die Schützen sind immer als erste dran, Pfeilschifter zählte auch bei den Spielen in Athen und Sydney zu den Favoriten - und ist damit im deutschen Team stets Medaillenhoffnung Nummer 1. Gleich zu Beginn eine Medaille: Natürlich wäre das prima. Und natürlich bekommt Pfeilschifter das auch allerorten zu hören - was belastend ist für einen Athleten, dessen Wettkampf sich "zu 95 Prozent" (Pfeilschifter) im Kopf abspielt. Ihre bisherigen Olympiaplatzierungen: Rang sechs in Athen, Rang fünf in Sydney. Nun also Platz zwölf. Punkte-Durchschnitt: 9,9. Genau so viel wie die Achtplazierte. Bei Gleichstand gibt das so genannte Ausschießen den Ausschlag, und da sah es bei der Deutschen nicht gut aus. Ihre Trefferfolge: 100, 100, 98, 98. Die Konkurrentin auf Rang acht schoss 99, 99, 98, 100 - und war somit ringgleich, aber trotzdem besser.

Ein denkbar bitterer Auftakt für die Sportsoldatin aus Cham im Bayerischen Wald. "Nicht ganz so gut" gehe es ihr, sagte sie hinterher, um sehr ehrlich hinterherzuschieben: "Scheiße halt." Dabei fühlte sie sich "vorbereitet für den Wettkampf, eigentlich". "Ich hätte nach 20 Schuss nicht gedacht, dass ich heute noch vier Neuner schieße. Ich hatte das Gefühl: Das kann heute nicht danebengehen." Es ging daneben. "Minimalfehler", sagt sie, die Schützen nennen das Verschauen. "Zuerst hab ich gedacht: Eine Neun - das kann passieren. Bei der zweiten Neun: Okay, aber jetzt musst du schon mit 100 ausschießen." Das hat nicht mehr geklappt. Zum Ende hin kam sie wie so oft etwas in Zeitnot, "hat die Couragiertheit abgelegt", analysiert Sportdirektor Heiner Gabelmann, "und das darf nicht passieren". Pfeilschifters Olympia-Wettkämpfe könne man "deckungsgleich übereinanderlegen", sagte der etwas ratlose Gabelmann, und Bundestrainer Claus-Dieter Roth konnte auch nur erkennen, dass sie "bei der ersten Neun aus dem Rhythmus kam" und zudem auf die "hohe Leistungsdichte" in dieser Disziplin hinweisen.

Semi-optimistisch für den zweiten Wettkampf

Bleibt noch ihre zweite Disziplin: der Dreistellungskampf. "Da ist die Leistungsdichte nicht so hoch", sagt Pfeilschifter, "das Problem ist da eher der Smog. Wir schießen ja über 50 Meter nicht in der Halle, sondern im Freien, und das ist schon ganz schön dunstig morgens." Fünf Tage sind noch Zeit, es ist Regen gemeldet, der säubert die Luft. "Ich glaube eigentlich dran, dass da was geht", sagt der Bundestrainer eher semi-optimistisch. Der Sportdirektor glaubt, "dass sie sich aus dem Sumpf ziehen kann". Kollegin Barbara Lechner, die nicht über Platz 17 hinaus kam, weiß, dass "die Sonja das wegschieben kann, sie kapselt sich sehr ab, redet ganz ganz wenig".

Susanne Kiermayer kennt das schon. Sie teilt schon viele Jahre lang das Zimmer mit Sonja Pfeilschifter. Sie wird sie in Ruhe lassen, ihr höchstens zuraten, in den Kraftraum zu gehen. Vielleicht gibt's dort ja auch Boxhandschuhe und ein paar Sandsäcke. Es gibt jede Menge Dampf abzulassen.

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