ERC Ingolstadt:Am Elefanten verschluckt

Lesezeit: 3 min

Plötzlich ausgerutscht: Am Sonntag verloren die Ingolstädter (weiße Trikots) mit 2:4 in Köln – die Rheinländer verkürzten im Viertelfinale auf 2:3. (Foto: Marcel Kusch/dpa)

Der ERC Ingolstadt strebt zum ersten Mal seit 2015 wieder ins Halbfinale der Eishockey-Playoffs. Es fehlt nur noch ein Sieg gegen die Kölner.

Von Ulrich Hartmann

Der Kanadier Daniel Lacroix sprach nicht als Verfechter der Slow-Food-Bewegung, als er dem Kölner Eishockey-Publikum jüngst erklärte, wie man einen dicken Brocken verputzt. Stück für Stück, Spiel für Spiel - so lautet sein Ansatz für die Playoff-Serie seiner Kölner Haie gegen den ERC Ingolstadt. Lacroix sagte: "Wie isst man einen Elefanten? Bissen für Bissen!"

Nun fragt man sich Zweierlei: Erstens, essen sie in Kanada wirklich Elefanten, und zweitens, warum haben sich die Kölner trotz des eindringlichen Rats ihres Trainers gleich am ersten Bissen daheim gegen Ingolstadt (2:6) verschluckt? Dieser Auftakt-Pleite laufen die Rheinländer seitdem hinterher, ihr 4:2-Sieg am Sonntagabend im fünften Spiel bedeutete allenfalls, dass sie in der Viertelfinalserie auf 2:3 verkürzten. Ingolstadt liegt weiter vorne und hat am kommenden Freitag im eigenen Stadion die Chance, erstmals seit drei Jahren wieder ins Halbfinale einzuziehen.

Im Gegensatz zum Slow-Food-Experten Lacroix geht seinem kanadischen Landsmann Doug Shedden als Trainer von Ingolstadt aber alles viel zu langsam. Bis zum sechsten Spiel sind vier Tage frei. Die Serie insgesamt zieht sich im Maximalfall über fast drei Wochen. "Bekloppt", findet das Shedden. Normalerweise spielt man Playoffs ja alle zwei, drei Tage. "Jetzt", spottet er, "kannst du dir im ersten Spiel ein Bein brechen und bist im siebten wieder dabei." Aber zu einem siebten Spiel wollen es die Ingolstädter sowieso nicht kommen lassen, auch wenn sich bei ihnen niemand von einem Bruch erholt. Vor allem Thomas Greilinger will am kommenden Sonntag nicht noch einmal nach Köln. Er hat sich innerlich schon verabschiedet von jener Kabine, in der er am 29. April 2014 den größten Erfolg seiner Karriere gefeiert hat. An jenem Tag gewann Ingolstadt das siebte Spiel der Finalserie in Köln und wurde deutscher Meister. Greilinger, neben Torwart Timo Pielmeier einzig verbliebener Ingolstädter Spieler seit diesem Triumph vor fünf Jahren, hofft, dass er am Sonntag letztmals in dieser Kabine war. Er beendet nach dieser Saison seine DEL-Karriere und kehrt heim nach Deggendorf. Sollte sein ERC am kommenden Freitag daheim verlieren, so müsste man am Sonntag noch einmal nach Köln, noch einmal in diese Kabine voller schöner Erinnerungen. Sollte dann auch Spiel sieben des Viertelfinals gar noch verloren gehen, bekäme diese himmlische Kabine für Greilinger ein paar teuflische Kratzer.

"Mindestens auf Augenhöhe" sieht sich Kölns Kapitän mit dem ERC

Dieserart will der 37-Jährige seine elf Jahre in Ingolstadt nicht beenden. Schließlich hat der ERC nach vier Spielen schon 3:1 geführt gegen Köln, und eine 3:1-Führung hat in der Geschichte der Deutschen Eishockey-Liga erst ein einziges Mal eine Mannschaft noch hergegeben: 2008 die Iserlohn Roosters gegen die Frankfurt Lions.

Wenn es nach Kölns Kapitän Moritz Müller geht, dann wird es solch eine Wende nun aber zum zweiten Mal geben. "Mindestens auf Augenhöhe", sieht er seine Kölner mit jenen Ingolstädtern, gegen die sie von den bislang insgesamt neun Duellen in dieser Saison aber bloß drei gewonnen haben. "Es liegt mehr an uns als am Gegner, ob wir in dieser Serie weiterkommen", behauptet Müller. Aus seinen Worten klingt das ausgeprägte Kölner Selbstwertgefühl, das auch in nahezu allen Mundart-Liedern thematisiert wird, die sie in den Spielunterbrechungen immer wieder laut aufdrehen. ERC-Trainer Shedden kann diese Liedtexte zum Glück nicht verstehen. Er hätte am Sonntag aber vermutlich sowieso nicht darauf geachtet, denn ihm hat von den drei Dritteln in Köln nur das mittlere gefallen, in den beiden anderen, grantelte er hinterher, habe man "ein paar Passagiere" mit durchschleifen müssen. So nennt er Spieler, die nicht am Limit agieren. Namen hat er sich erspart, aber die Pappenheimer werden wissen, dass der Coach sie am kommenden Freitag besonders beobachtet. So, warnt Shedden, werde es schwierig mit dem Einzug ins Halbfinale. Und diesen sehnen sie ja herbei seit ihren beiden Finalteilnahmen 2014 gegen Köln (Triumph) und 2015 gegen Mannheim (Tränen). Danach sind sie zwei Mal in den Pre-Playoffs gescheitert und ein Mal im Viertelfinale und jetzt sind sie dicht davor, es endlich mal wieder unter die besten Vier zu schaffen. Der Elefant, der verspeist werden sollte, will zurückbeißen.

© SZ vom 26.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: