England:Ende der Lethargie

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Die Klubs der Premier League dominieren die Champions League - auch weil auf der Insel inzwischen ein Fußball zelebriert wird, der nicht mehr typisch englisch wirkt. Das hat viel mit Pep Guardiola und Jürgen Klopp zu tun.

Von Sven Haist, London

Aus dem fernen Japan schickte Frank Lampard vor ein paar Tagen eine Nachricht an den englischen Fußball. Die Botschaft des ehemaligen Mittelfeldspielers, der mit dem FC Chelsea im Mai 2012 in München gegen den FC Bayern die Champions League gewann, hätte den Spitzenvereinen eigentlich schmeicheln müssen, stattdessen versendeten sich die Aussagen in den Weiten des Internets. Bei einer Veranstaltung in der britischen Botschaft in Tokio sagte Lampard: "Mich begeistert, dass alle fünf englischen Mannschaften sehr gute Leistungen abliefern in der Gruppenphase der Champions League."

Nach fünf von sechs Spieltagen weist der Zwischenstand die englischen Vereine jeweils als Tabellenführer ihrer Gruppen aus, mit Manchester City, Tottenham Hotspur und dem FC Chelsea haben bereits drei Vereine schon das Achtelfinale erreicht. Dafür fehlen Manchester United und dem FC Liverpool bloß ein Punkt in den abschließenden Duellen. In 25 Partien erspielten die Teams in der Vorrunde gemeinsam den besten englischen Punkteschnitt im vergangenen Jahrzehnt. Selbst in der Saison 2007/08, als es zwischen Manchester United und Chelsea (6:5 n.E.) zum bislang einzigen innerbritischen Finale in der Champions League gekommen war, ließ sich die Dominanz in der Frühphase des Wettbewerbs noch nicht erkennen.

Lampard schwärmt

Dieser damaligen Hochphase folgte wie in der Wirtschaft eine Rezession, die sich im abnehmenden Einfluss der englischen Klubs im Europapokal spiegelte. Durch zwei weitere Finalteilnahmen von ManUnited sowie Chelseas Triumph in der Königsklasse und ein Jahr später in der Europa League hielten vereinzelte Erfolge an, die kollektive Überlegenheit in Europa nahm jedoch ab. "Manchmal gibt es Zyklen im Fußball. Die vergangenen Jahre haben es nicht gut gemeint mit den Klubs, aber jetzt lässt sich das Aufkommen ihrer Stärke beobachten", sagt Lampard.

Vor dieser Expansion erlebte der Inselfußball in den zurückliegenden fünf Spielzeiten eine regelrechte Depression. In dieser Zeitspanne erreichten bloß zwei Vereine das Halbfinale, einmal schaffte es gleich gar kein Klub ins Viertelfinale der Champions League. Während in anderen Ländern umgehend die Panik über die fehlende Wettbewerbsfähigkeit ausgebrochen wäre, beschäftigen die Ergebnisse aus dem internationalen Vergleich die Menschen in England nur geringfügig. Sie wissen, dass ihre Lieblingsvereine, im Gegensatz zu den deutschen Klubs etwa, das Geld sowieso auf dem heimischen Markt verdienen. Für die Bevölkerung zählt deshalb, dass die Premier League ihre Attraktivität beibehält - und somit genug Fernseheinnahmen für alle Klubs abwirft.

Als Erklärung für die jüngsten Leistungen dient das Ende der Lethargie in der Premier League. Mit der Ankunft des Welttrainers Pep Guardiola bei Manchester City im Sommer 2016 hat sich ein neuer Wettstreit entfacht, der die Topvereine zur Anpassung zwingt. Die auf Dominanz ausgerichtete Spielweise bei ManCity hat die Denkweise in England überholt, wonach ein Spiel zwingend unorganisiert, physisch und eher defensiv ausgelegt sein muss. Wer mit dem neureichen Spitzenreiter konkurrieren möchte, muss die eigene Entwicklung aktiv vorantreiben. Durch das Aufkommen des FC Liverpool und Tottenham Hotspur mit ihren renommierten Trainern Jürgen Klopp und Mauricio Pochettino hat sich die Anzahl der Meisterschaftskandidaten erhöht.

Jürgen Klopps FC Liverpool hat am Samstag den Sieg gegen Meister FC Chelsea nur knapp verpasst. Der Ägypter Mohamed Salah brachte Liverpool in der 65. Minuten in Führung. Der Brasilianer Willian glich fünf Minuten vor dem Ende aus. Liverpool ist Fünfter, Chelsea Dritter.

Die Zuspitzung in der Premier League sorgt für einen gewissenhafteren Umgang bei den Klubs mit ihrer finanziellen Überlegenheit. In diesem Sommer gaben die 20 Erstligisten zusammen ungefähr anderthalb Milliarden Euro für neue Spieler aus. Früher verpufften die Investitionen meist, weil sie wenig zielgerichtet getätigt wurden. Die Entscheidungsgewalt über die Zusammenstellung des Kaders lag häufig ausschließlich bei den Trainern - oder die Eigentümer mischten sich gar ein in die sportliche Ausrichtung.

Mehr als ein Symbol: Arsenal holt Dortmunder Kaderplaner

Mittlerweile hat bei den Klubverantwortlichen jedoch ein Umdenken eingesetzt, das Geld auch zur Verbesserung der Vereinsstruktur anzuwenden und sich nach qualitativ hochwertigen Führungskräften zu erkundigen. Das offensichtlichste Beispiel ist die frische Verpflichtung des Dortmunder Kaderplaners Sven Mislintat beim FC Arsenal. Nach deutschem Vorbild soll Mislintat die Spieler-und Talentsichtung der Gunners der Modernität anpassen. Oft verklären die sündteuren Trainingsakademien in England nämlich den Blick auf den wahren Zustand der einzelnen Abteilungen, die vorwiegend hierarchisch und anonym geführt werden. Auch deswegen leisten sich die ersten Vereine nun einen Sportdirektor.

Sofern die Offenheit auf der Insel für personelle Neuerungen aus dem Ausland anhält, dürften die englischen Vereine in den kommenden Jahren wieder vermehrt bis zum Ende in den internationalen Wettbewerben vertreten sein. "Schwer zu prophezeien, welches Team letztlich die besten Chancen auf den Titel hat", sagt Lampard. "Aktuell müsste man sagen: Manchester City."

© SZ vom 26.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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