"Entschuldigen Sie, ich muss durch die Sicherheitskontrolle, sonst verpass ich noch meinen Flug. Rufen Sie einfach in drei Minuten nochmal an." Patrick Hausding nimmt sich am Berliner Flughafen noch kurz vor dem Abflug zur Europameisterschaft der Wasserspringer in Turin die Zeit für ein Interview. Die Erklärung: "Ich bin froh über die Aufmerksamkeit, weil Wasserspringen eine Sportart am Existenzminimum ist."
Hausding, der am Mittwoch 22 Jahre alt wird, mit seinen kurzen Haaren und seinem stoppelfreien Gesicht aber jünger aussieht, ist der bekannteste deutsche Wasserspringer. Wobei Bekanntheit in diesem Sport nicht viel heißt. Hausding gewann bei der EM im vergangenen Jahr in allen fünf Disziplinen eine Medaille - das war zuvor noch keinem Springer bei einer EM oder WM gelungen. "Ich bin sehr stolz auf meine Leistung. Es gab viel Post und es ist auch schön, dass man für seine Leistung belohnt wird", sagt der Berliner.
Die Belohnung bestand vor allem aus Ehrungen: Unter anderem wurde Hausding als Berliner Sportler des Jahres 2010, Weltspringer 2010 - trotz der chinesischen Superspringer - und vergangenen Mittwoch auch noch als Berliner Aufsteiger des Jahres ausgezeichnet. Damit verbunden: 10.000 Euro. " Ein Riesenbatzen Geld. Der wird für die Zeit nach der Karriere dann irgendwo hingelegt." In Sachen Sponsoren hat sich für den Sportsoldaten trotz des EM-Erfolges bisher nichts getan.
Dabei ist Hausding ein besonderer Wasserspringer, er kann sowohl Turm- als auch Kunstspringen. Zum Kunstspringen gehört das Ein- und Dreimeter-Brett, Turmspringen fängt danach an. Normalerweise ist schon der Körperbau ein Ausschlusskriterium. Turmspringer sind klein und schlank, Kunstspringer eher groß und muskulös. Hausding liegt mit 1,80 Meter genau dazwischen."Manche Springer haben aber auch Höhenangst. Das ist dann für den Turm eher ungünstig", sagt Hausding, dem vor allem sein katzenhafter Orientierungssinn in der Luft zu Gute kommt. "Er weiß immer wo oben und unten ist und kann sich in der Luft orientieren", sagt Lutz Buschkow, Sportdirektor und Sprung-Cheftrainer des Deutschen Schwimmverbandes (DSV).
Egal aus welcher Höhe man eine Katze rauswirft, kommt auch sie immer mit den Pfoten zuerst auf. In der Fachsprache heißt das: Hausding hat ein gutes Raum-Lage-Verhältnis. Aber nicht nur das zeichnet ihn aus. Vor dem Absprung blickt er starr vor sich aufs Brett, ruht kurz in sich und schellt dann plötzlich in die Höhe. Durch seine enorme Sprungstärke gleicht er Nachteile bei der Rotationsgeschwindigkeit aus.
Steffen Deibler holt Bronze im Schmetterling, Paul Biedermann beißt in seine Goldmedaille, Weltrekordler Ryan Lochte trägt immer noch grüne Schuhe. Die Kurzbahn-WM in Dubai.
Zu einem großen Sportler gehören neben den sportlichen Leistungen aber entsprechende Charakterzüge. "Er ist sehr bodenständig, redegewandt und eine Vorzeigefigur" beschreibt DSV-Trainer Buschkow: "Dazu ist er immer sportlich fair. Das ist ihm wichtig." Als sein Synchronpartner Sascha Klein bei der EM 2010 im 10-Meter-Einzel Gold gewann und ihn vom ersten Platz verdrängte, jubelte Hausding ausgelassen.
Beim Berliner TSV betreut ihn Trainer Jan Kretzschmar schon seit zwölf Jahren und weiß was ihn auszeichnet: "Bei anderen zittere ich unten schon einmal wenn sie unter Druck geraten. Pätty aber kann immer noch etwas heraus kitzeln ohne nervös zu werden." Hausding selbst ahnt woher seine Nervenstärke kommt: "Mit der Erfahrung kommt die Lässigkeit."
Patrick Hausding sagt von sich, er sei schon immer ein eher lässiger Typ gewesen. In der Jugend war er noch oft übermütig und leichtsinnig. Mit 13 zog er sich beim Trampolinspringen eine Ellenbogenfraktur zu, mit 14 brach er sich auf dem Sprungbrett die Hand. "Ich war früher ein bisschen verrückt, aber das legt sich ja", sagt Hausding. Seine Trainer beschreiben ihn als unkompliziert und lustig, keiner verliert ein schlechtes Wort über ihn. Jeden Tag komme Hausding mit guter Laune zum Training: "Er ist ein Humortyp, der für gute Stimmung sorgt", sagt Kretzschmar. Hausding selbst sagt: "Ich streng mich an, lustig zu sein. Humor schadet ja nicht."
Bei den Deutschen Meisterschaften verpasste Hausding durch einen Sprungfehler im 3-Meter-Einzel eine Medaille. Für die EM fordert Kretzschmar: "Er muss zeigen was Sache ist." Hausding selbst geht die Wettkämpfe zurückhaltender an: "Ich will um den Titel mitspringen. Wichtiger sind aber die Olympiaplätze."
Die jeweiligen Einzelsieger vom 3-Meter-Brett und vom Turm bescheren ihrem Heimatland zwei Quotenplätze für Olympia 2012. Olympia ist sowieso das langfristige Ziel für Hausding. Mit Sascha Klein will er beim 10-Meter-Synchronspringen die Silbermedaille von Peking bestätigen. Aber: "Erst einmal gilt es, sich für Olympia zu qualifizieren." Mit Humor und Lässigkeit natürlich.