Fußball-EM:England kommt rechtzeitig im Turnier an

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Raheem Sterling (l.) und Jack Grealish: Torschütze und Dribbler des Abends (Foto: Matt Dunham/AFP)

Dank des Treffers von Raheem Sterling gewinnt das englische Team gegen Tschechien und darf auch das Achtelfinale in London bestreiten - der Gegner dort kommt aus der deutschen Gruppe.

Von Sven Haist, London

Leichtfüßig und geschmeidig, also mit genau den Attributen, die England bislang bei dieser EM gefehlt hatten, setzte sich Jack Grealish im Strafraum durch und leitete mit seiner gefühlvollen Flanke das erlösende Siegtor für England im letzten Vorrundenspiel gegen Tschechien ein. Tagelang hatten Fans und Medien auf der Insel lautstark gefordert, dass Nationaltrainer Gareth Southgate den bei Aston Villa auf der linken Offensivseite angestellten Grealish endlich für die Startelf nominieren solle. Diesem Anliegen kam Southgate am Dienstagabend nun nach - und tat sich damit selbst einen großen Gefallen.

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Revitalisiert durch die feinen Bewegungen des Dribbelkünstlers Grealish, hat sich England doch noch rechtzeitig im Turnier akklimatisiert. Speziell nach dem trostlosen Remis im Inselduell mit Schottland erwartete die Nation eine Leistungssteigerung des Teams, die Anlass zur Hoffnung bietet, bis zum Finale am 11. Juli im Wembley bei der EM verbleiben zu können. Durch das 1:0 (1:0) über Tschechien beendet England die Gruppe D auf dem ersten Platz und hat dadurch auch im Achtelfinale am kommenden Dienstag ein Heimspiel - im Wembley-Stadion treffen die Three Lions auf den Zweiten der Gruppe F, voraussichtlich ist das entweder Weltmeister Frankreich, Europameister Portugal oder Deutschland. Sofern es auf einen Schlagabtausch mit den Deutschen hinauslaufen würde, käme es nach 25 Jahren genau im selben Stadion zu einer Neuauflage des deutsch-englischen Fußballklassikers. Damals begegneten sich beide Nationen im EM-Halbfinale. In einem dramatischen sowie unvergessenen Spiel setzte sich der spätere Titelträger Deutschland im Elfmeterschießen durch, den entscheidenden Strafstoß vergab Gareth Southgate für die Engländer.

Mit einem beweglichen und spielfreudigen Auftritt gegen die bis vor Anpfiff punktgleichen Tschechen versuchte England direkt deutlich zu machen, sich nicht auf das Pokerspiel einlassen zu wollen, die eigene Gruppe eventuell hinter Tschechien zu beenden, um ins vermeintlich weniger anspruchsvolle Turniertableau zu rutschen.

Keine Experimente: Trainer Southgate vertraut dem Gros seines Startpersonals

Ohnehin mussten sich die Three Lions erst mal wieder selbst in Form spielen, nachdem das Team zuletzt aus dem Tritt geraten war. Die Times schrieb, dass die ohnehin schon kaum zu bewältigende Tätigkeit des englischen Nationaltrainers für Southgate noch mal schwieriger geworden sei, weil "sein Kredit" im Land zur Neige gehe. Nach der Heimniederlage gegen Dänemark in der Nations League im Oktober kam es bereits zu einer hitzigen, nie veröffentlichten Unterredung, in der ihn die wenig zimperliche Inselpresse "der Feigheit" beschuldigte. In viereinhalb Jahren musste Southgate stets den Spagat meistern zwischen der Erwartung des Landes nach erfrischendem Offensivfußball und seiner persönlichen Affinität zu einer stabilen Defensive - und der glückte ihm nicht immer zur Zufriedenheit der Bevölkerung.

Wie abwägend der ehemalige Abwehrspieler bei der Personalauswahl vorgeht, veranschaulichte sich an Phil Foden, den er aus dem Kader nahm, aus Sorge, er würde bei einer weiteren gelben Karte in der nächsten Runde fehlen. Diese Weitsicht half ihm jedoch ebenfalls zu nun 57 Länderspielen für England (so viele wie als Spieler); eine Marke, die vor ihm nur Sven-Göran Erikson (67), Bobby Robson (95), Weltmeistercoach Alf Ramsey (113) und Walter Winterbottom (139) passiert hatten. Lediglich Southgate gelang es dabei in der England-Historie in beiden Rollen auf mehr als 50 Länderspiele zu kommen.

Mount und Chilwell müssen in Quarantäne - wegen Kontakts mit einem schottischen Gegner

In seiner Jubiläumspartie hielt Southgate an der gewohnten 4-3-3-Formation fest und vertraute bis auf einige unvermeidliche Veränderungen auch dem Gros seines Startpersonals. Durch den kurzfristigen Ausfall des umtriebigen Mason Mount wurde ein Platz für Vorlagengeber Grealish im Team frei. Wie Teamkollege Ben Chilwell vom FC Chelsea musste sich Mount in Quarantäne begeben nach einem knapp halbstündigen Gespräch am Freitag im Kabinengang mit dem dann später positiv auf Corona getesteten Schotten Billy Gilmour. Obwohl die Tests der beiden Engländer negativ ausgefallen waren, ordnete die Behörde Public Health England nach einer Anhörung des Verbands an, dass sich Mount und Chilwell für zehn Tage bis nächsten Montag isolieren sollen. Diese Entscheidung sorgte für Empörung. Am lautesten schimpfte Chelseas Technischer Direktor Petr Cech, der die Maßnahme als "unbegreiflich" bezeichnete, weil gleichzeitig Gilmours Teamkollegen alle für Schottland im Parallelspiel gegen Kroatien mitwirken durften.

Zu Lasten des Spielflusses ging Mounts Abwesenheit jedoch nicht, weil ihn Grealish glänzend vertrat. Abgesichert von den seriösen Abräumern Declan Rice und Kalvin Phillips sowie flankiert durch die explosiven Raheem Sterling und - einzige Überraschung! - dem 19-jährigen Bukayo Saka (FC Arsenal). Der bei Borussia Dortmund angestellte Jadon Sancho saß erneut nur auf der Bank, bevor er kurz vor Spielende erstmals bei dieser EM zum Einsatz kam (84.). Nach zwölf Minuten zahlte sich diese Kombination aus, als Saka nach der Hereingabe von Grealish den Raum für Sterling im Strafraum zum Siegtor freisperrte. Unmittelbar nach Anpfiff setzte Sterling den Ball bereits an den Pfosten.

Durch den frühen Rückstand waren die körperbetont agierenden Tschechen gezwungen, sich aus der eigenen Spielhälfte zu wagen. Für Torgefahr sorgte das Team um Trainer Jaroslav Silhavy vor allem nach Standards. Die Engländer wurden dagegen nach Kontern gefährlich, auch der bemühte Kapitän Harry Kane kam zum Abschluss, ohne dass ihm jedoch der erhoffte erste Turniertreffer dabei geglückt wäre. In seinen vergangenen zwölf Einsätzen erzielte Englands treffsicherster Angreifer lediglich zwei Tore.

Auch nach der Halbzeitpause ließ die Partie weiter die übliche Intensität vermissen, was darauf zurückzuführen gewesen sein dürfte, dass beide Nationen vorab schon fürs Achtelfinale qualifiziert waren. Für den meisten Unterhaltungswert sorgten daher die Einblendungen der Zwischenstände aus Glasgow, die zunächst das 2:1, dann das 3:1 für Kroatien im Duell mit den in England zutiefst ungeliebten Schotten vermeldeten. Diesen Jubelausbruch toppte gegen Spielende nur eine Szene - die Auswechslung des frenetisch gefeierten Jack Grealish.

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