Eisschnelllauf:Die Ära dauert wenige Wochen

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Kaum da, schon wieder weg: Die ehemalige Weltmeisterin Jenny Wolf, 41, hier bei einer Pressekonferenz im September, will nicht länger Bundestrainerin sein. (Foto: Matthias Koch/Imago)

Die frühere Weltmeisterin Jenny Wolf tritt als Bundestrainerin der Eisschnellläufer zurück - ausschlaggebend ist offenbar der harte Kurs der Verbandsführung.

Von Barbara Klimke, München

Die Zeit bescheidener Vorgaben ist vorbei bei den Eisschnellläufern. Seit Matthias Große den deutschen Verband DESG übernahm, wird nicht an die nächsten Olympischen Winterspiele, sondern schon an die übernächsten gedacht. "Wir haben das Ziel, 2026 erfolgreich zu sein", erklärte Große bei seiner Wahl zum Präsidenten im September programmatisch. Sein gesamtes neues "Trainersystem" sei "auf 2026 ausgerichtet": Dann zitierte er ein Bonmot des obersten Sportchefs Deutschlands, des DOSB-Präsidenten Alfons Hörmann. Dieser habe als Gast der Mitgliederversammlung zur Freude aller die Olympiaentscheidung 2026 quasi vorweggenommen: "Holland muss sich fürchten!"

Eine epochemachende Entscheidung also sollte die Ernennung von Jenny Wolf, der fünfmaligen Sprint-Weltmeisterin, zur Bundestrainerin der Eisschnellläufer und gleichzeitig zur Vorsitzenden einer neu geschaffenen Trainerkommission sein. Eine Personalie, um die einst ruhmreiche, inzwischen erfolgsarme Sportart perspektivisch wieder auf eine Höhe mit der Kufen-Weltmacht Niederlande zu heben. Gedauert hat diese neue Ära, die am 24. September begann, nur wenige Wochen: Am Freitag hat Jenny Wolf, 41, ihren Rücktritt erklärt. Sie hat nicht einmal mit ihren Kaderläufern auf dem Eis gestanden.

Jenny Wolf war Großes "Wunschkandidatin", wie er selbst erklärte: die Königin in seiner Personalrochade, die damit begann, dass er im Sommer, als kommissarischer Präsident, den damaligen Bundestrainer Eric Bouwman feuerte. Dieser hatte mit Großes Lebensgefährtin Claudia Pechstein über Kreuz gelegen.

Jenny Wolf hingegen geht aus freien Stücken. Was sie zur Aufgabe bewog, hat sie nur in Andeutungen erklärt. "Ich hatte mir die Strukturänderungen anders vorgestellt. Darum habe ich das Präsidium gebeten, meine neue Tätigkeit als DESG-Bundestrainerin nach dem 31. Dezember 2020 nicht fortzuführen", wird sie in einer Mitteilung des Verbandes zitiert. Alle weiteren Anfragen seien an das Präsidium zu stellen, teilte sie am Wochenende mit. Der Pressesprecher wiederum verwies auf die Verbandsverlautbarung und darauf, dass DESG-Chef Große kommenden Freitag ein "Zwischenfazit" ziehen werde. Klar ist vor allem eines: dass die Diplomtrainerin Jenny Wolf, die bis Sommer Bundestrainerin für Wissenschaft und Fortbildung war, in kürzester Zeit die Motivation verlor.

Hinweise dafür finden sich auf ihrer Homepage. Dort spricht sie von "vielfältigen und mehrschichtigen" Gründen und zitiert eine Äußerung Großes, mit der er ihren Rücktritt bedauernd kommentierte: "Der von uns eingeschlagene, sehr harte und geradlinige Kurs ist alternativlos." An dieser Kompromisslosigkeit hat Jenny Wolf offenbar Anstoß genommen. "Letztendlich ausschlaggebend für meine Entscheidung", schreibt sie, "war der ,alternativlos[e]' ,sehr harte und geradlinige Kurs' der neuen Verbandsführung und die damit verbundenen Strukturänderungen".

Aufgefallen ist Experten auch, dass vom Konzept der Trainerkommission noch nichts bekannt wurde. Dabei ist diese hochkarätig besetzt mit Olympiasiegerin Gunda Niemann-Stirnemann, Andreas Behr (beide Erfurt), Andreas Kraus (Inzell), Uwe Hüttenrauch (Berlin), André Hoffmann (Dresden) und Tony Seidenglanz (Chemnitz). Auch sind wichtige Personalien offen. Ob die auslaufenden Verträge mit Sprint-Bundestrainer Danny Leger sowie Junioren-Bundestrainer Daan Rottier verlängert werden, hat die DESG auf Nachfrage nicht beantwortet; verwiesen wurde auf Großes Statement am kommenden Freitag.

Seit das neue Präsidium im Amt ist, wurde der Verband gründlich umgebaut, was weitreichende Folgen auch für die Aktiven hat. Dass nun der zweite Bundestrainer binnen weniger Monate abtritt, trägt nicht zur einem Gefühl der Sicherheit bei, sagt Athletensprecher Moritz Geisreiter: "Wenn dann auch der Kopf der Trainerkommission fehlt, bedeutet das für die Athleten, dass banale Strukturfragen nicht geklärt sind. Nämlich: Welcher Trainer betreut in welcher Disziplin welchen Sportler?" Für die Athleten sei es demotivierend, wenn sie nicht wissen, wer sie im vorolympischen Jahr begleite. "Gerade in der Unsicherheit einer Pandemie", so Geisreiter, "ist es eine Aufgabe des Präsidiums, für Struktur und Stabilität zu sorgen."

Von einigen werden die Umbrüche als belastend, sogar als leistungsmindernd empfunden: "Wir könnten alle schneller laufen, wenn wir uns im Kopf nicht ständig mit diesen Dingen beschäftigen müssten", sagt ein Mitglied der Nationalmannschaft, das lieber anonym bleiben möchte.

Zumal Jenny Wolf nicht die einzige ist, die ihr neues DESG-Amt niederlegt. Auch Leon Kaufmann-Ludwig, 24, der Assistenz-Bundestrainer der deutschen Shorttracker, hat sein Engagement aufgekündigt. Kaufmann-Ludwigs neue Position wurde von Große am 2. September verkündet, am 15. September nahm er seine Arbeit auf. Weil er noch bis Jahresende Mitglied der Sportfördergruppe der Bundeswehr war, konnte er zunächst keine Vollzeitstelle, nur eine Teilzeitstelle antreten. Wie eine Vereinbarung mit der Bundeswehr aussehen könnte, teilte er nach eigenen Angaben der Generalbevollmächtigten des Präsidenten für sportfachliche Aufgaben der DESG mit. "Dann habe ich mehrere Wochen lang vergeblich versucht, die sportliche Führung der DESG zu erreichen, ich wollte wissen, wie es um den Arbeitsvertrag und die Vergütung steht." Auch eine E-Mail ans Präsidium sowie der Weg über den zuständigen Vizepräsidenten hätten nicht zum Erfolg geführt. "Ich habe drei Monate ohne Vertrag und ohne Bezahlung gearbeitet und wochenlang keine Antwort erhalten. Da geht viel Vertrauen in den Verband und seine Kommunikationspolitik verloren", sagt Kaufmann-Ludwig. Das DESG-Präsidium hat auf Anfrage auch zu diesen Vorgängen auf das Statement Großes kommenden Freitag verwiesen.

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