Eiskunstlauf:Träume in Tüll

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Stilbildend: Aya Hatakawa, ganz in Schwarz. (Foto: Hafner/Nordphoto/imago images)

Aya Hatakawa, Schülerin von Olympiasiegerin Aljona Savchenko, wird mit 16 Jahren Eiskunstlaufmeisterin

Von Barbara Klimke, München

Es glitzert, wenn Aljona Savchenko ihre Schranktür öffnet. Schimmerndes Schwarz, lila, himmelblau: die gesamte Farbpalette einer langen Eiskunstlaufkarriere funkelt der Olympiasiegerin entgegen. "Ist doch schade, wenn es da nur auf Bügeln hängt", findet sie. Und so hat Aljona Savchenko einige ihrer Kostüme an ihre Schülerin vermacht, damit sie diese "tragen und darin glänzen kann". In einem kleinen schwarzen Schaulaufkleid ist Aya Hatakawa am Wochenende im Kurzprogramm der Deutschen Meisterschaft in Dortmund übers Eis gesprungen. Tags darauf wurde sie nach ihrer Kür zur Meisterin ausgerufen, in einem hellen Spitzendress aus Savchenkos 2014-er Winterspielekollektion.

Für Aya Hatakawa, 16 Jahre alt, ist es der erste große Titel nach Platz zwei in der vergangenen Saison, als sie nebenbei noch in der Juniorinnen-Konkurrenz mitlief. Wer ihren dynamischen Vortrag in der Videoübertragung der Meisterschaft beobachtete, die ohne Hallenpublikum erfolgte, der ahnt, dass sie ihrer Trainerin weit mehr als einen Traum aus Tüll verdankt. Enorme Ausdruckskraft, zum Beispiel, einwandfreie Schrittfolgen sowie "überdurchschnittliche Pirouetten", wie Reinhard Ketterer, 72, der Vizepräsident der Deutschen Eislauf-Union (DEU) feststellte, der seine Expertise aus einem halben Jahrhundert an der Bande schöpft und folgerte: "Die beiden sind eine gute Kombination."

Seit gut zwei Jahren arbeitet Aljona Savchenko, 36, mit Aya Hatakawa in Oberstdorf zusammen, sie hatte die Betreuung der talentierten Läuferin mit japanischem Namen und deutschem Pass 2018 übernommen, nach ihrem Paarlauf-Olympiagold mit Bruno Massot. Es sei ein "Genuss", so eine eifrige, begabte Sportlerin zu haben, sagte Savchenko am Sonntag am Telefon: "Manchmal muss ich sogar stoppen." Das ist ein bemerkenswerter Satz von einer sechsmaligen Weltmeisterin, die zu ihrer aktiven Zeit die vermutlich bis heute gültige globale Norm für Trainingsfleiß setzte. Zum Betreuerteam gehören noch Niko Ulanovski sowie Florian Just; Letzterer war am Wochenende an Aya Hatakawas Seite, weil Aljona Savchenko krank in Oberstdorf bleiben musste - sie hielten aber fast bis zum Einsetzen der Kürmusik per Handy Kontakt.

Gemeinsam will das Team nun die nächsten technischen Hürden in Angriff nehmen: An einer Dreifach-Dreifach-Sprungkombination wird geprobt, ebenso an Höchstschwierigkeiten wie dem Dreifach-Axel und einem Vierfachsprung - an Elementen also, die, wie Savchenko betont, dem internationalem Standard entsprechen.

Im heimischen Wettbewerb kam Aya Hatakawa, die sich gegen die zweimalige WM-Teilnehmerin Nathalie Weinzierl durchsetzte, am Wochenende noch ohne diese Kapriolen aus. Zwar fehlte die Titelverteidigerin Nicole Schott nach längerem Trainingsausfall, der den Quarantänevorgaben in Oberstdorf geschuldet war. Aber die Konkurrenz der Frauen hatte nach Ansicht von Sportdirektor Udo Dönsdorf "ansprechendes Leistungsniveau". Dagegen litten die anderen Disziplinen unter einem Mangel an Athleten: In der Meisterklasse der Männer traten nur drei Läufer an, der 17-jährige Denis Gurdzhi aus Dortmund wurde zum Meister gekürt. Die Eistänzer Katharina Müller und Tim Dieck, die glänzende Programme zeigten, mussten ihren Titel ohne Rivalen im Alleingang verteidigen. Und die Paarlauf-Konkurrenz - das Metier, das Savchenko jahrelang dominiert hatte - fiel sogar ganz aus.

"Bedauerlich" fand Dönsdorf dieses Mini-Aufgebot, zumal es zum Teil dem Berliner Eissport-Verband zuzuschreiben war, der drei Tage vor Veranstaltungsbeginn allen Berliner Athleten aus gesundheitlicher Fürsorge in der Corona-Pandemie überraschend das Startrecht entzog. So durfte etwa der EM-Achte Paul Fentz seinen Titel nicht verteidigen. 2:1 sei die Berliner Entscheidung ausgegangen, berichtete DEU-Vize Ketterer, der mit abstimmte, aber nach eigener Auskunft "nicht zur Besorgnisfraktion" zählte. Das Dortmunder Hygienekonzept war bewährt, bereits im Wettkampf erprobt und behördlich genehmigt.

Schon abgeblasen sind wegen der Infektionslage die Europameisterschaften der Eiskunstläufer im Januar 2021 in Zagreb. Wann Aya Hatakawa das nächste Mal in Savchenkos Schaulaufkleid das Eis betritt, ließ sich am Wochenende noch nicht vorhersagen.

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