Eiskunstlauf:Anlauf zum Wunder

Lesezeit: 3 min

"Das Besondere ist ihre Freude am Laufen": Elisabeth Jäger bei den deutschen Meisterschaften in Neuss. (Foto: Uwe Kraft/imago images)

Trotz schwieriger Trainingsumstände deutet sich im Münchner Eiskunstlauf gerade eine kleine Renaissance an. Vor allem die 19-jährige Elisabeth Jäger steigert sich konstant.

Von Isabel Winklbauer

Dem Münchner Eiskunstlauf schreibt man schon seit mehr als einem Jahrzehnt keine magischen Kräfte mehr zu. Die letzten nennenswerten Medaillen auf Bundesebene kamen in den Nullerjahren aus dem Eislauf-Weltdorf mit Herz, in der Ära von Andrejs Vlascenko, Anette Dytrt sowie Eva-Maria Fitze und Rico Rex. Und jetzt das. Eine Erfolgsserie. Oder zumindest etwas, was mal eine größere Sache werden könnte: Die 19-jährige Einzelläuferin Elisabeth Jäger hat eine ziemlich erfreuliche erste Saisonhälfte hinter sich, einschließlich der Bronzemedaille bei den deutschen Meisterschaften. Schon im Oktober holte die Aubingerin Silber der Juniorinnen beim Eiscup in Innsbruck, ebenso bei den offenen Berliner Meisterschaften und den bayerischen Nachwuchsmeisterschaften. Beim Zwinger-Pokal in Dresden wurde sie sogar Erste in der Seniorklasse, allerdings in einem stark ausgedünnten Feld. "Sie schnuppert das erste Jahr so richtig in die Meisterklasse rein", sagt ihr Trainer Igor Strelajev. Was ein wenig bescheiden klingt, denn schon vergangenes Jahr war Elisabeth Jäger Vierte bei den deutschen Meisterschaften. Ihr Erfolg hat Konstanz.

Wer der jungen Münchnerin aus Aubing beim Training in der Olympia-Eishalle zusieht, erkennt sofort ihre Entschlossenheit und Zähigkeit. Eigenschaften, die beeindrucken, denn gleichzeitig ist sie äußerlich so zart wie die meisten international erfolgreichen Eiskunstläuferinnen. Optimismus und Selbstbewusstsein prägen ihren Stil. Bedenken legt sie samt Trinkflasche und Schonern an der Bande ab, sie fegt los und springt Rittberger-Euler-Salchow zum Aufwärmen, ein bisschen Toeloop, das Kurzprogramm zu "Hit the Road Jack" nimmt sie ohne große Umstände in Angriff. "Das Besondere an Elisabeth ist ihre Freude am Laufen", sagt Strelajev. "Die erhalten wir uns beide, indem wir uns mit kleinen und großen Erfolgserlebnissen gegenseitig hochpushen. Man darf auf keinen Fall in eine Negativspirale fallen."

Die positivistische Trainingsmethode zeigte ihren Effekt jüngst bei der deutschen Meisterschaft: Obwohl Jäger im Kurzprogramm weder den Doppelaxel noch den Dreifach-Salchow sprang - die Nerven machten ihr einen Strich durch die Rechnung -, wurde sie besser bewertet als die beiden anderen Münchnerinnen, die mit ihr im Wettkampf standen und alle Sprünge ablieferten. Die Preisrichter waren zweifellos von ihrem sicheren Laufstil angetan, aber auch von ihrer dreifach-doppelten Toeloop-Kombination, die sie umso dynamischer zeigte. Wozu verzweifeln, wenn in der Kür tags darauf wieder alles wie geplant funktioniert? Es gab zwar ein paar Abzüge bei den Dreifachen, die Choreograf Joti Polizoakis ihr diese Saison in die Kür einbaute, insbesondere der noch relativ frisch gelernte Rittberger war unterdreht. Aber je mehr Wettkämpfe anstehen, desto sicherer werde seine Schülerin, sagt Trainer Strelajev - und ihre Nerven würden dicker. "Ich stehe inzwischen alle Dreifachen außer Lutz", erklärt Jäger, "und auch der Axel ist gut. Die Höhe stimmt und die Flugphase ist lang. Wenn die Wettkampfsaison vorbei ist, würde ich ihn gerne dreifach versuchen."

Trainer Strelajev und seine Partnerin Jana König traten vor zwei Jahren mit dem Ziel an, ihren Sport an der Isar wieder zum Erfolg zu führen

Gelänge es ihr tatsächlich, den Dreifach-Axel auf sichere Füße zu stellen, wäre das Münchner Wunder perfekt. Schließlich waren Trainer Strelajev und seine Partnerin Jana König vor zwei Jahren als selbständiges A-Trainer-Team mit dem Ziel angetreten, den Eiskunstlauf an der Isar wieder zum Erfolg zu führen. Andererseits gibt es auch im Team von Trainer Andrejs Vlascenko Hoffnungsträger. Dessen Sohn Alexander, 15, hat sich im Sommer die Zulassung für die Meisterklasse erlaufen und auch schon ein paar ordentliche Dreifache im Gepäck. In beiden Teams gibt es zudem unter den jungen und ganz jungen Aspiranten sehr interessante Läufer. Doch die Stadt hat 2016 offiziell ihre Förderung von Leistungseiskunstlauf eingestellt, und angesichts der wenigen, für die Eislaufeltern teuren Eiszeiten, die die Vereine MEV und ERC mit der Olympiapark GmbH aushandelten, sind die Trainingsbedingungen wenig erfolgversprechend. "Wir können nur noch eineinhalb Stunden pro Tag trainieren", sagt Elisabeth Jäger, "und sonntags gar nicht mehr." Auch die Uhrzeiten passen für die jungen Athleten oft nicht zu Schule und Studium. "Ich muss zwei Mal pro Woche nach Augsburg ausweichen", sagt Jäger. Dies passe in ihrem Fall aber ganz gut, weil sie seit Oktober in Augsburg Architektur studiert.

Für die Aubingerin stehen nach Weihnachten jedenfalls die nächsten Wettkämpfe vor der Tür, denn jetzt heißt es, die Punktevorgabe für die Aufnahme in den Bundeskader zu erfüllen. Die Konkurrenz bei den Bavarian Open Ende Januar wird hart, der Leistungsunterschied zu den internationalen Teilnehmerinnen ist groß. Ferner geht es für Jäger zum Coupe du Printemps nach Luxemburg, zum Deutschlandpokal nach Dortmund und wie jedes Frühjahr zu den bayerischen Jugendmeisterschaften - vermutlich ihre letzten, denn von Juli 2022 an kommt für sie laut Reglement nur noch die Senioren-Meisterklasse infrage. Kein Problem: "Mir macht jede Saison mehr Spaß als die letzte, ich lerne neue Leute kennen und die Programme werden schwerer. Das ist doch prima."

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: