Eishockey:Woche der Wahrheit

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Wayne Simpson (Nr. 21), Tim Wohlgemuth und Mirko Höfflin erzielten mehr als die Hälfte der Ingolstädter Tore. (Foto: Michael Sigl /imago)

Fleißig, bemüht, engagiert - aber oft torlos: Der ERC Ingolstadt hat sich prominent verstärkt. Doch bei 14 Zugängen macht sich die fehlende Routine gerade gegen Spitzenmannschaften bemerkbar. Zudem bringt die Pandemie ungewohnte Probleme mit sich.

Von Christian Bernhard

Doug Shedden ist dieser Tage ein zufriedener Mann. Der Trainer des ERC Ingolstadt sprach zuletzt wahlweise von "verdammt großartigen", "tollen" und "fantastischen" Spielen seiner Mannschaft. Großes Eishockey sei das, was sein Team derzeit zeige, betonte er, "da kannst du dich als Trainer zurücklehnen". Anfang dieser Woche, vor dem Heimspiel gegen die Mannheimer Adler, sagte er auch, "eigentlich sollten wir bei 4:0-Siegen stehen". Da standen sie allerdings nicht. Schon gar nicht nach der Partie gegen den Tabellenführer der Süd-Gruppe in der Deutschen Eishockey Liga (DEL). Der ERC machte gegen einen der Favoriten auf die Meisterschaft zwar einen 0:2-Rückstand wett und holte beim 2:3 nach Penaltyschießen noch einen Punkt, kassierte aber auch die dritte Niederlage im fünften Saisonspiel.

Shedden hat kürzlich auch von der "Woche der Wahrheit" gesprochen, die auf seine Mannschaft warte. Vor der Begegnung mit Mannheim, dem Hauptrunden-Zweiten der Vorsaison, war der ERC bei den Straubing Tigers, dem Vorjahres-Dritten, angetreten. Und am Freitag reisen die Ingolstädter nun in die bayerische Landeshauptstadt, wo der EHC München, der letztjährige Hauptrundensieger, auf sie wartet (18.30 Uhr). Mehr Topspiele geht nicht.

Simpson, Wohlgemuth und Höfflin haben als einzige Reihe Erfahrung aus der vergangenen Runde

Die ersten zwei dieser drei Wahrheitspartien hat der ERC verloren, weil er einmal mehr seine derzeit größten Probleme nicht beheben konnte: die Chancenverwertung und das Toreschießen. Nur drei Treffer gelangen den Ingolstädtern in Straubing und gegen Mannheim - und dies, obwohl der Kader vor der Saison prominent verstärkt wurde. Sinnbildlich dafür steht die Angriffsreihe um Frederik Storm, Petrus Palmu und Justin Feser. Das Trio kam mit Vorschusslorbeer nach Ingolstadt, hat in den fünf bisherigen Saisonspielen aber erst einmal getroffen. Auch gegen Mannheim war die Linie fleißig, bemüht, engagiert - aber torlos.

Bezeichnend dafür waren einige Überzahlphasen gegen Mannheim. Die Ingolstädter setzten sich schnell im Adler-Drittel fest, der Puck lief gut, es gab viel Bewegung und zahlreiche Positionswechsel. Viele der Powerplay-Schüsse bis zum 2:2 von Tim Wohlgemuth - der per Nachschuss erfolgreich war - gingen aber neben das Mannheimer Tor, wurden geblockt oder kamen erst gar nicht zustande. So wie in Minute 39, als Palmu mit einem schönen Querpass in Szene gesetzt wurde, bei seinem Direktabnahmeversuch aber die Scheibe verfehlte. "Wir müssen für mehr Chaos vor dem Kasten sorgen. Wir lassen uns noch zu leicht rumschubsen", sagte Storm nach der Straubing-Partie der Augsburger Allgemeinen.

Mirko Höfflin ist ebenfalls Stürmer und weiß wie es ist, wenn die Scheibe einfach nicht ins Tor will. In solchen Phasen "muss man vielleicht das Hirn ausschalten" und weiter an sich glauben, sagt er, "früher oder später gehen die Dinger wieder rein". Wichtig sei es, "negative Gedanken" gar nicht erst aufkommen zu lassen. Der 28-Jährige hat dieses Problem derzeit nicht, seine Sturmreihe ist die produktivste der Ingolstädter.

Bis auf den EHC München hatten die bayerischen DEL-Klubs nur eine kurze Vorbereitungszeit

Auch gegen Mannheim sorgte der Block um den letztjährigen DEL-Topscorer Wayne Simpson, Tim Wohlgemuth und Höfflin für beide ERC-Treffer. Zusammen hat das Trio mehr als die Hälfte der Ingolstädter Saisontore erzielt (sieben von 13). "Wir lesen uns gut und wissen alle drei, wie man offensives Eishockey spielt", sagt Höfflin zur guten Chemie der Angriffsreihe. Seine Hauptaufgabe ist es, Geschwindigkeit in die Partie zu bringen, damit seine zwei Kollegen Platz haben "und die Scheibe so gut wie möglich zu verteilen." Das klappt. "Wir ergänzen uns sehr gut", sagt er.

Höfflins Reihe ist die einzige, die auch in der vergangenen ERC-Saison schon gemeinsame Erfahrungswerte gesammelt hat. Die fehlende Routine, die bei 14 neuen Spielern in Ingolstadts Kader nicht überraschen kann, sei deshalb "bestimmt auch ein Faktor", sagt er. Den Ingolstädtern blieb - wie allen anderen bayerischen DEL-Klubs außer München - nur eine kurze Vorbereitungszeit mit der gesamten Mannschaft. Und auch jetzt bringt die Pandemie noch ungewohnte Probleme mit sich. "Aufgrund der aktuellen Lage können wir auch keine Teambuilding-Maßnahmen machen", erklärt Höfflin, "so ist es auch schwerer zusammenzuwachsen".

Das Vertrauen in die Fähigkeiten der Mannschaften ist dennoch da, auch bei Höfflin. Aus dem Spiel gegen Mannheim nimmt er für die Partie in München mit, "dass wir uns nicht verstecken müssen". Er ist "sehr, sehr" zufrieden, wie sein Team im Moment auftritt. "Das ist super Eishockey, wir spielen schnell, wir haben Zug zum Tor. Wir brauchen vor niemandem Angst zu haben", sagt er im Stile seines Trainers Shedden. Was die Ingolstädter nun aber noch brauchen, sind regelmäßige Siege - und dafür mehr Tore.

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