Eishockey:Sportliche Krise in heikler Phase

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Stürmer mit viel Gesprächsbedarf: Bei Chris Brown (li.) und Brandon Buck von den Nürnberg Ice Tigers läuft es gerade nicht. (Foto: Thomas Hahn/imago images)

Die Defensive spielt wacklig, die Offensive trifft nicht: Auf der Suche nach neuen Gesellschaftern setzen die Nürnberg Ice Tigers auch gegen München ihre Niederlagenserie fort.

Von Christian Bernhard

Anfangs hatte Oliver Mebus noch Spaß. Das "sehr, sehr schnelle" Spiel und die "volle Hütte" - also die ausverkaufte Eis-Arena - bescherten dem Verteidiger der Nürnberg Ice Tigers ein unterhaltsames erstes Drittel gegen den Tabellenführer der Deutschen Eishockey Liga (DEL), den EHC München. Für Mebus waren alle mitwirkenden Spieler dabei auch Botschafter für das deutsche Eishockey: "Wir wollen schauen, dass wir zwischen den Feiertagen weiter Werbung für unseren Sport machen können. Am Fernseher sitzen ja auch einige."

Vier Gegentore und eine 1:5-Heimpleite später war die Stimmung der Nürnberger am Samstag nicht mehr ganz so euphorisch. "Das war enttäuschend", sagte Manuel Kofler nach der Partie. Der 39-Jährige aus Kolbermoor ist eigentlich Nürnbergs Co-Trainer, war aber wie schon zwei Tage zuvor in Augsburg der Hauptverantwortliche hinter der Nürnberger Bande, da Cheftrainer Kurt Kleinendorst in seiner Heimat weilte. Kleinendorst ist am ersten Weihnachtstag in die USA gereist, um bei der Trauerfeier für seinen verstorbenen Bruder Scot dabei sein zu können. Münchens Trainer Don Jackson betonte auf der Pressekonferenz, dass er mit den Gedanken auch bei der Familie Kleinendorst sei.

Die Derbypleite gegen den EHC war die fünfte Nürnberger Niederlage nacheinander, zuvor hatten die Franken bereits in Augsburg (3:6), in Berlin (0:2), sowie gegen Wolfsburg (3:5) und Mannheim (2:7) verloren. Diese Serie binnen zwölf Tagen hat das Team vor allem tabellarisch getroffen. Vor zwei Wochen waren die Ice Tigers noch Fünfter. Jetzt, kurz vor dem Jahresende, sind sie plötzlich Elfter - und damit außerhalb der Playoffränge. Die Augsburger, die sie am Samstag von Rang zehn verdrängt haben, machten in dieser kurzen Zeit zehn Punkte auf die Nürnberger wett. "Es ist verrückt, wir waren so knapp an Rang vier dran", sagte Verteidiger Tom Gilbert.

Nürnbergs Probleme sind vielschichtig. Da wäre zum einen die wacklige Defensive, die in den vergangenen fünf Partien 25 Gegentore - im Schnitt also genau fünf pro Spiel - zugelassen hat. Gilbert hat "kleine mentale Pausen" im Nürnberger Spiel ausgemacht, die sich die Ice Tigers derzeit nicht leisten können. Auch Nationaltorhüter Niklas Treutle, der den Franken in den ersten Saisonmonaten mit starken Leistungen zahlreiche Punkte gesichert hatte, ist momentan nicht in Topform. In seinen vergangenen vier Einsätzen kassierte er insgesamt 22 Gegentore.

Die schwächelnde Defensive wird von einer schwächelnden Offensive komplettiert. Exemplarisch für die Ungenauigkeiten im fränkischen Offensivspiel war am Samstag die Szene in Minute zwölf, als Will Acton nach einem feinen Pass von Eugen Alanov eigentlich einen Alleingang hätte starten können, die Scheibe aber bei der Annahme nicht kontrollieren konnte und so Münchens Torhüter Daniel Fießinger die heikle Situation bereinigte. "Wenn man keine Tore schießt, ist es schwierig, ein Eishockeyspiel zu gewinnen", sagte Kofler lapidar. "Wir haben und kreieren Chancen, tun sie aber nicht rein. Dann kommt halt auch kleines bisschen der Kopf dazu."

Speziell von den namhaften ausländischen Stürmern kommt offensiv viel zu wenig. Brandon Buck hat ein Tor in den letzten fünf Partien erzielt, Christopher Brown und Acton kein einziges. Kofler wollte nach dem Derby dennoch keine Personaldiskussion führen. Er spreche "grundsätzlich" nicht über einzelne Spieler in der Öffentlichkeit, erklärte er gegenüber den Nürnberger Nachrichten, es gebe auch "kein böses Wort". Er halte seinen Kopf gerne hin, "aber es ist immer noch ein Teamsport, in dem es gleichgültig ist, wer die Tore schießt. Wir müssen sie halt nur schießen."

Die sportliche Krise fällt in eine sowieso schon heikle Ice-Tigers-Phase. Geschäftsführer Wolfgang Gastner ist immer noch auf der Suche nach neuen Gesellschaftern, die den Ausstieg von Hauptsponsor und Namensgeber Thomas Sabo zum Saisonende auffangen sollen. Beim Auswärtsspiel in Berlin sagte Gastner kürzlich, dass es "einige Zusagen" gebe. Bislang sind diese aber wohl nur mündlicher Natur, denn Gastner wünschte sich auch "schnelle, zeitnahe Unterschriften". Der Geschäftsführer betonte, dass es in den nächsten Wochen noch viel Arbeit geben werde, wollte aber auch gesagt haben, dass "wir tatsächlich noch genügend Zeit haben".

Die Zeit im Rennen um einen der Playoffplätze in der Liga wird dagegen immer knapper. "Wir müssen unbedingt zu dem einfachen Spiel zurückfinden, das uns ausgezeichnet hat", forderte Kofler vor dem Heimspiel gegen die letztplatzierten Iserlohn Roosters am Montag (19.30 Uhr). Im letzten Spiel des Jahres wird dann auch Kleinendorst wieder hinter der Bande stehen.

© SZ vom 30.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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