Eishockey:Schales Bier

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Um die Enttäuschung des EHC zu erfassen, musste man nur Trevor Parkes anschauen – der immerhin zum wertvollsten Spieler gewählt wurde. (Foto: Mathias Bergeld/imago)

Auch das allgemeine Lob über die Saisonleistung hilft nichts: Frölunda HC hat den Eishockeyspielern des EHC München im Champions-League-Finale die Grenzen aufgezeigt - und das tut weh.

Von Johannes Schnitzler, Göteborg

Der Schwede ist ein grundsympathischer Nordmann und feiert gern, daran gibt es nichts auszusetzen. Nur die Bezeichnungen, die er für seine Nahrungsmittel verwendet, sind für den nach Stärkung suchenden Mitteleuropäer gewöhnungsbedürftig. Wenn er ein Bier trinken möchte, bestellt der Schwede öl, wenn er Öl braucht, um sein Haus zu heizen, ordert er ein paar Tausend Liter eldningsolja. Und wenn er etwas Süßes möchte, gönnt er sich ein schönes Stück kaka (Kuchen).

Als Don Jackson am Dienstagabend die Kabine verließ, um die 1:3-Niederlage des EHC Red Bull München im Finale der Champions Hockey League (CHL) in Göteborg gegen die Frölunda Indians in Worte zu fassen, reichte er erst einmal seine Flasche Bier an den Pressesprecher weiter und sagte dann: "Wir müssen das jetzt schlucken." Dabei sah er aus, als habe er an einem Kanister Heizöl genippt.

An dem Bier war nichts auszusetzen, die Münchner hatten extra größere Mengen davon aus der Heimat nach Göteborg geschafft, sie wollten ja feiern nach diesem nächsten Höhepunkt in der noch jungen Klubhistorie. Sogar einen leibhaftigen Brauereichef hatte der deutsche Meister der vergangenen drei Jahre in den Charterflieger gesetzt, was sollte da schief gehen? Es ging schief, dass die Schweden in Führung gingen, "das war der Unterschied", sagte Jackson.

Beide Mannschaften hatten ihre Chancen, München zu Beginn sogar mehr, aber nur Frölunda nutzte sie. Eiskalt wie gut gekühltes öl. Samuel Fagemo, ein Überschallflieger im Körper eines 18-Jährigen, durchbrach als Erster die Schallmauer im mit 12 044 Zuschauern ausverkauften Scandinavium und ließ Nationaltorwart Danny aus den Birken keine Chance (11.). Dem ersten Überzahltor der Indians folgten bei den beiden nächsten Gelegenheiten zwei weitere durch CHL-Topscorer Ryan Lasch (25.) und Ponthus Westerholm (35.). "Das hat man natürlich dann im Kopf", sagte EHC-Kapitän Michael Wolf. Seinen Schuss, die bis dahin größte Münchner Chance bei einer 5:3-Überzahl, hielt Frölundas Torwart Johan Gustafsson so demonstrativ lässig, dass man es für Überheblichkeit halten konnte. Die Indians standen im fünften Jahr zum vierten Mal im CHL-Finale - aber "unterschätzen werden wir sie nicht", hatte ihr Kapitän Joel Lundqvist vor dem Duell mit den Münchnern versichert. Der 36-Jährige, mit den Tre Kronor dreimal Weltmeister, weiß, wie unangenehm deutsche Teams werden können. Knapp ein Jahr zuvor stand er im olympischen Viertelfinale Deutschland gegenüber. Schweden war der haushohe Favorit - und verlor. Am Dienstag sah er in Torhüter aus den Birken, Yannic Seidenberg, Patrick Hager, Yasin Ehliz, Frank Mauer und Daryl Boyle gleich sechs der Silberhelden von damals wieder. Aber diesmal arbeitete Lundqvists Team mit der Präzision und Effizienz einer schwedischen Baumsäge, und der Kapitän durfte zum dritten Mal den Pokal in die Indians-Kabine schleppen.

Das Münchner Unterzahlspiel - in der deutschen Liga gefürchtet, denn kein Team erzielt mehr Treffer bei numerischer Unterlegenheit - bereitete den Indians kein Kopfzerbrechen. Und das Überzahlspiel das "schon die ganze Saison nicht so läuft", wie Nationalspieler Seidenberg einräumte, lief abermals nicht. "Ein Tor im Powerplay hätte uns gut getan", sagte Seidenberg. "Sicherlich ist das blöd gelaufen, dass wir den Schwung da nicht auf unsere Seite bekommen haben." Als Jackson fast zehn Minuten vor Schluss aus den Birken vom Eis nahm, um noch mal Druck aufzubauen, eröffnete Ehliz mit dem 1:3 (52.) eine turbulente Schlussphase. Am Sieger aber gab es keine Zweifel. "So kurz vor dem Ziel zu scheitern und jetzt auch noch der anderen Mannschaft beim Feiern zuzuschauen, das tut natürlich brutal weh", sagte Nationalspieler Konrad Abeltshauser. "Am Ende war bei uns ein bisschen Frustration", sagte Don Jackson. Dann nahm er wieder sein Bier.

Kaum Torgefahr, kein Schwung - Doch Trainer Jackson beharrt: "Wir haben uns Respekt verdient"

Das Feiern holten sie anschließend beim Bankett im Hotel nach. Man könne stolz auf die eigene Leistung sein, sagte Jackson, sagte Wolf, sagten alle. Nicht immer klang es überzeugend, dafür musste man nur in das Gesicht von Trevor Parkes blicken. Der Kanadier war mit neun Treffern Münchens bester Schütze im Wettbewerb und hatte dafür die Auszeichnung zum wertvollsten Spieler (MVP) der CHL erhalten. Aber als Trostpflaster taugte das genauso wenig wie ein Fingerhut voll Wasser beim Löschen eines Waldbrands. Sportdirektor Christian Winkler erinnerte bei seiner Ansprache daran, wie viele andere Klubs gerne mit den Münchnern tauschen würden, die als erste deutsche Mannschaft in dieses Finale vorgedrungen waren, und dass selbst die Konkurrenz dem in der Heimat nicht immer beliebten Serienmeister die besten Wünsche mit auf den Weg gegeben habe: "Die Liga hat gezeigt, dass sie zusammenhält", meinte Winkler. Er wünsche den Spielern, dass sie "in ein paar Tagen" realisieren könnten, was sie geleistet haben. "Ich glaube, wir haben uns Respekt verdient", sagte Jackson. "Wir hatten phänomenale Spiele - heute eingeschlossen."

Sechs Tage haben seine Spieler nun frei, ehe es in der kommenden Woche in der DEL weitergeht. Dabei traf es sich, dass im Teamhotel gerade eine Messe für Motoryachten stattfindet. "Auch wenn wir uns das anders gewünscht hätten", glaube er, dass es "trotzdem ein lustiger Abend werden könnte", sagte Winkler. Die Mannschaft habe sich das verdient.

Für diejenigen, die nur schwer abschalten können, hält das schwedische Wörterbuch auch einen Rat bereit: bita ihop käkarna - Zähne zusammen beißen. Nicht jede Party kann so enden wie geplant. Auch dafür hat der Schwede eine hübsche Lautmalerei - fyllekäk: "Fastfood, das man nach dem Feiern und meistens in angetrunkenem Zustand auf dem Heimweg zu sich nimmt."

© SZ vom 07.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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