Eishockey:Pendlerin zwischen Gras und Eis

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Kathrin Lehmann hat an Olympia und Weltmeisterschaften teilgenommen, Pokale und Meisterschaften gewonnen - im Fußball und im Eishockey. Jetzt will sie mit dem ESC Planegg den Titel holen.

Von Christian Bernhard

Manchmal sind es ja die Zufälle, die das Leben in bestimmte Bahnen lenken. Bei Kathrin Lehmann war das so. Dass der Sport eine große Rolle spielen würde, war von Anfang an klar. In einer kleinen Wohnsiedlung in der Nähe von Zürich mit 20 Kindern drehte sich alles um Sport, was Lehmann als "Jackpot meiner Kindheit" bezeichnet. Weil ihre Mutter damals eine Schlittschuhlaufschule leitete, stand Lehmann schon mit vier Jahren auf dem Eis. In den Eishockeyverein ging sie dann, weil ihre Brüder dort waren. Und Fußball spielte sie auch, mit den Jungs aus der Siedlung. Eigentlich im Feld, aber als sie mit zwölf Jahren bei einem Spiel einmal im Tor aushalf, verließ sie es danach nicht mehr. Das war der Beginn einer besonderen Karriere.

Lehmann ist gleich in beiden Sportarten erfolgreich gewesen. Die 40-Jährige war Torhüterin der Schweizer Fußball-Nationalmannschaft - und Stürmerin in der Eishockey-Auswahl ihres Landes. Der Angriffstätigkeit geht sie immer noch nach. Am Samstag ist sie mit dem ESC Planegg bei den Eisbären Berlin zu Gast, wo es im dritten und entscheidenden Playoff-Halbfinalspiel der Frauen-Eishockey-Bundesliga um den Einzug in die Finalserie geht.

"Ich liebe diese Spiele", sagt Lehmann, "sie sind das schönste, das es gibt." Als Stürmerin profitiert sie von ihrer Vergangenheit als Fußballtorhüterin. "Ich schieße die Müll-Tore", sagt sie und lacht. Aus dem Tor habe sie die Ruhe und Selbstsicherheit mitgenommen, das Spielgerät trotz der vielen Beine vor dem Kasten stets im Blick zu behalten: "Ich weiß, wo die Scheibe ist - und warte auf sie."

Als Fußballerin stand Lehmann 31 Mal für die Schweiz im Tor und gewann in ihrem Heimatland zwei Meisterschaften. Nachdem sie 1999 zum TuS Niederkirchen wechselte, trug sie in der Bundesliga unter anderem noch die Trikots des 1. FFC Turbine Potsdam und des FC Bayern München. Das Jahr 2009 markiert ihren größten Erfolg als Fußballerin: mit dem FCR 2001 Duisburg gewann Lehmann den Europapokal, der Verein stellte damals im Rückspiel gegen Swesda Perm mit 28 112 Zuschauern einen neuen Rekord auf. Die Neue Zürcher Zeitung schrieb über Lehmann kürzlich, sie sei "so etwas wie der erste weibliche Fußballstar der Schweiz" gewesen. Und weil sie eben auch im Eishockey große Erfolge feierte, wurde sie zur "Sportpionierin" ernannt.

242 Partien bestritt Lehmann für die Schweizer Nationalmannschaft, zwei Mal nahm sie an Olympischen Spielen, acht Mal an Weltmeisterschaften teil. Lehmann wurde in Deutschland mit dem TV Kornwestheim und dem ESC Planegg mehrmals Meisterin, in Schweden holte sie diesen Titel mit AIK Solna ebenfalls - und setzte 2008 den Europacupsieg obendrauf. Damit hat sie in zwei Sportarten den höchsten europäischen Pokalwettbewerb gewonnen und zudem noch eine weitere Marke gesetzt: 2003 hatte sie beim FC Bayern als Feldspielerin ausgeholfen und ein Tor erzielt. Seit dem ist sie auch die einzige Frau, die im Fußball und im Eishockey in der höchsten Liga des Landes einen Treffer erzielt hat.

Während heute im Profisport viel Geld ausgegeben wird, um sich neue Impulse aus anderen Sportarten zu holen, fuhr Lehmann ihre gesamte sportliche Karriere konsequent zweigleisig, als Pendlerin zwischen Gras und Eis. "Das ist wohl auch eines der Geheimnisse meines Erfolges gewesen", sagt sie. Ein gutes Zeitmanagement ist immer noch gefragt bei ihr, auch im Berufsleben.

Mit dem Sportbusiness Campus führt Lehmann in München ihre eigene Hochschule, 100 Studierende hat sie zu dirigieren. Dazu kommentiert sie im Schweizer Staatsradio die Spiele der eidgenössischen Fußball-Männernationalmannschaft, ist Co-Trainerin der Schweizer Frauen-Eishockeyauswahl und wäre dieser Tage für den FC Bayern bei einem Scouting-Projekt in China, wenn nicht das Coronavirus wäre. Selbst auf dem Rasen steht Lehmann auch noch: vergangenen Herbst wurde sie mit dem Ü-35-Team des FCB Deutscher Meister. Zudem ist seit 14 Jahren als Schiedsrichterin tätig, 2019 absolvierte sie die offizielle Schiedsrichterprüfung beim DFB. Angestiftet dazu hatte sie Bibiana Steinhaus, eine gute Freundin von ihr.

Wie das alles zu bewältigen ist? "Ich kann relativ gut Bälle jonglieren", sagt Lehmann. Sie sei pragmatisch und versuche alle Wege, die viel Zeit kosten, zu vermeiden: "Ich fliege nicht fünfmal pro Tag zum Mond. Ich mache Dinge, die andere auch machen, nur halt parallel." Wenn sie an Sonntagen um 11 Uhr mit Planegg ein Heimspiel bestreitet, ist sie um 14 Uhr in ihrem Hochschulbüro. "Ich bin ein leidenschaftlicher Chaot", sagt sie, "irgendwie kriege ich es hin." Dass selbst für eine wie sie nicht alles für alle Zeit machbar ist - klar. "Meine Tage im Eishockey sind gezählt", sagt Kathrin Lehmann. Deshalb hat sie noch einen Eishockey-Wunsch: Mit 40 noch einmal Meisterin werden.

© SZ vom 29.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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