ERC Ingolstadt:Ein Minister für die Abwehr

Lesezeit: 2 min

Wochenlang buhlte Ingolstadt vergeblich um Ville Koistinen. Der Finne soll nun das desolate Überzahlspiel beleben.

Von Christian Bernhard

Um einen Spielertransfer erfolgreich über die Bühne zu bekommen, müssen diverse Komponenten passen, nicht nur sportliche. Das bekam der ERC Ingolstadt zuletzt zu spüren. Die Oberbayern waren seit Wochen an einer Verpflichtung des finnischen Verteidigers Ville Koistinen interessiert, bekamen ihn aber nicht. Anfang des neuen Jahres klappte es dann doch: Der 35-Jährige löste seinen Vertrag mit dem Schweizer Erstligisten SCL Tigers aus Langnau im Emmental auf, laut Pressemitteilung "aus privaten Gründen". Ingolstadts Sportdirektor Larry Mitchell nannte den Transfer einen "Glücksfall" - zumal der ERC längerfristig, womöglich sogar die ganze Saison, auf Nationalspieler Benedikt Kohl verpflichten muss. Der Verteidiger laboriert an ungeklärten gesundheitlichen Problemen, derzeit laufen Diagnostikverfahren.

Kommt mit NHL-Erfahrung aus der Schweiz nach Ingolstadt: Verteidiger Ville Koistinen (li.), hier noch im Trikot der SCL Tigers aus Langnau im Emmental. (Foto: Pius Koller/imago)

Mit Koistinen kommt ein vielversprechender Name zum Tabellen-Neunten der Deutschen Eishockey Liga (DEL). Obwohl er für einen Verteidiger mit 1,81 Metern Körpergröße relativ klein ist, spielte er mehrere Jahre in der NHL. Das spreche für "außergewöhnliche Fähigkeiten", erklärte Mitchell. Zudem gewann Koistinen mit Finnland Silber und Bronze bei Weltmeisterschaften. Der 35-Jährige ist ein läuferisch starker, wendiger Verteidiger mit guter Übersicht, weshalb er in der Schweiz den Spitznamen "Verteidigungsminister" verliehen bekam. Mit seinen Qualitäten soll er zudem das Ingolstädter Überzahlspiel verbessern. Das dürfte nicht schwer sein, mit erst zehn Toren und einer Erfolgsquote von zehn Prozent ist es mit Abstand das schlechteste der Liga. Koistinen spielt womöglich schon an diesem Mittwoch im Heimspiel gegen Wolfsburg (19.30 Uhr).

Alter Bekannter: Der neue ERC-Trainer Doug Shedden gewann 2008 als finnischer Nationaltrainer zusammen mit Ingolstadts Zugang Ville Koistinen WM-Bronze. (Foto: imago/Stefan Bösl)

Sein Eingewöhnungsprozess geht Hand in Hand mit dem seines künftigen Trainers Doug Shedden. Der Kanadier, der 2008 als finnischer Nationaltrainer zusammen mit Koistinen WM-Bronze gewonnen hat, gewann seine ersten zwei Spiele mit dem ERC. Dementsprechend zufrieden ist er. "Mir gefällt, was ich sehe", sagte er dem Donaukurier. Shedden setzte in seinen ersten Tagen als ERC-Trainer vor allem im mentalen Bereich an. "Die Spieler sind durch ziemlich viel Mist gegangen. Sie sind nicht glücklich darüber, kein Sportler ist das, wenn er dauernd verliert", sagte er. Der Kanadier will deshalb "nicht noch mehr Mist über sie kippen" und den Druck nicht weiter erhöhen. Bei der Mannschaft hinterließ er einen positiven ersten Eindruck. "Er hat ein gutes, selbstbewusstes Auftreten", sagte Torhüter Timo Pielmeier.

Das untermauern auch die kurzfristigen Ziele des 56-Jährigen, der als "Feuerkopf" und "Vulkan" bezeichnet wird: Er hat die direkte Playoff-Qualifikation, sprich einen Platz unter den ersten sechs, ins Visier genommen. Der Rückstand auf Platz fünf betrage nur sechs Punkte, rechnete er vor, "das ist ziemlich nah, und da schauen wir hin".

An harten Prüfsteinen wird es Shedden und Koistinen nicht mangeln: Innerhalb von nur eineinhalb Wochen bekommt es der ERC in den nächsten vier Spielen mit den Top vier der Tabelle zu tun. Dann wird auch die Konkurrenz genau hinschauen. Rob Wilson, Trainer der Nürnberg Ice Tigers, traut den Oberbayern jedenfalls einiges zu. Als der Coach des Tabellenführers kürzlich, noch vor der Verpflichtung von Koistinen, auf die größten Konkurrenten um den Titel zu sprechen kam, nannte er die üblichen Verdächtigen - und den ERC. Der sei "in den Playoffs sehr gefährlich".

© SZ vom 03.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: