Eishockey:Ein gläserner Schuh für Cinderella

Malmö Redhawks - EHC Red Bull München

Jubelstürmer: Trevor Parkes (2.v.l.) schoss München in der fünften Minute der Verlängerung mit seinem dritten Treffer ins Halbfinale.

(Foto: Christian Ärnberg/dpa)

Der EHC München steht als erster deutscher Klub im Halbfinale der Champions League. Nach Silber bei Olympia könnte sich nun auch auf Klubebene ein Märchen erfüllen.

Von Johannes Schnitzler

In den zehn Jahren ihres Bestehens hat die Malmö Arena einiges über sich ergehen lassen müssen. Rammstein haben dort gewütet, The Killers waren da, auch Lady Gaga hatte ihren Auftritt. Alljährlich findet in der 15 000 Zuschauer fassenden Halle das Halbfinale des Melodifestivalen statt, der kreischbunte Vorentscheid zum Eurovision Song Contest, der seit dem Sieg von Abba 1974 zum schwedischen Kalender gehört wie Mittsommar und der Besuch des Königsschlosses am Nationalfeiertag. Sogar die Darbietungen von Samantha Fox, Scooter und David Hasselhoff hat die Arena überstanden, ohne sich zu verbiegen. Am Dienstag aber erzitterte das Stadion, als hätten Abba gerade ein Gratis-Reunion-Konzert angekündigt. Nach einem Match, das hin und her wogte wie die Wellen im Spaßbad, trennten sich die Malmö Redhawks und der EHC Red Bull München im Viertelfinale der Champions Hockey League (CHL) nach Verlängerung 5:5, was nach Addition mit dem Hinspiel (2:1 für München) bedeutet: Zum ersten Mal steht eine deutsche Eishockeymannschaft im Halbfinale dieses Wettbewerbs. Und das soll nicht das Ende sein. "Wir sind jetzt wieder einen Schritt näher am Finale", sagte Stürmer Trevor Parkes.

Der 27-Jährige war mit drei Treffern der Mann des Abends. Nachdem der deutsche Meister den Tabellendritten der schwedischen Liga in den ersten zweieinhalb Minuten in dessen Drittel eingeschnürt hatte, waren die Redhawks mit ihrem ersten Angriff in Führung gegangen (3.). In der zwölften Minute lagen sie 2:0 vorn, alles schien sich zu entwickeln wie in der Gruppenphase, als München zu Hause 3:2 gewonnen und in Malmö 1:6 verloren hatte.

Aber da war ja noch Parkes. Zehn Sekunden vor der ersten Pause musste Malmös Henrik Hetta auf die Strafbank. Der TV-Kommentator fragte: "Reicht das noch für eine Chance?", da lag der Puck im Tor. Parkes hatte nach einem Bullygewinn von John Mitchell einfach von der Grundlinie aus Malmös Keeper Oscar Alsenfelt angeschossen. Der Anschlusstreffer, vier Sekunden vor der Pause. "Sonst wäre es schwer geworden", sagte Parkes, der die psychologische Bedeutung des Treffers betonte.

Nach Olympia-Silber erfüllt sich nun auf Klubebene ein Märchen

Nach dem Seitenwechsel dauerte es abermals nur Sekunden, bis Mitchell nach einem Scheibengewinn von Nationalspieler Yasin Ehliz erneut für Parkes auflegte (22.). Mit diesem 2:2 wäre München im Halbfinale gewesen. Doch nun wechselte die Führung ständig. Justin Shugg traf für München (25.). Johan Olofsson egalisierte zum 3:3 (35.), Verteidiger Konrad Abeltshauser war noch vergeblich bäuchlings in die Passbahn gerodelt. Jens Olsson brachte Malmö wieder nach vorn (39.), doch abermals gelang dem EHC ein später Treffer. Daryl Boyle stellte 17 Sekunden vor der Sirene den Gleichstand wieder her.

Das 2:1 hatten die schwedischen Zuschauer noch hingenommen wie einst Björn Borg, der alte Eisborg, ein Break: Was sollte passieren gegen diese Deutschen, die ohne fünf verletzte Stürmer angetreten waren? Hatten die Redhawks das Gruppen-Heimspiel nicht 6:1 gewonnen? Nach dem 2:3 schauten sie irritiert, nach dem 4:3 jubelten sie, nach dem 4:4 verstummten sie. Als Lars Bryggmann früh im letzten Drittel den Puck ins Tor schoss, holten sie schon zum Torschrei Luft, doch zu früh: Die Partie war unterbrochen (ebenfalls zu früh, die Scheibe war noch spielbar). Nach Frederik Storms famosem Solo zum 5:4 (54.) hielt es dann selbst die kühlsten Schweden nicht mehr auf den Sitzen. Einige klatschten sogar. Verlängerung.

Dann kam wieder Mitchell an den Puck, legte auf für Parkes (65.), und München stand im Halbfinale.

Nach der Silbermedaille bei Olympia hat das deutsche Eishockey nun also auch auf Vereinsebene seine kleine "Cinderella-Story", von der CHL-Geschäftsführer Martin Baumann so oft taggeträumt hat. Ein deutsches Team im Halbfinale wäre "gut für unser Produkt", hatte der Schweizer vor jeder Saison gepredigt. Mit dem Einzug in die Vorschlussrunde hat München sich zumindest den ersten gläsernen Schuh verdient. Aber zum Tanzen braucht es zwei. Im Halbfinale (Hinspiel 8./9. Januar, Rückspiel eine Woche später) kommt es nun wie in der Fußball-Europa-League zum Red-Bull-Duell, diesmal München gegen Salzburg, das die Finnen aus Oulu ausschaltete. Im anderen Halbfinale stehen sich Frölunda und Pilsen gegenüber.

Ein schwedischer, ein tschechischer, ein deutscher und ein österreichischer Klub unter den letzten Vier: Für die CHL, ohne russische Beteiligung nur die Prinzenklasse im kontinentalen Eishockey, ist das ein Imagegewinn. In der Premierensaison 2014/15 standen sich im Viertelfinale noch vier schwedische und vier finnische Teams gegenüber. Dass nun zwei aus demselben Haus kommen, stört die CHL-Verantwortlichen nicht; beide seien auf operativer Ebene hinreichend voneinander getrennt. Für die Profis ist das Duell angeblich sogar "genau das, was sich jeder gewünscht" hat, wie der Münchner Maximilian Kastner sagte: "Wir wollen zeigen, dass wir die besseren Redbuller sind." Noch mal hingehört - doch, Kastner sagte "Redbuller", nicht Köttbullar. "Das wird ein Riesenspaß", sagte Parkes.

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