Eishockey:Bis zum letzten Krümel

Lesezeit: 2 min

Weil beide Mannschaften das Tor nicht treffen, wird ein Viertelfinal-Playoff-Spiel in Norwegen zum längsten Spiel der Geschichte. Über acht Stunden dauert der Kampf gegen Krämpfe und um das letzte Stück Kuchen.

Von Thomas Gröbner

Irgendwann in der Nacht zu Montag begann das Telefon bei der Polizei in Hamar in Norwegen zu klingeln, immer wieder. Es meldeten sich Menschen, die Angst hatten - weil sie ihre Angehörigen und Freunde vermissten, welche sich zu Hause verabschiedet hatten, um nur kurz mal dieses Eishockeyspiel zu sehen: Storhamar Dragons gegen die Sparta Warriors Sarpsborg. Und nicht wiedergekommen waren. Das Ergebnis der Ermittlungen verbreitete die Polizei gleich über Twitter: Die abgängigen Liebsten, sie waren alle noch im Stadion.

Was sich da, weit nach Mitternacht, in der Nordlichthalle in Hamar abspielte, sollte später als längstes Eishockey-Spiel in die Geschichte eingehen.

Tief in der Nacht, exakt um 2.33 Uhr, achteinhalb Stunden nach dem Eröffnungsbully, erlöste Joakim Jensen mit seinem Tor zum 2:1 (0:0, 1:0, 0:1, 0:0, 0:0, 0:0, 0:0, 0:0, 0:0, 0:0, 1:0) das Stadion. Achtmal ging das Spiel in die Verlängerung, 94 Mal hatte Storhamar vergeblich aufs Tor geschossen, 93 Mal versuchten es die Sparta Warriors. "Es war Zufall, dass wir gewonnen haben", sagte danach Dragons-Angreifer Zettergren.

Dieses Playoff-Viertelfinale, es war auch ein Kampf um Kalorien: Während die Heimmannschaft sich in einem nahegelegenen Restaurant mit Pizza beliefern ließ, versuchten die Gäste, die letzten Schokovorräte zu hamstern. Sparta-Trainer Lenny Eriksson sagte der Tageszeitung Verdens Gang: "Im achten oder neunten Abschnitt haben wir Schokoladenkuchen gegessen. Wir haben einfach alles gegessen, was man essen konnte."

"Ich hoffe, dass sie heute nicht zur Arbeit müssen."

Völlig ausgehungert waren die beiden Fernseh-Kommentatoren, die nur an einer Waffel knabberten. "Das war ein komplett surreales Erlebnis. Erst war es der Klubrekord, dann norwegischer Rekord, dann europäischer, dann Weltrekord", sagte Kommentator Eirik Johansen. "Wir haben Unmengen Kaffee und Cola getrunken. Was es an Essen gab, haben natürlich die Spieler bekommen."

1000 der 5526 Zuschauer harrten bis zum Ende aus, sie sahen Männer, die sich entkräftet über das Eis schleppten. "Es gab niemanden, der ordentlich rangehen wollte, weil man dann Krämpfe gekriegt hat", klagte Sparta-Spieler Christopher Henriksen im norwegischen Fernsehsender NRK.

Und weil beim Gast aus dem 200 Kilometer entfernten Sarpsborg etwa zwei Dutzend Spieler einen Job haben, sorgte sich Sparta-Team-Manager Daniel Björnberg um die Regeneration der Seinen: "Ich hoffe, dass sie heute nicht zur Arbeit müssen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie da hingehen." Schon am Dienstagabend ab 19 Uhr stehen sich beide Teams erneut gegenüber.

In der Playoff-Serie steht es nun 3:2 für die Dragons. Und Hamar, 30 000 Einwohner, Knäckebrotfabrik, am größten See Norwegens namens Mjøsa kauernd, kann sich rühmen, Heimstätte des Endlos-Spiels gewesen zu sein, mit dem der Uralt-Rekord von 1936 eingestellt wurde. Damals siegten die Detroit Red Wings nach 176:30 Minuten 1:0 gegen die Montreal Maroons. Nur aus Schweden kam Spott . Aftonbladet schreibt: "Jetzt ist Norwegen am besten im Eishockey - auf eine gewisse Weise."

© SZ vom 14.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: