Eishockey:Bis 2021 bei Al Capone

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In der Eishockey-Liga NHL häufen sich Verträge mit wahnwitzigen Laufzeiten - die Vereine wollen dadurch die Gehaltsobergrenze umgehen.

Michael Neudecker

Das in den USA beheimatete Sport-Netzwerk Bleacher Report hat kürzlich einen schönen Vergleich gezogen: In der National Hockey League (NHL) steige die Zahl der Diebe, schrieb der Internetdienst, und wenn man "Diebe" mit "Klubs" gleichsetze, "dann sind die Chicago Blackhawks Al Capone". Den Schaden des Chicagoer Diebstahls rechnete der Bleacher Report hoch auf drei Millionen US-Dollar. Jährlich.

Die Summe ist natürlich fiktiv, und es gab auch keinen echten Diebstahl. Als genau dies aber betrachten die US-Medien jene wahnwitzigen Verträge, die in der NHL in Mode gekommen sind, und von denen Klubs wie die Blackhawks besonders schamlos profitieren. Chicago verpflichtete im Juli den 30-jährigen Stürmer Marian Hossa für zwölf Jahre, kurz darauf unterschrieb der bald 35-jährige Verteidiger Chris Pronger in Philadelphia für sieben Jahre, und vergangene Woche gaben die Vancouver Canucks die Vertragsverlängerung mit ihrem 30-jährigen Torhüter Roberto Luongo bekannt; Luongo läuft nun bis 2021 für Vancouver auf, dann ist er fast 43.

Die Liste der langjährig Gebundenen ist lang, Rekordhalter ist der Torhüter Rick DiPietro: Der damals 26-Jährige unterzeichnete 2006 einen 15-Jahres-Vertrag bei den New York Islanders - obwohl bekannt war, dass er anfällig ist für Verletzungen. Den lukrativsten Vertrag hat derzeit der Russe Alexander Owetschkin, wertvollster Spieler der vergangenen Saison, er unterschrieb 2008 in Washington für 13 Jahre, Gesamtvolumen: 124 Millionen US-Dollar.

Die Liga untersuchte einige dieser Verträge, der Grund für die skurrilen Vereinbarungen nämlich ist simpel: Die Klubs umgehen damit die festgeschriebene Gehaltsobergrenze ("Salary Cap"), ganz legal. "Front-loaded contracts", so werden die Verträge in den USA genannt, die Erklärung liefert zum Beispiel der Deal mit Roberto Luongo. Sein Vertrag ist mit gesamt etwa 64 Millionen Dollar dotiert; das Gehalt ist gestaffelt, Luongo verdient im ersten Jahr zehn Millionen, im zweiten 7,7 Millionen, vom dritten bis achten Jahr 6,7 Millionen, im neunten 3,3 Millionen, und in den letzten beiden Jahren noch jeweils eine Million Dollar.

Für den Salary Cap entscheidend ist der Durchschnitt aus allen Jahren, und der beträgt in Luongos Fall 5,33 Millionen, also deutlich weniger, als Luongo - einer der besten Torhüter der Welt - in den kommenden acht Jahren real verdient. Im Fall von Chicago und Marian Hossa beläuft sich das für den Salary Cap entscheidende Durchschnittsgehalt auf fünf Millionen Dollar - gegenüber den mindestens acht Millionen, die ein Stürmer von Hossas Qualität eigentlich kostet.

Es gibt kaum noch Klubs, die diese Lücke im System nicht ausnutzen. Die Detroit Red Wings etwa kommen derzeit auf ein tatsächliches Gehaltsvolumen von 65,1 Millionen Dollar - im Salary Cap vermerkt sind 63,2 Millionen. Die Red Wings haben erst im Januar Angreifer Henrik Zetterberg mit einem Zwölf-Jahres-Vertrag und insgesamt 73 Millionen ausgestattet, im April dann dessen Landsmann Johan Franzen mit einem Elf-Jahres-Papier und 43,5 Millionen. Detroit liegt zwar immer noch deutlich über den in der kommenden Saison maximal zulässigen 56,8 Millionen, die nötige Kürzung aber lässt sich durch Spielertäusche durchaus noch bewerkstelligen.

Den Vorwurf, die betreffenden Spieler würden in ihren letzten (billigen) Vertragsjahren ohnehin im Ruhestand sein, wehren die Klubmanager lapidar ab. Vancouvers General Manager Mike Gillis merkte allen Ernstes an, er gehe davon aus, dass Luongo lange auf hohem Level spielen könne, weil er Torhüter sei und zwar einer, ,,der mit Hirn spielt, der nicht akrobatisch herumfliegt und sich ausgiebig auf die Spiele vorbereitet''.

Falls sich Klub und Spieler doch im Laufe der langen Zeit trennen wollen, sind verschiedene, komplizierte Ausstiegsklauseln eingebaut - wenn auch nicht in allen Verträgen: Die New York Islanders versäumten dies, als sie 2001 den Russen Alexej Jaschin für zehn Jahre unterschreiben ließen. Jaschin erfüllte die Erwartungen nicht, die Islanders entschlossen sich 2007, ihn aus dem Vertrag für 17,6 Millionen Dollar herauszukaufen, zahlbar bis 2015 in jährlich unterschiedlichen Beträgen. Jaschin wechselte damals nach Russland zu Lok Jaroslawl, mittlerweile tritt er für St. Petersburg an. Kommende Saison bekommt er 4,8 Millionen von den Islanders überwiesen, er ist damit zurzeit ihr zweitteuerster Spieler.

© SZ vom 08.09.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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