Eishockey: Aus für Deutschland:"Wir wussten, dass sie sauer sind"

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2:8 gegen Kanada: Deutschlands Eishockeyteam fährt mit der schlechtesten Bilanz der Geschichte nach Hause.

M. Neudecker, Vancouver

Es war klar, dass Team Canada enorm motiviert in dieses Eishockeyspiel gegen Deutschland gehen würde, in dem es ja um alles ging: Der Gewinner spielt im Viertelfinale gegen Russland, der Verlierer scheidet aus dem Turnier aus. "Do or die", so sagt der Kanadier zu so einer Situation martialisch: Friss oder stirb. Die Kanadier hatten einiges gutzumachen bei ihren Fans, ein 3:5 gegen die USA, "wir wussten, dass sie sauer sind", sagt Bundestrainer Uwe Krupp, "unser Ziel war, die ersten zehn Minuten zu überleben".

Das klingt sehr zurückhaltend, aber die Wahrheit ist: Zehn Minuten überleben, das kann schon ein zu hoch gestecktes Ziel sein, wenn man als Deutschland gegen Kanada spielt. Nun: Es klappte. Deutschland hielt dagegen, so gut es konnte - das 1:0 für Kanada fiel erst nach zehn Minuten und 13 Sekunden. Das 2:0 fiel nach 22,32 Minuten, das 3:0 nach 23,26 Minuten, das 4:0 nach 28,50 Minuten. Am Ende stand es 8:2, und damit ging das Spiel genau so aus, wie zu erwarten war.

Sicher, "wir haben gehofft", sagt Marco Sturm, eigentlich sagen das alle, als sie nach dem Spiel in den Katakomben stehen. Der Plan war gewesen, "das Spiel knapp zu halten, 0:1, 1:2, in der Art", sagt Uwe Krupp. Aber die Unterschiede waren einfach zu groß, und im Sport lassen sich Unterschiede ja oft in Zahlen ausdrücken, zum Beispiel in Finanzen. Kanadas Torhüter Roberto Luongo verdient nächste Saison in Vancouver rund 7,5 Millionen Euro, das entspricht nicht ganz dem Etat der Adler Mannheim; und Shea Webers 3,3 Millionen Jahresgehalt sind immer noch mehr, als die Augsburger Panther für ihr gesamtes Team ausgeben.

Selbst wenn Team Canada bei der Niederlage gegen die USA neulich seine ganze Form und all sein Selbstvertrauen verloren hätte - das Tempo, das die Kanadier jederzeit imstande sind vorzugeben, ist für nahezu alle deutschen Spieler viel zu hoch. Und dann übte Kanada von Beginn an auch noch mächtig Druck auf die Deutschen aus. Wenn die Deutschen den Puck bekamen, schlugen sie ihn weg, um wechseln zu können, nach zwölf Minuten berührte Kanadas Torwart Luongo erstmals den Puck, er wehrte einen Schlagschuss des Verteidigers Jakub Ficenec von hinter der blauen Linie ab. Da stand es schon 1:0 für Kanada.

Man kann den Deutschen nicht vorwerfen, dass sie nicht alles gegeben hätten; denn das haben sie. Man kann nicht behaupten, dass sie besonders schlecht gespielt hätten; denn das haben sie nicht. Vor allem im zweiten Drittel, als die Kanadier beim Stand von 4:0 etwas nachließen, nutzten die Deutschen ihre Gelegenheit zu immerhin einem Tor durch Marcel Goc. "Da haben wir für zehn Minuten etwas den Fokus verloren", analysierte Kanadas Trainer Mike Babcock hinterher ernst. Kanada fand den Fokus schnell wieder, man bekam dann fast Mitleid mit den Deutschen. "Das war eine harte Schule für die Spieler", befand Sportdirektor Franz Reindl, der auf der Tribüne saß, "aber von oben war's auch nicht einfach, zuzuschauen."

Zwei Minuten vor dem Ende, kurz bevor der belanglose zweite deutsche Treffer durch Manuel Klinge fiel, schrie das ganze, wirklich das ganze Stadion: "We want Russia", immer wieder, "we want Russia". Kanada wollte Russland, Kanada bekommt Russland, schon diesen Mittwoch, im Viertelfinale. Die Deutschen dagegen reisen an diesem Mittwoch wieder ab, der Liga-Alltag geht bald weiter, in Deutschland wie in Nordamerika. Sie nehmen die Erfahrung mit, wie es war, gegen die besten Spieler der Welt anzutreten, "es ist schon toll, bei so einem Spiel dabei gewesen zu sein", sagt Verteidiger Dennis Seidenberg.

Aber acht Gegentore und nach vier Niederlagen in vier Spielen die schwächste Olympiabilanz der deutschen Eishockeygeschichte - natürlich waren die Deutschen da auch ein wenig geknickt. Christian Ehrhoff, der für die Vancouver Canucks in der NHL aufläuft, gab denn auch zu, "ein bisschen frustriert" zu sein, wenngleich er weiß, dass es keine Schande ist, gegen Kanada zu verlieren. Er gab dann der örtlichen Presse noch seine Meinung mit auf den Weg. Als er von kanadischen Reportern gefragt wurde, auf wen er im Viertelfinale tippen würde, antwortete er: "Russland. Sie haben die bessere Mannschaft."

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