Eintracht Frankfurt:Störgeräusche im Stadtwald

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Einsam auf der Tribüne: Frankfurts abwanderungswilliger Sportdirektor Fredi Bobic. (Foto: Robin Rudel/imago)

Der Weggang von Fredi Bobic sorgt für Zwietracht bei der Eintracht. Denn die Unruhe gefährdet die historische Chance der Frankfurter, sich für die Champions League zu qualifizieren. Hertha BSC hat derweil erstmals das Interesse an dem Manager öffentlich bekundet.

Von Frank Hellmann

Fredi Bobic trug seine FFP2-Maske am Samstag vorbildlich. Bobic, dem Sportvorstand von Eintracht Frankfurt, war klar, dass beim Heimspiel gegen den VfB Stuttgart (1:1) die Kameras auch auf ihn gerichtet sein würden, deshalb war die ordnungsgemäße Bedeckung von Mund und Nase in seinem Logenbereich zwingend. Es hätte ihn auch niemand rügen können, falls er die medizinische Maske als einen imaginären persönlichen Maulkorb verstanden hätte. Zwar schwieg der sonst kaum öffentlichkeitsscheue Bobic, 49, diesmal gegenüber den Fernsehanstalten, um Nachfragen zu seiner persönlichen Zukunft zu umgehen, gab aber in den Klubmedien eine sportliche Einschätzung ab: "Am Ende können beide Seiten mit dem Ergebnis leben."

Die Stuttgarter Führung in dieser Partie durch Sasa Kalajdzic (68.) hatte Filip Kostic (69.) postwendend ausgeglichen. Der ehemalige Stuttgarter und forsch aufspielende Linksaußen hatte schon vorher ein fast identisches Tor geschossen - da aber stand sein Kollege Luka Jovic hauchzart im Abseits (55.). Damit gehörte bereits der Haken an die Begegnung, befand Bobic, nun freue man sich auf das Auswärtsspiel bei RB Leipzig kommenden Sonntag, das sei "ein super Gradmesser". Denn: "Es wird Zeit, dass wir auch mal auswärts in Leipzig punkten."

Das wäre für die Champions-League-Sehnsüchte des Klubs gewiss hilfreich. Doch hat der Architekt des Aufschwungs mit seinem Abschiedswunsch für diesen Sommer zur Unzeit erhebliche Unruhe erzeugt. Plötzlich herrscht Zwietracht bei der Eintracht: Die Frankfurter Führungsetage ist hochgradig verärgert darüber, wie ihr Frontmann Bobic bei einer ARD-Talkrunde recht ungeniert erklärte, seinen bis zum 30. Juni 2023 datierten Vertrag nicht zu erfüllen. Bei den Hessen habe man doch seit einem Jahr schon Bescheid gewusst, so stellte es Bobic in recht selbstgefälliger Pose dar. Nur: Das mündliche Versprechen, auf das sich der abtrünnige Baumeister aus einer Unterredung mit dem ehemaligen Aufsichtsratsvorsitzenden Wolfgang Steubing beruft, soll es in dieser Form nicht gegeben haben, heißt es aus dem Verein.

Besprochen wird die verfahrene Situation mit Bobic nun am Mittwoch bei der nächsten Aufsichtsratssitzung, in welcher der im Sommer an die Spitze des Kontrollgremiums gerückte Philip Holzer das Wort führt. Der frühere Investmentbanker wägt jedes öffentliche Statement eher drei Mal ab. Deshalb ist Holzers bislang einzige Einlassung aus einer Pressemitteilung zu beachten, wonach Bobic ihn erst vor drei Wochen über eine Vertragsauflösung informiert habe.

Nur keine Zeit verlieren: Frankfurts Filip Kostic gleicht die Stuttgarter Führung in Sekundenschnelle aus. (Foto: Hasan Bratic/Reuters)

Letztlich wird die Eintracht ihrem Sportvorstand diesen Wunsch kaum verwehren, weil wenig Sinn darin läge, dass Bobic die Zukunft des aufstrebenden Mittelstandsklubs plant, wenn er dazu keine Lust mehr hat. Aber es geht letztlich auch um den Stil. Das wollen Holzer und Co. gegenüber Bobic nun deutlich zum Ausdruck bringen. Einen Nachfolger zu finden, könnte für die Eintracht keine leichte Aufgabe werden: Potenzielle Nachfolger wie Christoph Spycher (Young Boy Bern) oder Jonas Boldt (Hamburger SV) haben bereits abgesagt. Immerhin hat Kaderplaner Ben Manga sich vergangenen Donnerstag bis 2026 gebunden und arbeitet künftig in einer Funktion mit dem Briefkopf "Direktor Profifußball". Manga ist ein enger Bobic-Vertrauter.

Und wie positionieren sich nun die Profifußballer? Torwart Kevin Trapp empfahl, das Thema "nicht zu hoch zu hängen, auch wenn es natürlich schade ist für den Verein, wenn so jemand geht." Aber: "Fredi steht nicht auf dem Platz von daher sollte uns eigentlich weniger kümmern und bedrücken, was seine Zukunft angeht." Trainer Adi Hütter wollte das Störfeuer austreten, ehe es sich zum Flächenband ausweitet. "Wir sind Profis und haben unseren Job so zu machen, dass wir uns dieses Thema vom Hals halten", beteuerte er und klang ausgesprochen gereizt. Er fürchtet um die "historische Chance", weshalb er behauptete: "Das ist eine andere Ebene und hat mit uns wenig zu tun. Als Spieler interessiert es dich überhaupt nicht, was in einer anderen Etage passiert."

Die Personalie Bobic wird diskutiert, erklärte Herthas Aufsichtsratsmitglied Jens Lehmann

Hertha BSC hat derweil am Sonntag das Interesse an Bobic erstmals öffentlich gemacht. "Er wird diskutiert, das ist nicht von der Hand zu weisen", sagte Aufsichtsratsmitglied Jens Lehmann im Sender Sky: "Allein aufgrund der Tatsache, dass Fredi das in Frankfurt super gemacht hat, ist er schon sehr qualifiziert." Die Einigung mit der Eintracht sei aber kein leichtes Unterfangen. "Wenn er sagt, er geht, dann wollen die (Eintracht Frankfurt, d. Red.) dafür eine Menge Geld sehen", erklärte Lehmann. Die kolportierte Summe in Höhe von fünf Millionen sei "in dieser Größenordnung" anzusiedeln, bestätigte der frühere Nationaltorhüter.

Stuttgarts Sportchef Sven Mislintat warb am Wochenende im Frankfurter Stadtwald darum, den erfolgreichen Bobic ohne Donnergrollen gehen zu lassen - der Kollege habe schließlich "Sensationelles geleistet". Wenn Spieler aufgrund starker Leistungen aus einem laufenden Vertrag gelockt werden, erhöht sich zwangsläufig die Ablöse. Genauso stellt sich das jetzt die Eintracht auch bei ihrem Manager vor, der nur gegen Entschädigung vertragsbrüchig werden kann. Bobic erwartet hingegen, dass er aufgrund seiner erwirtschafteten Transfererlöse umsonst weiterziehen kann. Die Sitzung am Mittwoch in Frankfurt könnte spannender werden als das Spiel am Samstag.

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