Eintracht Frankfurt:Start in falscher Tonlage

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Karawane der Enttäuschung: Geschlagene Frankfurter in Mannheim hinter ihrem Trainer Oliver Glasner. (Foto: Robin Rudel/imago images/Sportfoto Rudel)

Nach dem Pokal-Aus gegen den Drittligisten Mannheim will Frankfurts neuer Trainer Oliver Glasner mit der Mannschaft "hart ins Gericht gehen". Immerhin: Sie dürfte noch mit mindestens einem Offensivspieler verstärkt werden.

Von Frank Hellmann, Frankfurt

Viele Anhänger von Eintracht Frankfurt können es kaum erwarten, dass das Werk ihres Publikumslieblings endlich auf den Markt kommt. Martin Hinteregger, der rustikale Verteidiger und authentische Haudegen, ist unter die Autoren gegangen: Für diesen Dienstag hat sein Verein eigens einen Pressetermin im Business-Bereich der Frankfurter Arena freigeräumt, damit der österreichische Nationalspieler über den Inhalt von "Innensicht" sprechen kann - so heißt das Buch, in dem es darum geht, wie der 28-Jährige der drohenden Spielsucht entfliehen konnte, wie ihn der Druck der Öffentlichkeit in ein tiefes Loch fallen ließ oder warum er sich neben dem Verein ein persönliches Betreuerteam aufgebaut hat.

Klingt alles spannend, aber aktuell beschäftigt die Fans noch eine andere Binnensicht: Wie konnte es passieren, dass Hinteregger und Kollegen am Sonntag im DFB-Pokal derart neben sich standen? Am Ende waren die Hessen, der fünfmalige Pokalsieger, mit dem 0:2 beim SV Waldhof Mannheim noch gut bedient. Die zugelassenen 12 151 Zuschauer im Carl-Benz-Stadion feierten den Triumph des Drittligisten nach Toren von Marcel Seegert (48.) und Joseph Boyamba (51.), während der Erstligist über den kopflosen Auftritt rätselte. "Wir haben ihnen die Lust am Fußball genommen", sagte Mannheims Stürmer Dominik Martinovic. Am Ende gewannen die Frankfurter kaum noch einen Zweikampf. Und Führungsspieler Hinteregger flog nach gut einer Stunde vom Platz. Ein unrühmliches Kapitel für den Buchautoren.

Oliver Glasner, der vom VfL Wolfsburg gekommene Trainer, wähnte sich nach fast fünf Wochen Vorbereitung deutlich weiter. Der gebürtige Salzburger kündigte an, mit der Mannschaft "hart ins Gericht" zu gehen. Seine Ansage: "Wir müssen jetzt die Ärmel hochkrempeln." Klang nach verschärftem Training und einem härteren Umgangston, denn eine ähnliche Leistung zum Bundesliga-Auftakt bei Borussia Dortmund (Samstag 18.30 Uhr) würde unweigerlich in die nächste Demütigung münden. Glasner ("Ich bin sehr, sehr enttäuscht") hatte versucht, das erfolgreiche System mit Dreierkette und zwei Spielmachern seines Vorgängers Adi Hütter zu übernehmen, nun trat der 46-Jährige unfreiwillig in andere Fußstapfen seines nach Mönchengladbach gewechselten Landsmannes. Hütter hatte sich vor drei Jahren im Pokal eine ähnliche Blamage geleistet: 1:2 beim Regionalligisten SSV Ulm, Aus als Titelverteidiger.

Andererseits: Wenn Glasner ähnlich rasch wie Hütter die richtigen Lehren aus dem Weckruf zieht, könnten die Parallelen ein gutes Omen sein. An sachdienlichen Hinweisen für die Versäumnisse fehlte es nicht. "Wir haben nicht mehr den Ball laufen lassen, sondern sind selbst damit gerannt", bemängelte der neue Frankfurter Sportvorstand Markus Krösche. Für den Nachfolger von Fredi Bobic steht "die Qualität des Kaders jetzt nicht infrage, wir vertrauen den Spielern". Vermutlich werde auf dem Transfermarkt nicht mehr viel passieren, sagte er, dürfte da aber eher geflunkert haben. Amin Younes, gemeinsam mit Daichi Kamada der tricksende Impulsgeber der Vorsaison, ist schon wieder auf dem Sprung, weil der vor der EM sogar wieder in die Nationalmannschaft berufene Deutsch-Libanese auf eine Gehaltserhöhung pocht - die Zeichen deuten auf Trennung hin. Zumal Younes' Kurzeinsatz in Mannheim ziemlich uninspiriert aussah.

Unbedingt bleiben soll hingegen Filip Kostic, der im Pokal wegen eines fiesen Tritts gegen Bremens Ömer Toprak aus dem März 2020 noch seine Langzeitsperre absaß. In der Liga darf der Flankenautomat zwar wieder ran, braucht aber noch einen verlässlichen Zielspieler. Denn es würde sehr verwundern, wenn der Kolumbianer Rafael Borré die Lücke des für 23 Millionen Euro Ablöse zu Krösches Ex-Klub RB Leipzig transferierten Torjägers André Silva auf Anhieb schließt. Die Fahndung nach einem Mittelstürmer läuft noch. Immerhin ist der Deal mit dem variabel einsetzbaren Offensivspieler Jens Petter Hauge so gut wie durch: Der 21-jährige Norweger, guter Kumpel von BVB-Angreifer Erling Haaland, soll vom AC Mailand zunächst ausgeliehen werden, danach besteht eine Kaufoption. Dieses Konstrukt hatte sich bereits beim Portugiesen Silva bewährt, den Milan vor zwei Jahren am letzten Tag der Transferperiode im Tausch mit dem Frankfurter Pokalhelden Ante Rebic an den Main ziehen ließ.

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