Eintracht Frankfurt:Schurkenteam

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Glatt rot: Schiedsrichter Sascha Stegemann schickt Frankfurts Angreifer Haris Seferovic für eine Tätlichkeit vom Feld. (Foto: Odd Andersen/AFP)

Frankfurts Trainer stigmatisiert seine Mannschaft nach Niederlage bei Hertha BSC als größte Tretertruppe der Liga.

Von JAVIER CÁCERES, Berlin

Als das größte Schurkenteam der Fußballgeschichte gilt die argentinische Mannschaft Estudiantes de la Plata. Sie holte von 1968 bis 1970 drei Mal die Copa Libertadores, den südamerikanischen Meisterpokal, und wurde auch interkontinental bekannt, durch Finals um den Weltpokal, die bis heute als nicht jugendfrei gelten. Ganz so schlimm ist es um die Frankfurter Eintracht nicht bestellt, man hätte das nach der überaus verdienten 0:2-Niederlage bei Hertha BSC aber fast schon meinen können. Denn ausgerechnet Trainer Niko Kovac hob die Eintracht in den Rang eines Bösewichter-Teams: "Wir sind die Tretertruppe Nummer eins der Liga!"

Anlass bot eine Szene aus der 79. Minute, als das dramatisch zähe Spiel in Berlin nach der Führung durch Vedad Ibisevic (57.) entschieden war, das 2:0 durch Vladimir Darida (83.) war eine bloße Zugabe. Nach einem Eckstoß, der Ball war längst in weiter Ferne, fuhr Eintracht-Stürmer Haris Seferovic den Arm aus und schlug dem Hertha-Verteidiger Niklas Stark damit an den Hals. Der Schiedsrichter sah die Szene nicht, wohl aber sah sie der Linienrichter, der eine unmissverständliche Empfehlung aussprach: Rot für Seferovic.

"Ich bin keiner, der seine Spieler dazu animiert, um sich zu treten."

Kovacs Superlativ fußte auf einer unangenehmen Statistik: Seferovics Platzverweis war der sechste, den die Eintracht in der laufenden Spielzeit zu verdauen hatte, mehr hat kein Bundesliga-Team aufzuweisen. Auch in der nationalen Rangliste der Verwarnungen steht Eintracht einsam vorn, kollektiv (58 gelbe Karten) und individuell: Der Spanier Omar Mascarell musste am Samstag pausieren, weil er in der Vorwoche seine zehnte gelbe Karte gesehen hatte - mehr als jeder andere Kollege im aktuellen Geschäftsjahr.

Die rote Karte für Seferovic war "absolut berechtigt", sagte Kovac, und er fügte hinzu, dass es einerlei sei, ob Seferovic zuvor möglicherweise "durch ein paar nette Worte" provoziert worden war: "Das geht nicht. Ich erwarte, dass wir uns benehmen." Dass er nun seine Mannschaft öffentlich als Treter-Truppe stigmatisierte, hatte wohl damit zu tun, dass er es intern schon mal probiert hatte: "Anscheinend stoße ich da auf taube Ohren." Andererseits hatte er sein Team im Vorfeld der Partie bei der Hertha zumindest sinngemäß noch als ein Sammelsurium idealer Schwiegersöhne gegeißelt: "Wir haben eine zu brave Mannschaft." Er würde sich freilich wünschen, dass sie sich regelkonform verhält: "Ich bin sicher keiner, der seine Spieler dazu animiert, um sich zu treten."

Was sich die Mannschaft leiste, "übertüncht, was wir in der Hinrunde geleistet geschafft haben", meinte Kovac. Dass man da "wirklich mit Qualität" aufgefallen sei und "vielen Mannschaften Paroli geboten" habe, wie der Trainer anfügte, mag stimmen. Andererseits hatte man nach 17 Spielen, als man wie jetzt auf dem sechsten Tabellenplatz stand, auch schon drei rote, eine gelb-rote sowie 48 gelbe Karten gesammelt. Die Eintracht hatte also, in anderen Worten, die Grundlage dafür gelegt, dass man in der Fairplay-Wertung des kicker mit 86 Punkten weit vor dem Hamburger SV (67) und Mainz 05 (63) liegt. Allerdings ist Kovac der Ansicht, dass ein Drittel der gelben Karten nie gezeigt worden wären, wenn in der Bundesliga nach internationalen Standards gepfiffen würde. In den großen Ligen Europas sind aber mit Bastia (10 rote Karten) in Frankreich sowie Genua, Mailand und Cagliari (je 8) Teams zu finden, die noch mehr gepeinigt wurden.

Kovacs Ärger dürfte deshalb vor allem daran liegen, dass die Erfolge zuletzt ausgeblieben sind. Die verdiente Niederlage bei der Hertha - die Eintracht erspielte sich nur eine Chance - war die dritte Niederlage in Serie ohne eigenen Torerfolg. Die Folge: Hertha zog in der Tabelle an der Eintracht vorbei auf den fünften Platz, was Kovac als Beleg dafür diente, dass es in der Bundesliga "nicht leichter wird, wenn man die Spiele nur mit zehn Leuten zu Ende spielt". Büßen muss dafür Seferovic: "Das ist eine Dummheit, und dafür wird er sanktioniert", sagte Kovac - in Form einer größeren Geldspende, "das geht so richtig ans Portemonnaie. Denn was soll ich machen? Soll ich ihn in Urlaub schicken?", fragte Kovac am Ende und wirkte dabei einigermaßen hilflos.

© SZ vom 27.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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