Teamsport in Deutschland:Hört auf, Erfolg in Medaillen zu messen

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Sind bei der WM im Januar früh im Achtelfinale ausgeschieden, deswegen aber noch lange keine Versager: die deutschen Handball-Männer. (Foto: REUTERS)

Die Öffentlichkeit urteilt erbarmungslos über Erfolg und Misserfolg. Dabei geht es mit den Teamsportarten in Deutschland bergauf - unabhängig von Titeln und Triumphen.

Kommentar von Joachim Mölter

Jetzt, da kalendarisch gerade der Herbst begonnen hat und mit ihm die EM der Volleyballerinnen, ein kleiner Rückblick auf den Sommer. Der hat ja speziell dem Deutschen Volleyball-Verband (DVV) innerhalb kürzester Zeit eine reiche Ernte beschert: Anfang August den WM-Titel der Beachvolleyballerinnen Laura Ludwig und Kira Walkenhorst, zwei Wochen später Gold bei der EM der Strandspieler durch Nadja Glenzke und Julia Großner sowie Bronze durch Chantal Laboureur und Julia Sude, schließlich Anfang September das EM-Silber der Männer in der Halle, ihre erste Medaille überhaupt bei Europameisterschaften. Die Frauen müssen jetzt überhaupt nichts mehr reißen bei ihren kontinentalen Titelkämpfen in Aserbaidschan und Georgien, damit der DVV das Jahr 2017 als das ertragreichste seiner Geschichte bilanzieren kann.

In diesem Zusammenhang sei erwähnt, dass just in diesen Tagen auch die deutschen Basketball-Männer ihre beste EM seit zehn Jahren hinter sich gebracht haben - zwar ohne Medaillengewinn, aber das Erreichen des Viertelfinales mit dem jüngsten Team des Turniers weckt ja berechtigte Hoffnungen, dass es in Zukunft noch weiter nach vorn geht.

Wer nur die letzten sechs Wochen in Erinnerung hat, könnte jedenfalls den Eindruck bekommen, dass es mit den deutschen Mannschaftssportarten abseits des Fußballs momentan wieder mal steil bergauf geht. Doch wer das tut, der tappt geradewegs in die de-Maizière-Falle, die der deutsche Innenminister mit seiner Spitzensportreform aufgestellt hat: In der zählen nur noch Medaillen, also die blendenden Erfolge. Da übersieht man leicht diejenigen, die im Schatten der Siegerpodeste stehen.

Olympia
:Ludwig und Walkenhorst lassen Gegner wie Amateure aussehen

So professionell hat sich noch kein Beachvolleyball-Duo vorbereitet - das windumtoste Gold für Laura Ludwig und Kira Walkenhorst ist das Ergebnis einer Ich-AG, die sich auch finanziell lohnt.

Kommentar von Sebastian Winter

Aber hat der Hockey-Verband wirklich schlechter gearbeitet in diesem Jahr, bloß weil seine Mannschaften bei den Europameisterschaften jüngst im August kein Edelmetall nach Hause geschleppt haben? Sowohl das Männer- als auch das Frauen-Team sind nach ihren Bronzegewinnen bei den Olympischen Spielen von Rio 2016 verjüngt und neu aufgebaut worden; beide unterlagen in den EM-Halbfinals jeweils knapp, die Männer im Siebenmeterschießen, die Frauen 0:1. Oder haben die Handballer versagt, weil sie nach EM-Titel und Olympia-Bronze 2016 bei der WM im Januar im Achtelfinale ausgeschieden sind - nach einer Niederlage mit einem Tor Unterschied, 20:21?

Gerade die letztgenannten Beispiele verdeutlichen, wie schmal im Mannschaftssport der Grat zwischen Sieg und Niederlage ist und wie scharf das Messer, mit dem die Öffentlichkeit zwischen Erfolg und Misserfolg trennt. Ein einziges Tor, ein fehlender Spieler, ein schlechter Tag - all das kann dazu führen, dass eine gute, mitunter jahrelange Aufbauarbeit nicht belohnt und anerkannt wird.

Erfolge sind auch nur Momentaufnahmen

Die Volleyballer, die nun wegen ihres EM-Silbers so gefeiert werden, sind ja zuvor noch wegen ihrer verpassten WM-Qualifikation kritisiert worden. Dass sie in eine Gruppe mit sehr starken Gegnern geraten waren, dass ihr bester Mann nicht dabei war - egal. Die Momentaufnahme der Volleyball-Männer damals war so niederschmetternd wie sie nun himmelhochjauchzend ist - Stimmungen, Einschätzungen, Eindrücke schlagen gerade im Sport innerhalb weniger Tage, Wochen und Monate gern von einem Extrem ins andere um.

Und was bedeutet das nun für den Teamsport in Deutschland? Er ist generell auf einem guten Weg, aber man muss Geduld haben, und man muss ihn langfristig fördern, unabhängig von momentanen Titeln und Triumphen. Man darf Medaillen nicht fordern. Aber man darf sie genießen, wenn sie mal da sind.

© SZ vom 23.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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