DOSB:Athlet gegen Präsident

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Früher Ruderer, heute Athletenvertreter im DOSB-Präsidium: Jonathan Koch bei einem Rennen im Sommer 2010 in München. (Foto: Gepa/Imago)

Der DOSB und sein Verbandsboss Alfons Hörmann geraten weiter in die Kritik: Nach einer Distanzierung des Athletenvertreters Jonathan Koch von einer Pro-Hörmann-Resolution steht der Vorwurf eines frappierenden Täuschungsmanövers im Raum.

Von Johannes Aumüller, Frankfurt

Seit anderthalb Wochen herrscht immense Aufregung rund um den Deutschen Olympischen Sportbund. Da machte ein anonymer offener Brief die Runde, der im Namen von Mitarbeitern aus dem Sportdachverband gravierende Vorwürfe gegen den DOSB-Präsidenten Alfons Hörmann erhob und eine "Kultur der Angst" konstatierte. Der Druck auf den Verbandschef ist riesig, und nun gibt es in diesem Kontext die nächste Eskalation. Nach einer neuerlichen Distanzierung des Athletenvertreters Jonathan Koch von einer Pro-Hörmann-Resolution des Präsidiums steht der Vorwurf im Raum, dass der DOSB im Umgang mit der Affäre zu einem frappierenden Täuschungsmanöver griff - und eine geschlossene Unterstützung des Führungsgremiums für den Verbandsboss vorgaukelte, die es offenkundig gar nicht gibt.

Der Kern dieses Vorgangs ist ein "Statement des Präsidiums", das der DOSB nach der Publikation des offenen Briefes am Freitag vor einer Woche veröffentlichte. Darin hieß es unter anderem, dass das Gremium dem Präsidenten das "uneingeschränkte Vertrauen" ausspreche. Gezeichnet war es von allen Präsidiumsmitgliedern außer Hörmann selbst. Am Montag jedoch distanzierte sich Jonathan Koch, früher Ruderer und seit 2018 als Athletenvertreter Mitglied im DOSB-Präsidium, von dieser Stellungnahme. Er habe sich bei einer Abstimmung über eine Positionierung enthalten, trotzdem sei er namentlich unter dem Pro-Hörmann-Text aufgeführt worden. Das wolle er richtigstellen.

Eine namentliche Nennung trotz Enthaltung? Das wirkte schon sehr schräg, doch das war offenkundig noch nicht das Ende der Geschichte. Der DOSB entfernte zwar Kochs Namen - ebenso wie die Namen aller anderen Präsidialen - unter dem Text, und nach rund anderthalb Tagen Bedenkzeit versandte er dann auch eine Erklärung zum Zustandekommen der Irritationen. Dem koordinierenden Präsidiumsmitglied Uschi Schmitz hätten "die Zusagen aller amtierenden Präsidiumsmitglieder für die Unterstützung des Statements" vorgelegen; doch nach intensiven Beratungen in der anderthalbtägigen Präsidiumssitzung habe Koch dann darum gebeten, das gemeinsame Statement nicht namentlich, sondern als Gesamtpräsidium zu zeichnen.

"Ohne meine mündliche oder schriftliche Zustimmung"

Aber auch über diese Darstellung ist Koch verwundert - und so legte er am Freitag noch einmal nach. Die Stellungnahme sei "ohne meine mündliche oder schriftliche Zustimmung mit meinem Namen unterzeichnet" gewesen, teilte er mit. Trotz seiner Richtigstellung werde der Eindruck erweckt, er habe der Stellungnahme und der namentlichen Nennung zugestimmt. Und weil der DOSB das auf seine Bitte hin nicht korrigiert habe, tut er das nun selbst. Er habe beim Austausch über die Stellungnahme implizit ein Veto eingelegt, inhaltliche Kritikpunkte adressiert und um mehr Zeit gebeten. "Der Zeitpunkt der Veröffentlichung sowie konkrete Inhalte waren mir nicht bekannt", schrieb er.

Das sind gewaltige Anwürfe - und immer mehr stellt sich die Frage, wie der DOSB das alles erklären kann und wer dafür die Verantwortung trägt, dass Kochs Name unter dem Text auftauchte und eine angebliche Einhelligkeit im Präsidium suggeriert wurde. Der DOSB beantwortete eine Anfrage zur neuerlichen Stellungnahme des Athletenvertreters am Freitag zunächst nicht. Allerdings interessiert sich nun auch die Ethikkommission des DOSB, die der frühere Innenminister Thomas de Maizière (CDU) leitet, für diesen Vorgang. Das bestätigte de Maizière. Die Ethiker hatten nach der Publikation des offenen Briefes und der dort gegen Hörmann formulierten Vorwürfe ein Verfahren eröffnet; da solle es auch ein Gespräch mit Koch geben, teilte de Maizière mit.

Die Athleten zählen schon seit Längerem zu Hörmanns Kritikern. Dessen Rückhalt im Sport bröckelt in diesen Tagen weiter. Unter den Vertretern der Spitzensportverbände hat er ohnehin viele Gegner, was schon 2018 in einer Kampfkandidatur von Triathlon-Chef Martin Engelhardt gegen Hörmann mündete. Nun gehen auch manche Landessportbünde auf Distanz; der Präsident des nordrhein-westfälischen forderte ihn sogar schon zum Rücktritt auf. Aber es ist nun auch die Frage, wie sich die übrigen DOSB-Präsidialen positionieren, wenn sie sehen, wie freihändig mit der Meinung von Mitgliedern ihres Gremiums umgegangen wird.

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